Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

9 Arzneimittel

Update, 3. Auflage, Dezember 09

Rechtliche Grundlagen

  • ATSG: Art. 64 und 65
  • HMG (Heilmittelgesetz vom 15. Dez. 2000; Art. 8-17)
  • KVG: Art. 25 Abs. 2b und Art. 52; KVV: Art. 63-75; KLV: Art. 29-38 IV: Art. 4bis
  • UVG: Art. 6-11; UVV: Art. 9-17

Einführung eines Arzneimittels in der Schweiz

Aufgaben der Swissmedic, des BAG und der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) der Vertrauensärzte.

Swissmedic: Damit ein Heilmittel (Arzneimittel und Medizinprodukte, Heilverfahren im Zusammenhang mit Gentherapie, immunologische oder biologische Präparate und Impfstoffe) gemäss Art. 4 Abs. 1 lit.a HMG, in der Schweiz zum Handel zugelassen wird, muss der Hersteller oder Importeur eine gültige Swissmedic-Zulassung nachweisen können. Das gilt auch für Arzneien der Komplementärmedizin. Diese Zulassung stellt eine Mindestanforderung einer wirksamen und zweckmässigen Behandlung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG dar. Der Nachweis der Heilwirkungen, der unerwünschten Nebenwirkungen und der Zweckmässigkeit ist für die Registrierungsbehörde im Sinne von Art. 11 Abs.1 HMG lediglich eine notwendige Bedingung. Mitberücksichtigt werden aber auch aufsichtsrechtliche Aspekte wie Qualität der Herstellung, Vertrieb und mögliche Auswirkungen auf die Entsorgung. Wichtige Aufgaben sind die Festlegung der Indikationen und das Bekanntmachen allfälliger Nebenwirkungen. Im Weiteren prüft und regelt Swissmedic die Art (Tabletten, Ampullen etc.) des Arzneimittels, dessen Herstellung, Packungsgrössen sowie den Text der Packungsbeilagen: Ärzte- und Patienteninformationen.

BAG und EAK: Die Mitglieder dieser paritätisch zusammengesetzten, ausserparlamentarischen Eidgenössischen Kommission beraten das BAG bei der Erstellung der SL nach Artikel 34 und 37e KVV. Der Entscheid um Aufnahme in die SL oder ALT liegt beim BAG selbst. Diese Listen haben den Charakter einer Verordnung und gelten als abschliessende Positivlisten. Unerlässliche Bedingungen für die Aufnahme sind die Erfüllung der Anforderungen von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und (dies im Gegensatz zu Swissmedic) der Wirtschaftlichkeit. Die Kriterien sind in Art. 52 Abs. 1 KVG, Art. 65 KVV und Art. 30 und 32ff KLV festgehalten: Damit ist für Einnehmer und Anwender eine gute Qualität und Sicherheit formal gewährleistet (nur die korrekte Indikation, richtige Dosierung und Verabreichung erfüllen im Einzelfall auch das Kriterium der Zweckmässigkeit und geben Sicherheit für den Therapieempfänger). Das BAG kann also nach Art. 73 KVV wesentlich strengere Massstäbe setzen und von Swissmedic bewilligte Indikationen durch Limitationen einschränken. Solche Limitationen können auch maximale Bezugsmengen pro Zeiteinheit beinhalten, welche von der KV bezahlt werden dürfen (z.B. Benzodiazepine). Nicht als Limitierung gilt die vertrauensärztliche Genehmigung vor der Abgabe des Arzneimittels. Diese ist ein Instrument der Wirtschaftlichkeitskontrolle und der Missbrauchsbekämpfung (BGE 129 V 32, 42 E. 5.3.2)

Das BAG darf den Rahmen der Indikationen gemäss Swissmedic nicht erweitern (BGE 130 V 532,542 E. 5.2). Das BAG kann aber gemäss Art. 70 KVV ein von Swissmedic zugelassenes Arzneimittel, welches „für die medizinische Behandlung von grosser Bedeutung ist auch ohne Antrag des Herstellers oder Importeurs oder gegen dessen Antrag in die SL aufnehmen oder darin belassen“.

Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Preisfestsetzung im Rahmen der Wirtschaftlichkeit

Wirksamkeit (Art. 32 KLV)

Vor Aufnahme in die SLmuss klar sein, dass das Arzneimittel wirksam und sein therapeutischer Wert nachgewiesen ist. Die Beurteilung muss sich in jedem Fall auf klinisch kontrollierte Studien abstützen, was in der Regel aus Sicht der Rechtsprechung aus dem alten Recht (KUVG) Doppelblindstudien erfordert (BGE 110 V 108, 114 E). Die Prüfung ist streng. Eine Aufnahme eines Arzneimittels in die SL „in Evaluation“, wie für medizinische Leistungen gemäss Anhang 1 KLV, ist für Medikamente nicht möglich. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass vor der Aufnahme in die SL das Arzneimittel schon so gründlich geprüft wurde, dass weitere Klärungen nach der Einführung nicht mehr nötig erscheinen.

Für den Nachweis der Wirksamkeit von Arzneimitteln der Komplementärmedizin und für die medikamentöse Behandlung von seltenen Krankheiten oder seltenen Indikationen muss auf andere „wissenschaftliche Methoden“ zurückgegriffen werden (Art. 32 Abs. 1 KVG). Diese weit gefasste Formulierung des KVG lässt viele weitere Methoden der Prüfung der Wirksamkeit zu. Es sind aber für die Beurteilung immer die besten Methoden zu wählen, welche von der Fragestellung her möglich sind. Bei der Beurteilung von seltenen Krankheiten muss sich die Abklärung gezwungenermassen mit wenigen, oft noch nach unterschiedlichen Methoden durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten begnügen. Das BAG stützt sich dabei auf die Unterlagen der Swissmedic ab, kann aber noch weitere Informationen einfordern.

Zweckmässigkeit (Art. 33 KLV)

Damit wird der Vorgang beschrieben, welcher einem konkreten therapeutischen Ziel optimal angepasstem Handeln entspricht (Arbeitsgruppe Qualität der FMH AGQ-FMH). Wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich – Betrachtung aus ärztlicher Sicht. (Schweiz. Ärztezeitung 2007; 88(40): 1665-9.)

Voraussetzung dazu ist, dass ein Heilerfolg mit dem gewählten Arzneimittel im konkreten Fall erwartet werden kann. Die Aufnahme in die SL und damit der Beweis, dass ein Arzneimittel auch wirkt, ist also erst Voraussetzung, nicht aber Gewähr dafür, dass ein Arzneimittel zweckmässig verschrieben werden kann. Pharmakologische Eigenschaften (z. B. negative Auswirkungen auf die Nierenfunktion oder die Blutgerinnung), das Potential weiterer unerwünschter Wirkungen sowie die Gefahr missbräuchlicher Verwendungen müssen zusätzlich vor jeder Anwendung beurteilt werden. Ein allgemein als sehr wirksam angesehenes Arzneimittel kann bei falscher Anwendung sehr rasch unzweckmässig, nicht wirksam und unwirtschaftlich sein. Am Beispiel der Verabreichung von Antibiotika zur Heilung von gewöhnlichen Kopfschmerzen wird das Prinzip klar. Die Möglichkeiten des Gesetzgebers, die Zweckmässigkeit von Verordnungen zu gewährleisten, sind sehr beschränkt.

Preisfestsetzung und Wirtschaftlichkeit (Art. 34 KLV)

