Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

26 Genetik

Neu, 3. Auflage, Juni 09

Einleitung

Das Kapitel befasst sich schwergewichtig mit versicherungsmedizinischen Beurteilungskriterien genetischer Untersuchungen, welche zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verrechnet werden sollen.

Therapien mit Veränderung molekulargenetischer oder zytogenetischer Strukturen sind derzeit keine bekannt, welche die Kriterien der Leistungsvergütung des KVG erfüllen würden. Auf genetische Behandlungen wird also nicht weiter eingegangen.

Rechtliche Grundlagen

GUMG

Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen

Das Gesetz enthält wichtige Bestimmungen wie Definitionen von Begriffen, allgemeinen Grundsätze für genetische Untersuchungen zu Notwendigkeit der Zustimmung der betroffenen Person, Schutzbestimmungen, Zulassung von Leistungserbringern; ferner sind Bestimmungen zu genetischen Untersuchungen im medizinischen Bereich und im Versicherungsbereich aufgeführt. Das GUMG enthält auch Bestimmungen, welche sich auf andere Bereiche wie beispielsweise den Arbeitsbereich erstrecken sowie Strafbestimmungen.

Es werden die Definitionen gemäss GUMG Art. 3 verwendet. Es empfiehlt sich, diese Begriffe auch im vertrauensärztlichen Alltag zu verwenden.

KV

KVG

Das KVG enthält keine spezifischen Bestimmungen zu genetischen Untersuchungen.

KVV

Die Verordnung regelt die Zulassung der Laboratorien, welche zyto- und molekulargenetische Untersuchungen durchführen (KVV Art. 53, Art. 54).

KLV Krankenpflege-Leistungsverordnung

Spezifische Bestimmungen zu genetischen Untersuchungen finden sich im Kapitel zu Massnahmen der Prävention (Art 12d lit. f Verdacht auf das Vorliegen einer Prädisposition für eine familiäre Krebskrankheit) sowie bei den besonderen Leistungen bei Mutterschaft (Art. 13 lit. d Amniozentese, Chorionbiopsie).

KLV Anhang 1

KLV Anhang 1 enthält derzeit keine spezifischen Bestimmungen zu genetischen Untersuchungen

AL

Die zyto- und molekuargenetischen Untersuchungen sind im Kapitel 2 Genetik aufgeführt. Die genetischen Untersuchungen der AL stellen eine abschliessende Positivliste dar. Es gilt zudem wie bei allen Laboruntersuchungen das Territorialitätsprinzip.

Vor dem 01.07.2009 konnten zahlreiche genetische Untersuchungen unter anonymen Laborpositionen abgerechnet werden. Ab 01.07.2009 ist das Kapitel 4.2 Anonyme Laborpositionen in der AL aufgehoben.

Tarmed

Im Kapitel 37 Klinische Pathologie finden sich einige Positionen (z. B. 37.0570, 37.0580), in welchen genetische Untersuchungen ausserhalb der AL enthalten sind.

UV

Keine besonderen Bestimmungen

IV

KSME

Rz 1020

Genetische und mitochondrische Abklärungen und Beratungen sind von der Invalidenversicherung nicht zu übernehmen, es sei denn, sie wurden von dieser angeordnet.

Gerichtsurteile

K 55/05

In diesem Urteil wird der abschliessende Charakter der in der Analysenliste aufgeführten Untersuchungen bestätigt und der Unterschied zwischen Massnahmen der Prävention (Früherkennung eines gesundheitlichen Risikos) und Untersuchungen bei konkretem Krankheitsverdacht oder bereits eingetretener Krankheit erläutert.

Vertrauensärztliche Leistungsbeurteilung

Verdacht auf das Vorliegen einer Prädisposition für eine familiäre Krebskrankheit (KLV Art 12d lit. f)

Fragen ergeben sich hier bezüglich Begriff „hereditär“ (erblich), welcher die Weitergabe von Merkmalen oder Eigenschaften, Krankheiten und Missbildungen an folgende Generationen umschreibt. Streng interpretiert müsste vor der Untersuchung der betroffenen Person bekannt sein, dass die Angehörigen ersten Grades die entsprechenden Merkmale besitzen und auch erkrankt sind. Im vertrauensärztlichen Alltag sind aber selten Resultate genetischer Untersuchungen bei Angehörigen ersten Grades vorhanden und können zumeist auch nicht nachträglich gefordert werden, da diese an der zur Diskussion gestellten Krankheit bereits verstorben sind.

