Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Abgrenzungen

Abgrenzung stationäre Rehabilitation – Erholungskur

Im Rahmen einer stationären Massnahme muss eine Krankheit vorliegen, welche eine Rehabilitation unter Spitalbedingungen erforderlich macht. Spitalbedürftigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn die notwendigen diagnostischen und therapeuti­schen Maßnahmen nur stationär durchgeführt werden kön­nen.

Die stationäre Rehabilitation ist auf die Wiedererlangung verlorener oder die Verbesserung beeinträchtigter Funktionsfähigkeiten mittels interprofessioneller Maßnahmen ausgerichtet.

Erholungskuren dagegen dienen ohne besondere Pflege- oder Behandlungsbedürftigkeit zur Erholung und Genesung nach Erkrankungen, die eine wesentliche Verminderung des Allgemeinzustandes zur Folge hatten.

Abgrenzung stationäre Rehabilitation – Pflege

Gemäss Art. 49 Abs. 3 KVG richtet sich bei Spitalaufenthalten die Vergütung nach dem Akut-Tarif, solange der Patient nach medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital bedarf. Ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt, so kommt für den Spitalaufenthalt der Pflege-Tarif nach Art. 50 KVG zur Anwendung. Siehe BGE 124 V 362.

Abgrenzung stationäre Rehabilitation – Badekur bzw. ambulant

Im Rahmen einer stationären Maßnahme muss eine Krankheit vorliegen, welche eine Akutbehandlung oder eine medizinische Rehabilitation unter Spitalbedingungen erforderlich macht. Leistungspflicht für einen sachlich gerechtfertigten Heilanstaltsaufenthalt besteht auch dann, wenn der Krankheitszustand eines Versicherten nicht nur eine ärztli­che Behandlung, sondern auch lediglich einen Aufenthalt im Spitalmilieu erfor­dert. Die Intensität der ärztlichen Behandlung, welche die Krankheit eines Versicherten verlangt, ist zur Rechtfertigung einer stationären Rehabilitation nicht alleiniges Entscheidungskriterium. Entscheidend ist, ob aufgrund der Schwere des Leidens und der Erfolglosigkeit trotz weiterhin bestehendem Rehabilitationspotential und -Fähigkeit der während einer längeren Zeit vorgenommenen konsequenten ambulanten Behandlung eine Notwendigkeit zur Hospitalisierung gegeben ist. Siehe BGE 126 323, 120 V 200.

Abgrenzung zwischen Akutgeriatrie - geriatrische und andere Rehabiliationen

AkutgeriatrieGeriatrische REHAÜbergangspflege
VerbreitungIn vereinzelten Spitälern der SchweizKantonal verschieden: findet sich oft in Kantonen ohne AkutgeriatrieAmbulant oder in Pflegeheim, um Übergang vom Akut-Spital und Rückkehr nach Hause abzufedern
WohnortsnäheAkutgeriatrie ist Teil der Akutsomatik und i.d.R. wohnortsnaheFindet sich in Kantonen ohne Akutgeriatrie und oft wohnortsfernwohnortsnahe
Eintrittskriterienvia Akutspital, Pflegeheim oder von zuhause | ältere Menschen i.a. 70+ | Multimorbidität, "Gebrechlichkeit"auch von zuhause | ältere Menschen, i.a. 70+ | Multimorbiditätnur via Akutspital | altersunabhängig | Pflegebedarf
FinanzierungOKPOKPPatient zahlt Kost und Logis selber!
Aufenthaltsdauergemäss Kostengutsprachegemäss Kostengutsprache2 Wochen
Infrastrukturentspricht AkutspitalInfrastruktur REHA-KlinikPflege 24/24h