Ein Arzneimittel wird als wirtschaftlich anerkannt, wenn es die gewünschte Heilwirkung zu möglichst günstigen Kosten erreicht (Art. 65b KVV). Der Höchstpreis (Publikumspreis) besteht aus dem Fabrikabgabepreis und dem Vertriebsanteil (Art. 67 Abs. 1bis KVV). Die Preisbildung entsteht durch den Vergleich mit den schon in die SL aufgenommenen Arzneimitteln und durch Preisvergleiche mit dem Ausland. Die verglichenen Arzneimittel müssen vergleichbare Wirkungen haben. Der Vorgang wird als therapeutischer Quervergleich bezeichnet. Allfällige unterschiedliche Anwendungen sind dabei zu berücksichtigen und in das Preisbildungsverfahren einzubeziehen. Fortschritte (Innovationen) können mit einem „Innovationszuschlag“ eingerechnet werden. Innovationen können auch Behandlungen von bisher medikamentös nicht therapierbaren Krankheiten, vereinfachte Anwendungen (nur eine Verabreichung pro Tag etc.) oder andere Applikationen (Tabletten statt Spritzen) sein (Art. 65b Abs. 4 KVV). Bei Generika werden die geringeren Kosten für die Entwicklung berücksichtigt (Art. 65c KVV). Preisvergleiche erfolgen (2009) mit Deutschland, Dänemark, Grossbritannien, den Niederlanden, Frankreich und Österreich. Es kann mit weiteren Ländern verglichen werden (Art. 35 Abs. 2 KLV). Bei der Wirtschaftlichkeit ist immer auch zu beachten, dass die Preissetzung ein vernünftiges Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen haben muss, soll doch die Belastung der sozialen Krankenversicherung angemessen bleiben. Zahlreiche BGE haben festgehalten, dass die Leistungspflicht teils auch nach der Höhe des Preises des zur Diskussion stehenden Arzneimittels zu beurteilen ist (z.B. BGE 109 V 207,212 E).

Periodische Überprüfung (Art. 65 ff KLV)

Das BAG überprüft gemäss Art. 65d KVV alle Arzneimittel in der SL, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen. Auch die Wirtschaftlichkeit wird so regelmässig überprüft aufgrund der umsatzstärksten Packung. Neue von Swissmedic freigegebene Indikationen werden auf ihre Aufnahmeberechtigung in die SL ebenfalls durch das BAG überprüft (Art. 66 Abs. 1). Für Generika gelten gemäss Art. 65c spezielle Regelungen.

Da die Verordnungen rasch geändert werden (Stand dieser Ausführungen Oktober 2009), empfehlen wir, den aktuellen Stand direkt nachzuschauen: „Geltendes Recht“:

http://www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/02874/02875/index.html?lang=de

Kategorien und Arzneimittellisten

Zur einfacheren Handhabung werden Arzneimittel, welche von der sozialen Krankenversicherung bezahlt werden müssen, in zwei Listen kategorisiert und aufgelistet.

Arzneimittelliste mit Tarif (ALT, Art. 63 KVV)

Diese Liste wird auf die gleiche Art erstellt wie die SL. Sie regelt umfassend Wirkstoffe und deren Herstellung in der Apotheke. Die Preise beinhalten auch die Kosten der Herstellung nach den registrierten Rezepturen von Substanzen. Ihre Übernahme durch die Versicherer gilt als Pflichtleistung.

Spezialitätenliste (SL, Art. 64 ff KVV)

Die SL wird vom BAG auch elektronisch herausgegeben:

http://www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/00263/00264/00265/index.html?lang=de

Die Liste ist abschliessend. Sie enthält Ex Factory- und Publikumspreise, welche als Höchstpreise gelten. Es können nur die Indikationen aus der Swissmedic Registrierung oder einschränkend jene einer allfälligen SL Limitatio kostenpflichtig übernommen werden. Dies gilt für die Krankenversicherer, IV, MV und UVG. Die SL gliedert sich in vier Teile: Spezialitäten der Schulmedizin, der Komplementärmedizin, die Generikaliste (GL) und die Geburtsgebrechenmedikamentenliste (GGML). Sie enthält alle von der EAK überprüften, vom BAG genehmigten und von der Swissmedic registrierten Originalpräparate und Generika.

Generikaliste (GL)

Seit Anfang 2006 gilt für Originalpräparate ein Selbstbehalt von 20%, falls die SL ein Generikum aufführt, mit welchem das Originalpräparat ersetzt werden kann. Dieser erhöhte Selbstbehalt entfällt, wenn die Preisdifferenz weniger als 20% beträgt, oder das Originalpräparat aus medizinischen Gründen notwendig ist. Die GL enthält alle Originalmittel, für welche Generika verfügbar sind. Beide werden zusammen mit den Preisdifferenzen aufgeführt. Rot eingefärbte Originale werden mit 20% Selbstbehalt belegt

http://bag.e-mediat.net/SL2007.Web.External/ShowGenerics.aspx

Liste der pharmazeutischen Präparate zu Lasten der Versicherten (LPPV)

