Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie (PRAC)

Das Bundesgericht stellt eindeutig und konstant fest: "Ein ausschliesslich ästhetischer Mangel zählt nicht zu dem durch das KVG versicherten Krankheits-Risiko". Einzig Leiden mit Krankheitswert sind Pflichtleistung (PL). Die Bestimmung des Krankheitswertes wird immer schwieriger, da sich infolge des Enhancements die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit verschieben.

Es können zu Leistungspflicht (LP) führen:

  • Funktionseinbussen
  • Schmerzen
  • Psychische Erkrankung infolge ästhetischer Defizite
  • Fehlbildungen (Anomalien)
  • Folgen von Krankheiten oder Unfällen

Dem Kostengutsprachegesuch sind die zur Beurteilung des Krankheitswertes erforderlichen schriftlichen und fotografischen Dokumente beizulegen. Gegebenenfalls soll der Vertrauensarzt den Versicherten selbst untersuchen.

Funktionseinbussen oder Schmerzen

Die Beschwerden müssen erheblich sein und vor allem ästhetische Motive zurückdrängen.

Es genügt, dass die Beschwerden und der Kausalzusammenhang nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sind. Die blosse Möglichkeit ist nicht ausreichend, andererseits ist ein Zusammenhang im streng wissenschaftlichen Sinn nicht erforderlich.

Psychische Erkrankung infolge ästhetischer Defizite

LP kann einzig zur Diskussion stehen, wenn mit dem ästhetischen Defizit eine psychische Beeinträchtigung mit ausgeprägtem Krankheitswert (u.a. Nachweis psychiatrischer Therapie) verbunden ist. Voraussetzung ist ein psychisches Leiden, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den ästhetischen Mangel zurückzuführen ist und durch einen Korrektureingriff mit guten Aussichten wesentlich gebessert werden kann.

Body Dysmorphic Disorder (BDD)

Von einer BDD wird gesprochen beim Vorliegen eines psychischen Leidens mit Krankheitswert, dessen Ursache jedoch nicht im (subjektiv übergewichteten) Ausmass des ästhetischen Defizits erkannt werden kann. Das Leiden am (vermeintlichen) ästhetischen Mangel ist nicht kausal auf diesen zurückzuführen, sondern Symptom einer tiefer liegenden psychischen Störung. Entsprechend kann nicht erwartet werden, dass eine Korrekturoperation eine Heilung bringt.

Folgen von Krankheiten oder Unfällen

Die operative Behandlung krankheits- oder unfallbedingter Beeinträchtigungen, insbesondere äusserlicher Verunstaltungen an sichtbaren und in ästhetischer Beziehung speziell empfindlichen Körperteilen, kann eine PL darstellen. Voraussetzung ist, dass der Mangel ein geradezu entstellendes, allenfalls stigmatisierendes Ausmass erreicht und sich durch eine ästhetische Operation beheben lässt. Die LP für ästhetische Operationen hat sich in allgemein üblichen Grenzen und im Rahmen der Wirtschaftlichkeit zu halten.

Mammahyperplasie LINK zu Unterkapitel

Mammahypoplasie

Ausnahmsweise kann ein Brustaufbau eine PL darstellen.

Mammafehlbildungen (Tubuläre Brüste)

Tubuläre Brüste müssen klar entstellend sein, damit deren operative Korrektur PL wird.

Dem Gesuch sind zwingend Aufnahmen in stehender Position unter Dokumentation des gesamten Stammes (frontal, 2x seitlich und 2x schräg) beizulegen.

Brustasymmetrie

Die Brustasymmetrie muss klar entstellend sein und Krankheitswert aufweisen, damit deren operative Korrektur PL wird. Wenn ein psychisches Leiden mit Krankheitswert überwiegend auf die Asymmetrie zurückzuführen ist und von der Symmetrisierung eine wesentliche Besserung erwartet werden darf, ist diese PL. Die Indikation zur Symmetrisierung muss gemeinsam durch Psychiater und Facharzt für PRAC gestellt werden. Eine durch einseitige Mammahyperplasie mit Krankheitswert hervorgerufene Asymmetrie kann PL aus somatischer Indikation darstellen.