Die alleinige Kenntnis darüber, dass Angehörige ersten Grades Träger des entsprechenden genetischen Merkmals sind, ohne dass sie selbst erkrankt sind, reicht nicht aus, die Untersuchung an der versicherten Person zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung vorzunehmen. Ist die angehörige Person am Krebssyndrom manifest erkrankt (und gleichzeitig Träger des Erbmerkmals), besteht ein konkretes Erkrankungsrisiko für die untersuchte Person. Andernfalls wird lediglich ein mögliches Krankheitsrisiko festgestellt.

Amniozentese, Chorionbiopsie (KLV Art. 13 lit. d)

Es werden erfahrungsgemäss in der Regel zytogenetische und seltener molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt.

Die zur Indikationsstellung berechtigten Personen sind eingeschränkt (GUMG Art. 13 Abs. 2). Besonderheit bei der Risiko-Beurteilung von unter 35 Jahre alten Schwangeren: Das Risiko des Bestehens einer genetischen Erkrankung muss vor der Amniozentese bzw. Chorionbiopsie festgelegt werden.

Beispiel

Das Risiko, dass das Ungeborene eine Robertson Translokation aufweist, beträgt in der Allgemeinbevölkerung 1 : 1‘000. Eine Amniozentese bzw. Chorionbiopsie erfüllt somit die Voraussetzungen zur Abrechnung über die Krankenversicherung nicht.

Ist ein Elternteil vorgängig bekannter Träger der Robertson Translokation, beträgt das Risiko für das Ungeborene 1 : 25, womit die Voraussetzungen zur Kostenübernahme erfüllt sind.

Vielfach werden Untersuchungen am Ungeborenen und beiden Elternteilen gleichzeitig vorgenommen, womit das Risiko nachträglich verändert wird. Im Beispiel hat das bekannte Risiko bei Indikationsstellung zum Eingriff 1: 1‘000 betragen, nach der Untersuchung 1 : 25. Die Indikationsstellung zum Eingriff und zur genetischen Untersuchung kann nicht durch den Erfolg der Untersuchung begründet werden.

Genetische Untersuchungen zur Diagnose oder Behandlung einer Krankheit gemäss Analysenliste (AL)

In den einführenden Bemerkungen zum Kapitel 2 Genetik der AL wird festgehalten, dass (genetische) Untersuchungen zur Diagnose oder Behandlung einer Krankheit Pflichtleistungen darstellen. Vor dem 01.07.2009 waren hier noch Beispiele aufgeführt, welche in der Ausgabe ab 01.07.2009 wegfallen.

Anlass zu Diskussionen ergibt der Begriff Diagnose, weswegen auf diesen näher eingegangen werden soll.

Die Leistungen der sozialen Krankenversicherung sind ausgerichtet auf die Behandlung von Krankheiten. Die für die Diagnosestellung verwendeten Hilfsmittel wie klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren und auch Laboruntersuchungen stellen somit lediglich ein Mittel zum Zweck dar. Sie dienen dazu, ein geeignetes Therapieverfahren zu finden oder die Behandlung zu überwachen. Dementsprechend haben sich die Leistungserbringer gemäss KVG Art. 56 Abs. 1 auf das Mass zu beschränken, welches für den Behandlungszweck erforderlich ist.

Konkret bedeutet dies, dass eine genetische Untersuchung letztlich dazu dient, neue Optionen zu eröffnen, welche der Krankheitsbehandlung dienlich sind. Genetische Untersuchungen, welche der Bestätigung von Diagnosen dienen, ohne dass sich dadurch andere therapeutische Möglichkeiten ergeben, müssen deswegen als unwirtschaftlich eingestuft werden.

Als Beispiele seien nicht behandelbare Krankheiten wie viele Dysmorphie-Syndrome, Retinitis pigmentosa und Formen der Farbenblindheit genannt, welche sich klinisch zweifelsfrei diagnostizieren und sich auch genetisch näher bestimmen lassen. Die Ergebnisse vorgenommener genetischer Untersuchungen eröffnen zum heutigen Zeitpunkt allerdings keine therapeutischen Optionen.

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