Die LPPV hat keinen Verordnungsstatus, da diese nicht vom Gesetzgeber erstellt ist. Sie ist eine Vereinbarung zwischen dem Apothekerverband und dem Dachverband der Krankenversicherer. Die Liste wurde von einer Fachgruppe erstellt und wird regelmässig gewartet. Sie enthält Arzneimittel, Präparate und Sanitätsartikel, welche weder von der obligatorischen Krankenversicherung noch von Zusatzversicherungen übernommen werden. Alle Mittel sind bei der Swissmedic zugelassen. Sie dienen nicht ausschliesslich der Heilanwendung, sondern eher dem Komfort oder Lifestyle. Zu diesen Mitteln gehören Appetitzügler oder solche gegen Haarausfall etc. Die LPPV ist rechtlich unverbindlich und dient ausschliesslich der Informationsvermittlung. Sie wird im Internet halbjährlich aktualisiert:

http://www.lppv.ch

Auf eine gedruckte Ausgabe wird verzichtet. Neuaufnahmen erscheinen grün. Die Fachgruppe „LPPV“ übernimmt keine Garantie für Fehlerfreiheit und Vollständigkeit und behält sich das Recht vor, die Inhalte jederzeit zu ergänzen, zu ändern oder zu löschen.

Als Sonderfall gilt die Geburtsgebrechenmedikamentenliste (GGML). Diese GGML enthält Präparate der LPPV und der Hors-liste, welche im Falle eines Geburtsgebrechens (GG) von der sozialen Krankenversicherung übernommen werden müssen. Präparate, welche aus der LPPV in die SL aufgenommen werden, fallen automatisch aus der Liste und gelten dann als kostenpflichtig in der sozialen Krankenversicherung. Umgekehrt gilt das Gleiche, wenn das Präparat einer in der LPPV aufgeführten therapeutischen Gruppe zugeordnet werden kann.

Die Vergütungspraxis der Zusatzversicherer richtet sich in jedem Fall nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und internen Listen des einzelnen Versicherers. Änderungen der LPPV für seine eigenen Zwecke stehen ihm frei. Die LPPV soll als Hilfsmittel für die einfachere Abwicklung der Leistungserbringer und der Versicherer zur Entscheidung der Übernahme von Nicht-Pflicht-Präparaten dienen. Für Artikel während der Schwangerschaft und Stillzeit gelten besondere Regelungen. Weitere Informationen sind auf http://www.lppv.ch erhältlich.

„Hors-liste“-Präparate (HL)

Auch die HL hat keinen Verordnungsstatus. So werden Präparate genannt, welche zwar von der Swissmedic zum Verkauf zugelassen sind, aber weder in der SL noch in der LPPV aufgeführt, eben “hors-liste“ sind. Sie dürfen nicht durch die Grundversicherung vergütet werden. Zusatzversicherungen können aber einen Kostenanteil übernehmen. Der Vertrauensarzt bildet seine Meinung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, der Verordnungen, der Reglemente des Versicherers, für welchen er arbeitet und allfälligen Gerichtsurteilen. Seine medizinische Erfahrung spielt dabei stets eine grundsätzliche und zentrale Rolle.

In der Schweiz sind mehr als 4000 Hors-Liste-Medikamente auf dem Markt. Aufgrund einer Untersuchung der Wettbewerbskommission (Weko), auf der Basis des Bundesgesetzes über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG), wurde wegen Verdachts auf unzulässige Wettbewerbsabsprachen gegen verschiedene Pharmafirmen, Apotheken und selbstdispensierende Ärzte eine Untersuchung eingeleitet. Diese haben nun Zeit zur Stellungnahme (Februar 2009). Für Zusatzversicherungen und Patienten sind die Ergebnisse dieser Untersuchung aus materiellen Gründen wichtig.