Gynäkomastie

Ausgeprägte therapieresistente Gynäkomastie bei Jugendlichen und jungen Männern kann Krankheitswert haben, die Resektion des Drüsengewebes wird PL. Dem Gesuch sind die Dokumentation der bisherigen Therapie und Aufnahmen des Stammes in stehender Position (frontal, 2x seitlich und 2x schräg) beizulegen.

Ausgeprägte aus dem Oberkörper gut sichtbar hervortretende Gynäkomastie bzw. Lipomastie nach massiver Gewichtsreduktion hat Krankheitswert. Deren operative Korrektur ist nach negativem Ergebnis der Abklärung auf einen malignen Prozess (u.a. Sonographie, Endokrinologie und Urologie) PL.

Medikamentös induzierte oder im Rahmen chronischer Systemerkrankungen (z.B. Leberzirrhose, Chronische Niereninsuffizienz) auftretende Gynäkomastien werden primär kausal oder medikamentös behandelt (AWMF Online). Bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie ist die operative Korrektur, v.a. bei Schmerzen und gut sichtbarer Gynäkomastie PL.

Brustrekonstruktion

Die Brustrekonstruktion nach einer Ablatio mammae oder subcutaner Mastektomie aus medizinischer Indikation ist PL (Anhang 1 KLV). Das gilt ebenso, wenn wegen Komplikationen (z.B. Kapselbildung) eine Reoperation notwendig wird. Der Prothesenersatz ist PL. Im Fall einer nur teilweisen Resektion muss die ästhetische Beeinträchtigung ein „gewisses Ausmass“ erreichen.

Kapselfibrose nach Mamma-Augmentation aus ästhetischen Gründen

Therapie medizinischer Komplikationen nach ästhetischen Eingriffen ist PL. Perioperativ auftretende Komplikationen sind ausgeschlossen. Narbenkorrekturen sind ebenfalls ausgeschlossen, da sie einerseits ein rein ästhetisches Problem darstellen und andererseits die ursprüngliche Behandlung bereits keine PL war.

Nach ästhetischer Mamma-Augmentation ist die Entfernung beschädigter Prothesen oder von Kapselbildungen PL, nicht hingegen das Wiedereinsetzen neuer Prothesen. Da das Risiko erneuter Kapselbildungen in solchen Fällen massiv erhöht ist, kann vertreten werden, dass die Sozialversicherung höchstens für eine weitere Komplikation infolge erneut eingesetzter Prothesen geradestehen muss.

Plastische Chirurgie nach massiver Gewichtsreduktion

Die Abdominalplastik (Resektion der „entleerten“ Fettschürze) ist eine häufige Korrekturoperation nach bariatrischen Operationen. LP besteht nur bei somatischer Indikation wie funktionellen Einschränkungen oder Narbenschmerzen nach Ausschöpfen der konservativen Narbentherapie. Intertrigo wird als Indikation nicht anerkannt, da sie im Prinzip mit einfachen hygienischen und dermatologischen Massnahmen angegangen werden kann (LINK Dermatologie). Der Bauch wird ausdrücklich nicht akzeptiert als in ästhetischer Hinsicht speziell empfindliche Region. Mammaptose, so genannte „Fledermausfalten“ an den Oberarmen und Dermatochalasen an den Oberschenkeln sind ästhetische Mängel und in der Regel ohne Krankheitswert.

Oft wird zur Unterstützung des Kostengutsprachegesuchs für eine Abdominalplastik eine Rektusdiastase geltend gemacht. Diesen Angaben soll mit Skepsis begegnet werden. Meistens handelt es sich um eine muskulär bedingte Bauchwandschwäche, die durch aktives Training angegangen werden soll. Rektusdiastasen sind häufig, jedoch selten symptomatisch, was einzig eine LP begründet. Anamnese und Status müssen gut dokumentiert werden.

