Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

36 ORL

Update, 3. Auflage, April 13

Rechtliche Grundlagen

KVG

KLV

Art. 10

Die Logopädie und Orthophonie stellen keine Pflichtleistungen dar, ausser in folgenden Fällen: Infektionskrankheiten oder Krankheiten mit traumatischem oder post-operativem Ursprung; Missbildung in Form einer Hasenscharte; hypokinetische oder hyperfunktionelle Stimmstörung. Davon ausgenommen sind u.a. Sprechstörungen bei Kindern – wenn diese Störungen nicht der IV unterliegen – oder bei Erwachsenen, wenn die Störung nicht auf eine organische Krankengeschichte zurückzuführen ist. Insbesondere sind entwicklungsbedingte oder mit den Zähnen in Zusammenhang stehende Sprechstörungen keine Pflichtleistungen.

KLV Anhang 1

Kap. 2. 2.1: vgl. vorne, Kapitel 15

Kap. 7: Die Bestimmungen dieses Kapitels werden hier nicht ausführlich aufgeführt. Zu beachten ist, dass Behandlungen, welche der GgV zugehören, bei gewissen Kindern und Erwachsenen von der IV übernommen werden. Es muss bei Bedarf eine entsprechende Meldung an die IV erfolgen.

Anhang 2 (MiGeL):

Die Positionen 31 ss bestimmen die Mittel und Gegenstände, die von der Grundversicherung als Pflichtleistungen übernommen werden sowie deren Voraussetzungen.

UV

UVV

Art. 9 Abs. 2 lit. h: Trommelfellverletzungen können u.U. eine unfallähnliche Körperschädigung sein (zu den Voraussetzungen einer unfallähnlichen Körperschädigung vgl. vorne, Kap. 3.2).

UVV Anhang 1

Zu beachten sind Berufskrankheiten, insbesondere erhebliche Schädigungen des Gehörs.

IV

GgV

Ziff. 441–447: Kostenübernahme der Behandlungen gewisser Missbildungen sowie der angeborenen Gehörlosigkeit oder bei Cholesteatomen. Die genauen Angaben betreffend die medizinischen Eingliederungsmassnahmen sind im Rundschreiben unter Kap. 442-445 zu finden.

Medizinische Eingliederungsmassnahmen

Siehe Kreisschreiben betreffend medizinische Eingliederungsmassnahmen unter Kap. 671/871.1–4.

Kostenübernahme gewisser Behandlungen bei Otosklerose oder Cholesteatomen und internen Ohrstörungen. Die Kostenübernahme von Cochlearimplantaten bei Erwachsenen und Kindern unterliegt den Bedingungen, die in Nummer 871.4 definiert sind. Der eingesetzte Sprachprozessor wird von der IV als Hilfsmittel bezahlt, die dazu nötige OP als medizinische Massnahme, jedoch nur bis zum 20. Altersjahr (Art. 12 IVG)

Eine Tympanoplastik nach einer Mittelohreiterung kann als medizinische Eingliederungsmassnahme geltend gemacht werden, wenn während mindestens 360 Tagen ohne ärztliche Behandlung kein Ohrfluss mehr erfolgt ist. Eine Tympanoplastik zur Heilung einer chronischen Mittelohreiterung oder eines Cholesteatoms gilt hingegen ausnahmslos als Behandlung eines Leidens und ist daher für den Krankenversicherer leistungspflichtig.

Orthophonische und logopädische Sprachheilbehandlungen von Minderjährigen werden von der IV als pädagogisch-therapeutische Massnahme übernommen. Bei Erwachsenen werden die Kosten übernommen, wenn die Sprachbehandlung als eine notwendige und geeignete Massnahme erscheint, um die Erwerbsfähigkeit zu verbessern, und wenn sich zudem der ursächliche Defekt stabilisiert hat (z.B. bei einer Aphasie, einer doppelseitigen Lähmung der Stimmbandnerven oder nach einer Kehlkopfoperation). Gemäss Art. 12 IVG kann auch diese Leistung von der IV nicht mehr übernommen werden

Hilfsmittel

Die bewilligten Hilfsmittel figurieren in der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die IV (HVI) oder in der Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die IV (WHMI). Insbesondere sind dies:

  • Gesichtsepithesen für Gesichtsschädigungen im Falle von Krankheiten Kap. 5.02 HVI;
  • Hörgeräte: Kap. 6, 8 und weitere, Kap. 15 WHMI..

UVG

Posttraumatische Ohrgeräusche infolge eines SHT oder eine Schädigung der Wirbelsäule fallen unter das UVG

Trommelfellrisse können übernommen werden, wenn sie traumatischen Ursprungs sind.