Arzneimittelkompendium

Das Kompendium hat privaten Charakter. Es wird von der Documed AG mit Sitz in Basel herausgegeben. Zweck dieser AG ist der Betrieb eines medizinisch-pharmazeutischen Verlages sowie Entwicklung und Verkehr mit Dienstleistungen im gleichen Bereich, insbesondere unter Einsatz elektronischer Mittel und Online-Medien:

http://www.documedinfo.ch/content/default.aspx?LangID=2&CommID=0

Im Arzneimittelkompendium (in Buchform, CD-Rom, oder online) sind fast alle von der Swissmedic zugelassenen Arzneimittel mit den von ihr zugelassenen Fach- und Patienteninformationen sehr anwenderfreundlich aufgeführt. Ausnahmen sind gewisse phytotherapeutische, anthroposophische und homöopathische Stoffe. Eine weitere, auch von der Swissmedic mit Link versehene Informationsquelle, ist das „Medikamentenportal der Schweiz“ oddb.org:

http://ch.oddb.org/de/gcc/home_user/

welches noch zusätzliche Anwendungen zulässt. Im Kompendium sind die Rubriken Verkaufkategorien A+ bis D und Kassenvergütung sehr transparent dargestellt. LP bedeutet dort LPPV oder „Hors-liste“-Präparat. Weitere Abkürzungen sind Lim (die Kassenpflicht ist limitiert) und aH (ausser Handel). Die Abklärung von Generika wird durch das Generika-Portal:

http://generika.cc/de/

erleichtert.

Leistungsorientierte Abgeltung der Medikamente durch den Apotheker für SL Medikamente der Verkaufskategorien A und B (LOA III oder IV)

Der zwischen santésuisse und pharmaSuisse ausgehandelte und vom Bundesrat genehmigte Vertrag ist ausschliesslich für Medikamente der Liste A und B gültig. In Apotheken, welche dem Vertag angeschlossen sind, müssen die Patienten die Medikamente nicht sofort bezahlen. Der Vertrag korrigiert falsche Marktanreize. Die Leistungen des Apothekers werden transparent abgerechnet. Der Anreiz des Apothekers, möglichst teure Medikamente zu verkaufen, wird vermindert. Seit der Einführung 2001 konnten Kostenstabilisierungsbeiträge in dreistelliger Millionenhöhe erzielt werden. Der Abgabepreis wird direkt auf dem Ex-Factory Preis aufgebaut. Dazu kommen Beiträge für Bezugs- und Medikamenten-Check, eine Fix- und eine Kapitalmarge. Die Patientenpauschale wurde im LOA III gestrichen, Teile davon in den Medikamenten-Check eingerechnet. Nicht alle Krankenversicherungen sind dem LOA- Vertrag beigetreten, da dieser nur im Tiers-payant abgewickelt werden kann. Die LOA III wurde gekündigt und die neue LOA IV ist noch nicht in Kraft. Auf die Arbeit des Vertrauensarztes hat dieser Vertrag keine Auswirkungen.

Änderungen der Liste homöopathischer und anthroposophischer Stoffe (Liste HAS, Anhang 4 KPAV)

Die neue Verordnung von Swissmedic über die vereinfachte Zulassung von Komplementär- und Phytoarzneimitteln (KPAV; SR 812.212.24) sieht für viele homöopathische und anthroposophische Arzneimittel eine Zulassung im Meldeverfahren oder mit reduziertem Dossier vor. In der SL sind diese Mittel unter Varia im Kapitel 70 aufgenommen. Die Herstellung muss nach einer anerkannten Pharmakopöe erfolgen. Diese Mittel müssen über die Grundversicherung bezahlt werden. Weitere Informationen sind der Spezialitätenliste zu entnehmen.

Befristet zugelassene Arzneimittel gegen lebensbedrohende Krankheiten


Gemäss Heilmittelgesetz (Art. 9 Abs. 4 HMG) erteilt Swissmedic für Arzneimittel gegen lebensbedrohende Krankheiten eine befristete Zulassung für den Vertrieb und die Abgabe. Die ausführenden Bestimmungen wurden in die Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren aufgenommen ( http://www.swissmedic.ch )

Vergütung der Arzneimittel durch die Krankenversicherung

Die Krankenversicherungen übernehmen die Kosten der Arzneimittel gemäss „Handbuch betreffend die Spezialitätenliste (SL) Gültig ab Februar 2009“:

