Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Mammareduktionsplastik

So individuell wie jede Patientin ist, soll auch der Entscheid getroffen werden, ob die Mammahyperplasie die Grenze des Normalen überschreitet. Das Zusammenspiel der Symptome und Befunde ist ausschlaggebend für die Reduktionsplastik als PL. Die physischen Symptome, die bei alltäglicher Aktivität vorliegen, müssen Krankheitswert aufweisen und trotz mehrmonatiger dokumentierter konservativer Therapie (Physiotherapie, Gymnastik, Analgetika) persistieren. Bei einem Facharzt (vorzugsweise Fachärztin) für Rheumatologie mit Erfahrung mit Patientinnen mit Mammahyperplasie ist zur Sicherung der Entscheidungsfindung eine Beurteilung einzuholen. Dem Kostengutsprachegesuch muss zwingend eine Fotodokumentation beigelegt werden. Es muss bei der im Prinzip normalgewichtigen Patientin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang zwischen Beschwerden und Mammahyperplasie vorliegen.

Ab wann eine weibliche Brust als zu gross angesehen wird, ist ein gradueller Prozess. Eine Mammahyperplasie kann mit einer Vielzahl von Symptomen einhergehen: therapieresistente Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen, Mazerationen intermammär u/o submammär, Schmerzen/Unwohlsein bei alltäglichen körperlichen Aktivitäten bedingt durch das schwere Gewicht der Brüste sowie Haltungsanomalien. Tiefe BH-Schnürfurchen bei breiten Trägern können auf ein hohes Brustgewicht hinweisen.

Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, da die Datenlage zur Indikationsstellung für eine Reduktionsplastik spärlich ist. Es werden in den meisten Ländern relevante physische Beschwerden, ein BMI ≤25 kg/m2 und eine Mammahyperplasie verlangt, nationale Guidelines fehlen. Die Statur und die Körpergrösse der Frau spielen ebenso eine Rolle wie die Beschaffenheit der Brust. Eine drüsige weist meist ein höheres Gewicht auf als eine vermehrt fetthaltige Brust. Symptome wie Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen nehmen unabhängig vom Resektionsgewicht (Link Pubmed, Link Pubmed) signifikant ab. Die Festlegung der Körbchengrösse ist je nach BH-Hersteller variabel. Sie kann abhängig vom gewählten Unterbrustumfang schwanken (bei einem kleineren Unterbrustumfang fällt sie grösser aus).

Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen sind multifaktoriell bedingt. 85% der Ursachen in der Schweiz sind unspezifisch (Broschüre Rheumaliga, Rückenschmerzen), u.a. gehören dazu muskuläre Dekonditionierung bei Bewegungsmangel und Adipositas. Ursachen aus dem rheumatologischen Formenkreis (z.B. Haltungs-, Stellungs- und Formfehler der WS, entzündliche oder degenerative Erkrankungen, Weichteilerkrankungen, posttraumatisch) sollten durch einen Rheumatologen erkannt, von somatoformen Störungen abgegrenzt und einer Behandlung zugeführt werden. Denn durch deren korrekte Behandlung kann das Ziel, d.h. möglichst grosse Beschwerdefreiheit, am zweckmässigsten erreicht werden. Bei unauffälligem rheumatologischen Befund führt eine mehrmonatige konservative Therapie wie intensiver Rückensport und aktive Physiotherapie zu Abnahme bis Verschwinden der Beschwerden. Dies gilt auch bei Fehlhaltung mit Protraktion des Kopfes und der Schultern. Die Patientin muss dokumentieren, dass sie regelmässig über mehrere Monate rückenstärkende Übungen gemacht hat. Eine blosse Mitgliedschaft im Fitnessstudio ist nicht beweisführend.

Bei Adipositas ist zur Entlastung des Rückens eine Gewichtsreduktion auf Normalgewicht bzw. leichtes Übergewicht (BMI ≤ 27.5 kg/m2) zu fordern. Rückenschmerzen bei Adipositas sind mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des Übergewichts und nicht des Brustgewichts. Bei Patientinnen mit therapieresistenter Protraktion des Kopfes und der Schultern, d.h. nach erfolgloser Physiotherapie, sollte die Operation vor dem Auftreten definitiver Haltungsschäden erfolgen. Die Haltung wird durch die Reduktionsplastik nachhaltig verbessert (Link Pubmed).

Dermatologische Probleme müssen trotz fachärztlicher Behandlung seit ca. 6 Monaten bestehen.

Da eine Mammahyperplasie zunächst eine organische Ursache hat, die mit funktionellen Beschwerden einhergeht, soll der somatische Aspekt im Vordergrund stehen. Die Ursache der Schmerzen ist nicht psychischer Natur. Somit ist eine psychiatrische Beurteilung der Patientin präoperativ nicht notwendig (Link Pubmed).