Gerichtsurteile

Nase

  • K 87/02: Zum Zeitpunkt der Nasenseptumoperation bestanden weder physische Beeinträchtigungen bzw. somatische Gesundheitsstörungen, welche die Nasenkorrektur indiziert hätten, noch kann von einem ästhetischem Mangel gesprochen werden, der zu Beschwerden mit Krankheitswert geführt hat und dessen operative Behebung eine Pflichtleistung darstellte. Letzteres trifft namentlich auch im Hinblick auf psychische Beeinträchtigungen zu, ist doch angesichts der aktenkundigen Gesichtsphotographien weder eine "stigmatisierende Nasendeformität" noch eine massive psychische Belastungssituation oder eine längerdauernde postoperative Entstellungsphase ausgewiesen. Ebenso wenig können auf Grund mangelnder fachärztlicher Angaben zunehmende, ein psychisches Leiden mit Krankheitswert verursachende Identitätsprobleme als erstellt gelten, zumal bei rein vorsorglichen Massnahmen, die im Hinblick auf eine bloss mögliche künftige Schädigung durchgeführt werden, keine Leistungspflicht besteht. Was sodann die Behandlung sekundärer krankheitsbedingter ästhetischer Mängel anbelangt (Erw. 1.2 hievor in fine), fehlt es vorliegend, auch wenn keine ideale Nasenform gegeben sein mag, bereits an der Voraussetzung einer äusserlichen, ein gewisses Mass erreichten Verunstaltung. Es besteht daher keine Leistungspflicht der Krankenversicherung.
  • Entscheid KV.2002.00025 des Sozialversicherungsgerichts des Kantons ZH: Eine leicht verminderte Durchgängigkeit des Nasenweges infolge einer Nasenseptumdeviation ist keine erhebliche Gesundheitsstörung, die eine Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung begründet, selbst dann nicht, wenn die Beeinträchtigung subjektiv als stark störend empfunden wird. Eine erhebliche, krankheitswertige sekundäre Beeinträchtigung liegt demgegenüber z.B. vor, wenn die Nasenseptumdeviation - zumindest im Sinne einer massgebenden Teilursache - auch für einen Beschwerdenkomplex mit rezidivierenden frontalen Kopfschmerzen und gehäuftem Auftreten von Entzündungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich verantwortlich ist.

Ohren

  • I 457/03: Handelt es sich bei den abstehenden Ohren nicht um eigentliche Missbildungen mit Schallleitungsschwerhörigkeit im Sinne einer Atresia auris (angeborene schwere Ohrmissbildung; vgl. Ziffer 441 GgV-Anhang), sondern ist die Ohrmuschelplastik zur Stellungskorrektur einer vorhandenen, aber abstehenden und deformierten Muschel ausgeführt worden, so liegt keine Leistungspflicht im Rahmen eines Geburtsgebrechens vor. Stellungs- und Formanomalien der Ohrmuschel (abstehende oder zu grosse Ohren) gelten nicht als Missbildungen im eigentlichen Sinne, sondern als unschöne ererbte Abweichungen von der Normalform der Muschel eines funktionell normalen Ohres, die keine Schallleitungs-Schwerhörigkeit verursachen. Körperliche Beeinträchtigungen kosmetischer Art beeinträchtigen die Erwerbsfähigkeit in der Regel nicht. Ästhetische Mängel können sich aber ausnahmsweise mittelbar auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, wenn sie zu psychischen Belastungen führen, die ihrerseits die berufliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Sie sind aber invalidenversicherungsrechtlich nur relevant, wenn sie so schwerwiegend sind, dass mit einer effektiven und wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit gerechnet werden muss. Die im vorliegenden Fall vor der Operation aufgenommenen Photos zeigen eine deutlich abnorme Ohrstellung. Dies kann zweifellos eine psychische Belastung bedeuten, welche das Selbstvertrauen und die Leistungsfähigkeit zu beeinflussen vermag. Auch hat die äussere Erscheinung bei Kindern (Hänseleien in der Schule) und Berufstätigen eine gewisse Bedeutung. Es kann indessen nicht gesagt werden, die nachteilige äussere Erscheinung der Versicherten habe objektiv einen Schweregrad erreicht, welcher geeignet wäre, in psychischer Hinsicht eine derartige Belastung darzustellen, dass Schul- und Ausbildung sowie später das Erwerbsleben dadurch erheblich beeinträchtigt würden. Auch die freie Berufswahl wäre durch die Ohrfehlstellung nicht wesentlich tangiert gewesen. Die streitige Ohrmuscheloperation kann daher von der Invalidenversicherung auch nicht gestützt auf Art. 12 Abs. 1 IVG übernommen werden.
  • K 132/04: Auch im Bereich der Krankenversicherung gilt, dass abstehende Ohren grundsätzlich ein ästhetischer Mangel darstellen und daher keine Leistungspflicht auslösen, es sei denn, sie würden physische oder psychische Beschwerden mit erheblichem Krankheitswert verursachen.