http://www.sozialversicherungen.admin.ch

In diesem Handbuch im Kapitel 81 (Seite 25) sind auch alle Definitionen über Orphan Drug, Orphan Indication, compassionate use und off-label-use enthalten. Die Definition des off-label-use hat in der Schweiz eine Besonderheit: Sie schränkt diese Gruppe ein, auf Arzneimittel, welche in die SL aufenommen sind, aber in anderer, als der von Swissmedic zugelassenen Indikation eingesetzt werden soll. Im Ausland reicht die Aufnahme des Arzneimittels in die Liste der zugelassenen Arzneimittel durch die Zulassungsbehörde allein. Mit der zusätzlichen Auflage, der Aufnahme in die SL, worüber das BAG und nicht Swissmedic entscheidet, ist also die Definition des off-label-use in der Schweiz weit enger gefasst. Das führt mitunter gerne zu Konfusionen. Off-label heisst eigentlich: ausserhalb der von den Behörden (Swissmedic) genehmigten Etikette. Werden die Indikationen vom BAG in der SL nicht limitiert, ist allein Swissmedic die dafür zuständige Behörde. Werden diese erweitert, so müssen auch die neuen Indikationen sozusagen automatisch entschädigt werden. Das BAG kann lediglich wegen des höheren Umsatzes zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit eine Preisreduktion erwirken (Art. 37b KLV) oder neu eine Limitation errichten (Urteil K 148/06 vom 3. April 2007, E. 6.1.) Diese muss aber begründet werden können. Das gelingt meist nur über Bedenken betreffend der Wirtschaftlichkeit.

Die Voraussetzungen für die Kostenübernahme sind im Weiteren im Handbuch der SL im Kapitel 82 (Seite 26) abgehandelt. Auf eine Wiederholung wird hier verzichtet.

Vergütung von Arzneimitteln in besonderen Situationen

Die Beratung der Krankenversicherer in diesem Bereich ist eine sehr anspruchsvolle Kernaufgabe für den Vertrauensarzt. Ein Kerngedanke des KVG ist die Möglichkeit der gleichen Behandlungschancen von Arm und Reich, Jung oder Alt, aber auch von Patienten, welche Krankheiten haben, welche häufig auftreten und Patienten, welche an seltenen Krankheiten leiden. Über diese Orphan Diseases ist oft sehr wenig bekannt. Die Diagnosen werden jahrelang nicht gestellt, sowohl wegen fehlenden Wissens als auch mangels diagnostischen Möglichkeiten. Nur sehr wenige Arzneimittel zur Behandlung von Orphan Diseases werden bei Arzneimittelbehörden angemeldet und können dann für die Schweiz in die SL aufgenommen werden, obwohl die Zulassungsbedingungen für Orphan Drugs für diese Bereiche massiv erleichtert wurden. Das Verhältnis Umsatz/ Aufwand bleibt aber meist schlecht. Nur wenige Orphan Drugs werden somit ordentlich registriert und aufgenommen. Die Anreize in vielen Ländern sind offensichtlich immer noch nicht gross genug, um dieses Verhalten wesentlich zu verbessern. Das schliesst eine Aufnahme in die SL aus. Der Vertrauensarzt verfügt meist in solchen Fällen über sehr wenig Literatur. Meistens sind es nur Fallbeschreibungen oder Abhandlungen einiger Fälle. Das wären dann schon die „soliden wissenschaftlichen Resultate aus klinischen Versuchen“ ( Seite 26, Handbuch betreffend SL). Eine Kostenübernahme ist möglich, wenn mindestens eine gross angelegte Phase-II-Studie den Nutzen beweist oder wenigstens zwei Publikationen in guten Journals den Einsatz des Medikamentes empfehlen. Der Vertrauensarzt hat verschiedene Quellen, welche ihm weiterhelfen können:

Verzeichnis von Swissmedic (VAZV, Art.7): Register der Ophan Drugs:

http://www.swissmedic.ch

European Organisation for Rare Diseases:

http://cordis.europa.eu/

(enthält Liste der EU und USA) National Comprehensive Cancer Network:

http://www.NCCN.org

American Society of clinical Oncology:

http://www.asco.org

Und für off-label Probleme: Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte:

http://www.vertrauensaerzte.ch/expertcom/

Bei einer Beratung seiner Krankenversicherung muss der Vertrauensarzt immer auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit des betreffenden Medikaments mit berücksichtigen. Der normale Weg der Listenaufnahme darf nicht systematisch durch Einzelfallbeurteilungen umgangen werden. Im Schweizer off-label-use ist wegen der obligatorischen Aufnahme in die SL stets ein Preis bekannt. Dieser Preis ist bei Anwendung im off-label-use Bereich zu hoch. Es entfallen Registrierungs-, Werbe- und Forschungskosten, etc. Das Wissen über den off-label Einsatz kommt oft direkt von den Kliniken und behandelnden Ärzten und nicht von den Pharmafirmen (vgl. Petermann a.a.O. Rz 59). Es wäre auch denkbar, dass Pharmafirmen diesen Angebotsbereich als Solidaritätsbeitrag verstehen und in diesem spezifischen Segment auf Gewinn verzichten.