Entscheidungshilfen

Die Rehabilitation nach Knie- und Hüft-Operationen

Zur Rehabilitations-Institution bei Hüft- oder Knieoperationen gibt es Empfehlun­gen der SGV

in Rehabilitations-Klinik (KVG-Pflichtleistung)Rehabilitation im Kurhaus oder Badekur (Hotellerie keine Pflichtleistung, evtl. Leistungen aus VVGambulante Nachbehandlung (Physiotherapie)
beidseitiger Eingriff / postoperative Komplikationen (z. B. St. n. Luxation, Trochanter Abriss, Fraktur, Embolie) / Wundheilungs-Störungen / Ko-Morbidität (z. B. schwere Diabetes mellitus, Morbus Parkinson, myfaszinale Schmerz-Syndrome, Polyarthrosen, Wirbelsäulenleiden, Arthritiden) / hohe Sturzgefahr / Alter > 85-80 Jahre (relatives Kriterium) / bei Knieoperationen: verzögerte Kniemobilitätfehlende Selbständigkeit / ungünstige Wohnverhältnisse (z. B. viele Treppen, kein Lift) / alleinstehend / keine Physiotherapie in der Nähekomplikationsloser Verlauf / keine relevanten Begleiterkrankungen / gute Selbständigkeit / intaktes soziales Umfeld / gute Wohnverhältnisse / Physiotherapie in der Nähe / Alter < 70-75 Jahre (relatives Kriterium)

Die Rehabilitation nach Wirbelsäulen-Operationen

Zur Rehabilitations-Institution bei Rückenoperationen gibt es Empfehlungen der SGV (stationär in eine REHA-Klinik, Rehabilitation im Kurhaus bzw. Badekur und ambulant zuhause).

in Rehabilitationsklinik (KVG-PflichtleistungRehabiliation im Kurhaus oder Badekur (Hotel keine Pflichtleistung, evtl. Leistungen aus VVGambulante interprofessionelle Rehabilitation (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychologie, Neuropsychologie, Sozialdienst oder Ernährungsberatung)ambulante Nachbehandlung (Physiotherapie, evtl. Ergotherapie)
Spital-Bedürftigkeit vorliegendkeine Spital-Bedürftig­keit vorliegend (Nachbehandlung mit einfachen Hilfeleistun­gen notwendig)interdisziplinäre Nachbe­handlung von zu Hause ausmonodisziplinäre Nachbe­handlung von zu Hause aus
aufwändige Eingriffe (Dekompression und Stabilisierung)mässig aufwändige EingriffeRoutine-EingriffeRoutine-Eingriffe
schwerwiegende peri- oder postoperative Komplikationen / erhebliche Sturzgefahreinfache postoperative Komplikationen
Wundheilungs-Störungengeringe Wund­-Heilungsstörungen
grössere Defizite in den ADLkleine Defizite in den ADLkleine Defizite in den ADLkleine Defizite in den ADL
funktionell relevante neurologische oder rheumatologische Defizitegeringe neurologische oder rheumatologische Defizite (funktionell nicht relevant)geringe neurologische oder rheumatologische Defizite
Ko-Morbiditäten +++Ko-Morbiditäten ++Ko-Morbiditäten +
Wohn- und soziale Situation +Wohn- und soziale Situation ++
Alter +++Alter +++
Dauer 2-4 WochenDauer 2-3 WochenDauer nach BedarfDauer nach Bedarf

Beispiele

Fall 1

78j. Patient mit M. Parkinson, Sturzneigung, kognitiven Defiziten und chronischen Rückenschmerzen erleidet eine Schenkelhalsfraktur. Er wird orthopädisch versorgt mit ei­ner Hüft-TP. Erfahrungsgemäß kann dieser multimorbide Patient nicht direkt nach Hause und braucht eine Form von Nachsorge über etliche Wochen.

Was ist die geeignete Einrichtung für ihn?