Plastische Chirurgie nach Geschlechtsumwandlung

Die operative Geschlechtsumwandlung bzw. -anpassung ist PL. Plastisch-chirurgische Massnahmen zur Anpassung der sekundären Geschlechtsmerkmale sind in der Regel erst nach der eigentlichen Geschlechtsumwandlung PL. Die Entfernung des Adamsapfels, die Abrasion in der Mundgegend und das Einsetzen einer aufpumpbaren Penisprothese sind PL. Epilation siehe Kapitel Dermatologie.

Narben

Wenn Narben zu Schmerzen oder funktionellen Einschränkungen führen, ist die zeitgerechte chirurgische Behandlung PL. Die Beschwerden müssen erheblich sein und andere, vor allem ästhetische Motive, genügend zurückdrängen.

Ausschliesslich ästhetische Mängel sind im Prinzip nicht PL. Die chirurgische Behandlung sekundärer krankheits- oder unfallbedingter ästhetischer Veränderungen sollte frühestens ein Jahr nach dem chirurgischen Ersteingriff oder Unfallereignis nach Ausschöpfen der konservativen Narbentherapie erfolgen.

Im KVG ist sie PL unter folgenden Voraussetzungen:

  • Die Verunstaltung muss in einer im Alltag sichtbaren und in ästhetischer Hinsicht speziell empfindlichen Region (i.A. Gesicht, Hals, Hände) ein entstellendes Ausmass erreichen und durch eine ästhetische Operation zu beheben sein.
  • Die ästhetische Operation muss sich in allgemein üblichen Grenzen, d.h. auf die effiziente Korrektur der Narbe begrenzt, und im Rahmen der Wirtschaftlichkeit halten.

Im UVG geht es primär um die Wiederherstellung der normalen Funktion. Es steht mehr die Kausalität und weniger der Krankheitswert im Vordergrund. Das hat zur Folge, dass Korrekturen gut sichtbarer, auch nicht sehr auffälliger Narben und auch operative Korrekturen von Verunstaltungen in nicht sichtbaren Regionen (in Abhängigkeit der persönlichen Kleidung und Berufstätigkeit) übernommen werden.

Naevi und benigne Hauttumoren

Die Entfernung ist PL, wenn sie zu mechanischen Irritationen führen, kosmetisch erheblich beeinträchtigen oder wenn Malignitätsverdacht besteht. In letzterem Fall ist histologische Untersuchung des Exzisats nötig, da sonst die These eines Malignitätsverdachts unglaubwürdig ist.

Fehlbildungen der Ohren und abstehende Ohren

Fehlbildungen der Ohren liegen bei 5% der Bevölkerung vor. Die operative Korrektur auffallend fehlgebildeter Ohren ist PL (LINK GgV und Kapitel IV).

Abstehende Ohren gehören nach Weerda zu den leichteren Fehlbildungen (ICD-10-WHO 2019: Q 17.5). Es handelt sich um eine physische Variante ohne Krankheitswert. Als Faustregel gilt ein Ohr als abstehend, wenn der Abstand zwischen Ohrmuschelrand und Kopf in Ohrmitte >20 mm beträgt. Abstehende Ohren können bei Kindern zu Hänseleien führen, die in der Regel durch soziale Interventionen behoben bzw. unterlassen werden können. In seltenen Fällen misslingt dies, sodass die Kinder leiden. In solchen Ausnahmesituationen kann die operative Korrektur LINK NCBI indiziert sein und die Übernahme deren Kosten empfohlen werden. Dem Gesuch sind eine Darstellung des Leidens der Betroffenen, allfällige Messwerte und eine Fotodokumentation beizulegen.

Kosmetische vulvovaginale Chirurgie

(keine PL)

Fehlende oder gestörte Sportfähigkeit (z.B. Velofahren) ist keine Begründung für PL, da diese keinen Krankheitswert hat (LINK Gynäkologie-Geburtshilfe).

Dres. med. Max Giger, Jürg Zollikofer
November 2019

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