Hals

  • K 143/04: Die Versicherte litt an einer Störung des Redeflusses, die weder auf eine organische Hirnschädigung mit einer der in Art. 10 lit. a KLV genannten Ursachen noch auf ein phoniatrisches Leiden in einer der in lit. b angegebenen Formen, insbesondere auch nicht auf eine hypokinetische oder hyperkinetische funktionelle Dysphonie zurückzuführen war. Vielmehr soll es sich dabei laut dem Experten um eine Störung gehandelt haben, die "als hereditär resp. genetisch" anzusehen ist. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist bei der logopädischen Behandlung einer Redeflussstörung (Stottern, Poltern) nur dann leistungspflichtig, wenn diese auf eines der in Art. 10 lit. a und b KLV abschliessend kategorisierten Leiden zurückzuführen ist. Nach dem klaren Wortlaut der Regelung kommen dafür nur eine organische Hirnschädigung oder ein phoniatrisches Leiden in Betracht. Zur Veranschaulichung sind in Art. 10 lit. b KLV phoniatrische Leiden in verschiedenster Ausprägung aufgeführt. Diese Liste ist nicht erschöpfend, kann aber eine Redeflussstörung darum nicht mit einschliessen, weil diese nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht Ursache eines phoniatrischen Leidens sein kann, sondern selber auf ein solches muss zurückgeführt werden können. Anders würde der Norm im Kontext kein Sinn zukommen. So verstanden ist der Text klar und verschiedene Auslegungen sind nicht möglich. Darum ist er nach seinem Wortlaut auszulegen und damit ist im vorliegenden Fall keine Leistungspflicht gegeben.

Vorbehalte

Keine besonderen Bestimmungen.

Aufgaben des Vertrauensarztes

In erster Linie obliegt dem Vertrauensarzt angesichts der eben zitierten Rechtsprechung die Aufgabe, die medizinische Indikation des Eingriffes genau zu prüfen. Anhand der medizinischen Akten (einschliesslich Fotodokumentation) ist insbesondere auszuschliessen, dass der Eingriff vorwiegend aus ästhetischen Gründen erfolgt. Ein einfaches Attest des behandelnden Chirurgen, dass es sich um einen medizinisch indizierten Eingriff handle, reicht in aller Regel nicht. Ist die medizinische Indikation zu bejahen, rückt unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit die Frage in den Vordergrund, ob der Eingriff ambulant oder stationär durchzuführen ist.

Ambulante oder teilstationäre Behandlungen kommen in der ORL oft vor. Ob allenfalls eine stationäre Behandlung notwendig ist, ergibt sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles.

Bei Phoniatrie-Behandlungen ist der pathologische Zustand des Patienten und deren Potential zur Wiederherstellung der Sprachfähigkeit zu prüfen. Langfristige Behandlungen sind selten indiziert. In gewissen degenerativen Pathologien verliert sich deren Wirksamkeit im Entwicklungsverlauf.

IV oder KVG-Leistungen: Die Unterscheidung zwischen Leistungen zu Lasten des Krankenversicherers und/oder der IV muss in Erinnerung behalten werden, insbesondere was die Zuweisung der Hilfsmittel betrifft.

Spitalbehandlung

Nebst der Frage der medizinischen Indikation wird sich der Vertrauensarzt insbesondere bei Patienten mit Zusatzversicherung regelmässig mit der Frage befassen müssen, wie lange der Spitalaufenthalt in medizinischer Hinsicht gerechtfertigt ist.

Arbeitsunfähigkeit

Erhebliche Schädigungen des Gehörs können einen Berufswechsel rechtfertigen oder als Berufskrankheiten gelten. Die Übernahme durch die IV oder die SUVA wird von Fall zu Fall geprüft.

Invalidität

Keine besonderen Bestimmungen.

Risikobeurteilung

Keine besonderen Bestimmungen.

Nichtärztliche Therapeuten

Nur die anerkannten Behandlungen der Logopäden und Phoniater (Art. 50 KVV) sind den Bestimmungen der Artikel 10-11 KLV unterstellt; für die anderen Behandlungen werden möglicherweise nur die Kosten der reglementarischen Leistungen übernommen.

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