Wenn aber psychische Symptome geltend gemacht werden, sollen im Rahmen einer klinisch-psychiatrischen Untersuchung folgende Fragen beantwortet werden:

  • a) welche psychische Störung (ICD-10; DSM V) liegt vor?
  • b) steht die Mammahyperplasie in Zusammenhang mit der Störung?
  • c) kann bei einer Reduktionsplastik davon ausgegangen werden, dass die psychische Störung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verschwindet?
Bei einer Dysmorphophobie, einer Persönlichkeitsstörung und auch bei einer rezidivierenden depressiven Störung ist nicht davon auszugehen, dass die Symptome nach der Operation verschwinden. Allerdings gibt es Fälle, bei denen sich Frauen sozial zurückziehen, die Beziehungsfähigkeit markant gestört ist und sich diese negativen Faktoren nach erfolgter Operation tatsächlich auch bessern. Die abschliessende Beurteilung soll interdisziplinär erfolgen, d. h. zwischen Chirurg, Psychiater und Rheumatologe.

Es gibt verschiedene Konstellationen in denen der Entscheid, ob eine Mammahyperplasie operativ behandlungswürdig ist, getroffen werden kann. „Entscheidend ist letztlich, ob zwischen den geklagten körperlichen oder psychischen Beschwerden und der Mammahypertrophie ein Kausalzusammenhang besteht“ (BGE 121 V 211). Die normalgewichtige bis eventuell leicht übergewichtige Patientin ist nach erfolgloser konservativer Therapie im Zweifelsfall durch einen Facharzt (vorzugsweise Fachärztin) für Rheumatologie mit Erfahrung in der Beurteilung von Patientinnen mit Mammahyperplasie zu beurteilen.

Gemäss ständiger Rechtsprechung ist eine Mammareduktionsplastik zweckmässig, „sofern eine Gewebereduktion von gegen 500 g oder mehr beidseits vorgesehen ist bzw. durchgeführt wurde“ und wenn gleichzeitig Beschwerden geltend gemacht werden, “die auf die Hypertrophie zurückgeführt werden können (könnten), und keine Adipositas vorliegt“ (BGE130 V 299). Diese Zahl hat lediglich Richtwertcharakter (BGE 121 V 211). Es muss des Weiteren berücksichtigt werden, ob das Resektat intraoperativ, d.h. im Operationssaal, oder in der Pathologie gewogen wird, erfolgt doch zwischen den zeitlich und örtlich auseinanderliegenden Waageplätzen ein mittlerer Gewichtsverlust von 7% (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5656939/). Die Autoren postulieren, dass bei kleineren grazilen Patientinnen (Körpergrösse ≤165 cm) davon nach einer abgestuften Skala (50 g pro 5 cm Körpergrösse) nach unten abgewichen werden darf.

Fotodokumentation

Dem Kostengutsprachegesuch sind zwingend Aufnahmen in stehender Position (Gesicht darf zugedeckt sein) unter Dokumentation des gesamten Stammes: frontal, 2x seitlich und 2x schräg beizulegen.

Kriterien, die für eine Reduktionsplastik sprechen:

  • Rücken-/Nackenschmerzen (persistierend trotz Therapie)
  • Dysproportionale Brustgrösse zum Habitus
  • BMI ≤27.5kg/m2
  • Ausschluss rheumatologischer Ursachen (Bericht)
  • Bei psychischen Beschwerden (interdisziplinärer Bericht)
  • Schnürfurchen trotz breiten Trägern
  • Nachweis von: Analgetika-Konsum / Physiotherapie und Rückengymnastik
  • Fotodokumentation: Haltungsstörung / Dysproportionale Brustgrösse
  • Befürwortende rheumatologische Beurteilung

Kriterien, die gegen eine Reduktionsplastik sprechen:

  • Übergewicht (BMI ≥27.5 kg/m2)
  • Spezifisches Rückenleiden (Bericht Rheumatologe)
  • Psychiatrische Erkrankungen (interdisziplinärer Bericht)
  • Reine Hemmungen, sich im Bad oder Sauna zu zeigen
  • Ungenügende konservative Therapie
  • Fehlende Analgetikadokumentation
  • Fehlende rheumatologische Beurteilung
  • Fotodokumentation ohne Hinweis auf Haltungsstörung oder dysproportionale Brustgrösse zum Habitus

Juni 2019
Dr. med. Anna Burger, Prof. Dr. med. Nicole Lindenblatt, Dr. med. Silvia Studer, Dr. med. Max Giger

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