  • Akutgeriatrie? Tatsächlich haben etliche Akutspitäler spezifische geronto-traumatologische Behandlungspfade. Der Patient wird operiert von den Chirur­gen und dann auf die akutgeriatrische Station verlegt. Für den Patienten „prima vista“ keine schlechte Lösung. Allerdings fehlt möglicherweise dort das spezifische neurologische Wissen betreffend medikamentöse Parkinson-Einstellung und aufgrund der DRG-Tarifstruktur ist eine Behandlungsdauer von höchstens 3 Wochen realistisch, was in diesem Fall mit grosser Sicherheit zu kurz ist.
  • Geriatrische Rehabilitation? Es fehlt dort möglicherweise das spezifische neurologische Wissen betreffend medikamentöser Parkinson-Einstellung. Sofern das spezifische Know how vorliegt, wäre dies eine mögliche Lösung.
  • Übergangspflege? Falsches Setting, da ein solcher Patient einen therapeuti­schen Schwerpunkt braucht und nicht nur einen pflegerischen. Es fehlt dort auch das spezifische neurologische Wissen betreffend medikamentöser Parkinson-Einstellung und aufgrund der Tarifstruktur ist eine Behandlungsdauer von 2 Wochen unrealistisch kurz.
  • Orthopädische Rehabilitation? Es fehlt dort das spezifische neurologische Wis­sen betreffend medikamentöser Parkinson-Einstellung.
  • Neurorehabilitation: ist in diesem Fall wahrscheinlich das richtige ärztliche, therapeutische und pflegerische Setting für diesen Patienten. Mit dieser Rehabilitationsbehandlung besteht eine Chance auf Wiedereingliederung zu­hause.

Fall 2

78j. Patient, ehemals Bergführer, mit medikamentös kontrollierter Hypertonie, beklagt eine zunehmende Einschränkung der Gehstrecke mit Knieschmerzen rechts. Aus der Vorgeschichte ist eine Tibiaplateau-Fraktur (rechts) vor Jahrzehnten bekannt. Der Orthopäde diagnostiziert eine (posttraumatische) Gonarthrose und empfiehlt eine elektive Knie-TP, welche komplikationslos durchgeführt wird. Der Patient wohnt ländlich, d.h. das EFH ist schlecht mit ÖV erschlossen und es gibt viele Treppenstufen zum und im Haus.

Was ist die beste Einrichtung für ihn?

  • Akutgeriatrie? Der Patient zeigt keine Geriatrie-typische Multimorbidität. Er kann auf der Chirurgischen Station weiter betreut werden. Wahrscheinlich lernt er be­reits nach 1 Woche, ein paar Treppenstufen zu bewältigen. Allerdings braucht er weitere Physiotherapie, die aufgrund der Wohnlage nicht ambulant gewährleistet werden kann.
  • Geriatrische Rehabilitation? Der Patient zeigt keine Geriatrie-typische Multimorbidität.
  • Übergangspflege? Es besteht kein (relevanter) Pflegebedarf.
  • Kurhaus: Patient trägt einen Grossteil der Kosten selbst. Falls Pflege- (Wund-Kontrolle, Selbsthilfe-Schulung) und Physiotherapie-Angebot mit entsprechender Qualität vorhanden wahrscheinlich richtige Nachbetreuung.
  • Orthopädische Rehabilitation: in Erwägung zu ziehen bei zusätzlichen Therapie-bedürftigen Ko-Morbiditäten wie z.B. nicht gut eingestellte post-operative Hypertonie, Wundheilungs-Störung, ungenügende Beweglichkeit des Knie-Gelenkes.

Fall 3

52j. Patient mit Multipler Sklerose (MS) ist knapp noch gehfähig am Rollator. Er beklagt seit 3 Tagen ein dumpfes Schmerzgefühl im Unterbauch, er bekommt Fieber und die Gehfähigkeit nimmt drastisch ab. Er wird wegen einer Peritonitis auf der medizinischen Abteilung des nächsten Bezirksspitals hospitalisiert. Unter Rocephin® klingen die Infekt-Parameter ab, aber die Gehfähigkeit erholt sich nur marginal. Die Familie kann den Patienten noch nicht nach Hause nehmen.