Bei Verwendung eines Arzneimittels ausserhalb der Limitation in der SL, bestehen gemäss Handbuch und Rechtssprechung besonders hohe Anforderungen. Die Kostenübernahme eines Arzneimittels ist nur möglich, wenn ein sogenannter „Behandlungskomplex“ oder eine Krankheit vorliegt, welche für den Patienten tödlich verlaufen kann oder schwere und chronische gesundheitliche Probleme ohne dessen Einsatz eintreten würden. Es müssen zudem andere vergleichbare therapeutische Alternativen fehlen und das Arzneimittel muss einen hohen kurativen oder palliativen Nutzen haben (BGE 131 V 349 E.2.3 S. 351, 130 V 532 E.6.1 S.544). In diesem Urteil übernimmt das Bundesgericht die speziellen Einschränkungen aus der Handbuch-Definition des BAG über off-label–use nicht. Obschon der Gesetzgeber mit der Limitatio in der SL ausdrücklich die Einschränkung gebenüber den Indikationen der Swissmedic meint, sind Ausnahmen zur Kostenübernahme also möglich. Diese sollten aber Einzelfälle bleiben, was vor allem in der Onkologie in krassem Widerspruch steht.

Mit den Urteilen 9C 305/2008 und 9C 56/2008, welche im Übrigen einen schönen Überblick über die bisher ergangene Rechtsprechung (einschliesslich der oben erwähnten BGE-Entscheide) verschaffen, hat das Bundesgericht einen weiteren Sonderfall kreiert. Gemäss diesen Entscheiden kann unter Umständen der Einsatz eines off-label-Arzneimittels selbst dann zulasten der Krankenversicherung fallen, wenn es für die betreffende Indikation erst nach Therapiebeginn in die SL aufgenommen wird, also zum Zeitpunkt der Anwendung noch im Aufnahmeverfahren steckt. Es erscheine, so das Bundesgericht, unbillig, wenn einer versicherten Person gegenüber ein off-label-Arzneimittel nicht vergütet werde, das gleiche Arzneimittel aber einige Monate später (nach Aufnahme in die SL) ohne Weiteres übernommen worden wäre. Daher sei das Arzneimittel auch vor Aufnahme in die SL im Umfang des späteren SL-Preises zu übernehmen.

Dies führt zur Feststellung, dass damit das Prinzip der Verbindlichkeit bzw. Massgeblichkeit der Spezialitätenliste immer weiter ausgehöhlt und der Vertrauensarzt gerade im Bereich der Onkologika zunehmend mit komplexen (Rechts-)Fragen und Ausnahmeregelungen konfrontiert wird.

Weitergehende Literatur:

SVR – Rechtsprechung 2/2009:1-4. Arzneimittel; off-label-use bearbeitet von U. Kieser.

Schweiz.Ärztezeitung. 2009;90(32):1214-16.Willi Ch. Zwei unkonventionelle Bundesgerichtsentscheide zur ärztlichen Therapiefreiheit. Unkonventionelle medikamentöse Behandlungen: Wo liegt die Grenze?

Infosantésuisse 11/05:18-19. Guetg R. Orphan Diseases, Orphan Drugs & Co: eine Begriffsklärung. Behandlung von seltenen Krankheiten: Flexibilität gewährleistet.

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Fragen, Anregungen

Haben Sie Fragen, Bemerkungen oder Anregungen zur Gestaltung unserer Homepage?

Teilen Sie uns das doch bitte mit und kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle.

Geschäftsstelle

SGV
c/o MBC Markus Bonelli Consulting
Rudolf Diesel-Strasse 5
8404 Winterthur

Tel. 052 226 06 03
Fax 052 226 06 04

Email info@vertrauensaerzte.ch