Was ist die geeignete Einrichtung für ihn?

  • Akutgeriatrie oder geriatrische Rehabilitation? Falsches Alter und fehlende Multimorbidität.
  • Übergangspflege? Der Patient braucht zwar viel Pflege, aber auch viel Therapie. Deshalb falsches Setting.
  • Neurorehabilitation: Ist in diesem Fall das richtige ärztliche, therapeutische und pflegerische Setting für diesen Patienten. Mit dieser REHA besteht eine Chance auf Wiedereingliederung zuhause.

Fall 4

78j. übergewichtige Witwe mit medikamentös kontrolliertem Diabetes mellitus Typ 2 und einer arteriellen Hypertonie war bis jetzt selbständig in ihrem Haushalt. Sie sitzt etwas abrupt ab und verspürt einen "Zwick" im Rücken. Am nächsten und übernächsten Tag sind die Rückenschmerzen stärker und Pana­dol® hilft nicht mehr. Der Hausarzt macht ein Röntgenbild und sieht eine LWK-3-Kompressionsfraktur, die er als Osteoporose-Folge und Erklärung für die Schmerzen interpretiert. Er macht verschiedene Laboranalysen im Zusammen­hang mit Osteoporose und leitet erste vorbeugende Massnahmen ein. Das verschriebene Tramal® hilft ebenfalls ungenügend. Die Patientin ist erheblich beeinträchtigt in der Haushaltführung und muss davon entlastet werden. Der Patientin schwebt eine Behandlung mit Thermalwasser vor, da früher das Thermalwasser bei Rückenschmerzen ihr und ihrem Mann immer gut geholfen habe.

Was ist die beste Einrichtung für sie?

  • Akutspital? Die Patientin braucht vorläufig keine weitere aufwändige Diagnostik. Es liegt auch keine Multimorbidität vor. Der Patientin schwebt eine Behandlung mit Thermalwasser vor, was im Akutspital nicht gewährleistet ist. Es ist mit ei­nem Verlauf von voraussichtlich 4 Wochen zu rechnen. Das Akutspital ist das fal­sche Setting.
  • Übergangspflege? Kann nicht verordnet werden, da die Patientin nicht aus dem Spital kommt.
  • Geriatrische Rehabilitation? Es liegt keine Geriatrie-typische Multimorbidität vor.
  • Orthopädische Rehabilitation: Bietet das richtige therapeutische Setting: Pflegerische Unterstützung, verschiedene aktive und passive Therapien, Zugang zum Thermalbad (was hier den Rücken schön entlastet) sowie ärztliche Präsenz, um die medikamentöse Schmerztherapie anzupassen. Mit dieser REHA besteht eine Chance auf Wiedereingliederung zuhause.

Abgrenzung zur Übergangspflege

Erweisen sich im Anschluss an den stationären Aufenthalt dahingegen ausschliesslich Leistungen der Übergangspflege als notwendig, ohne aber die Anwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes zu erfordern, so ist eine Behandlung ausserhalb des Spitals im Sinne von Art. 25a KVG angezeigt. Der Begriff der Übergangspflege findet an der Schnittstelle von Spital und Spitex bzw. Spital und Pflegeheim seine Anwendung. Die Leistun­gen der Übergangspflege werden maximal für zwei Wochen nach einem Akutspitalaufenthalt nach den Regeln der Spitalfinanzierung vergütet. Sie müssen im Spital ärztlich verordnet werden.

Der aktuelle gesundheitliche Zustand der Patienten ist somit ausschlaggebend bei der Frage, in welchem Rahmen sie mit welchen Methoden zu behandeln sind. Während die Pflegemethodik bei der Übergangspflege im Setting des Akutspitals oder im Setting des Pflegeheims sehr ähnlich ist, unterscheiden sich die Patienten sehr durch ihren unterschiedlichen medizinischen und therapeuti­schen Bedarf.

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