Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Geleitwort von Professor Erwin Murer

Die zentralen Aufgaben der Vertrauensärztinnen und -ärzte werden in Art. 57 des Krankenversicherungsgesetzes wie folgt umschrieben: «Vertrauensärzte und Vertrauensärztinnen beraten die Versicherer in medizinischen Fachfragen sowie in Fragen der Vergütung und der Tarifanwendung. Sie überprüfen insbesondere die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers» (Abs. 4). «Sie sind in ihrem Urteil unabhängig. Weder Versicherer noch Leistungserbringer noch deren Verbände können ihnen Weisungen erteilen» (Abs. 5). Abs. 4 bedeutet, dass sie auch die Wirtschaftlichkeit und die Qualität der Leistungen zu überwachen haben und so mithelfen, ein Hauptziel der Totalrevision des Krankenversicherungsgesetzes von 1994/1996 zu verwirklichen. Und Abs. 5 regelt den einzig möglichen Ausweg, der sich dem Vertrauensarzt bietet, wenn er in den Interessengegensatz zwischen Versicherten, Versicherern und Leistungserbringern gerät: seine Unabhängigkeit.

Alfred Maurer, der Altmeister des schweizerischen Sozialversicherungsrechts, schreibt deshalb zu Recht: «Die Abs. 4 und 5 von KVG 57 gehören zu den wichtigsten Bestimmungen des KVG.»1

In der Tat: Welch ein zentraler, aber auch schwieriger Auftrag! Vor allem, wenn man bedenkt, wie gegenläufig die Interessen der beteiligten Akteure sein können. Wie rasch müssen Vertrauensärztinnen und -ärzte am Ende ihres Lateins sein, wenn es ihnen nicht gelingen sollte, das Vertrauen aller Beteiligten zu gewinnen.

So drängt sich die Frage auf: Wie kann man ein solches Unternehmen überhaupt antreten und erst noch zum Erfolg führen? Wie kann man sich vorbereiten, wie bestehen? Der Unterzeichnende, in diesen Fragen allerdings Halblaie, schlägt vor: mit Mut, mit grosser Fachkenntnis und mit nie erlahmender Neugierde.

Mit Mut: Der kommt von alleine, wenn die beiden anderen Voraussetzungen erfüllt sind. Mut ist oft nicht zuletzt auch gegenüber den Rechtsanwendern gefragt ...

Mit der nötigen Fachkenntnis: Ja, klar - doch darunter sind nicht «nur» die medizinischen Fachkenntnisse gemeint, sondern auch «... gute Kenntnisse auf dem Gebiet des KV-Rechts», wie sich Maurer an der bereits zitierten Stelle ausdrückt. Und es wäre beizufügen: Fast ebenso wichtig ist dabei die Wahrnehmung der unterschiedlichen Denkweisen von Medizinern und Rechtsanwendern. Wie viele Missverständnisse könnten in der Zusammenarbeit vermieden werden, wenn sich die Beteiligten über diesen wichtigen Unterschied mehr Rechenschaft geben würden! So hat der Rechtsanwender beispielsweise die Tendenz, vom Mediziner ein klares Ja oder ein klares Nein zu erwarten. Denn genau das verlangt von ihm meistens auch die Rechtsnorm, die er anwenden muss: Entweder liegt «Krankheit» im Sinne des KVG vor oder sie liegt eben nicht vor - tertium non datur. Anders die Sichtweise des Mediziners; für ihn gibt es vielleicht zehn Möglichkeiten zwischen «Kranksein» und «Nicht-mehr- Kranksein»! Tatsächlich ist im Zusammenwirken zwischen Medizin und Recht echte Interdisziplinarität angesagt - und es gibt wohl niemanden, der dermassen eng an der Schnittstelle zwischen den beiden Wissenschaften «sitzt» wie der Versicherungsmediziner.

Neugierde: Sie ist die vielleicht wichtigste Voraussetzung, die Zukunft zu bewältigen, die gerade für das Gesundheitswesen laufend Änderungen bringen wird, Änderungen, die sogar so fundamentale Dinge wie den Gesundheitsbegriff erfassen. Neugierde lässt uns das Bestehende immer wieder in Frage stellen, sie motiviert zu neuen Fragen und damit zu neuen Erkenntnissen, sie führt zu den notwendigen Anpassungen an die neuen Entwicklungen - sie macht aber auch unser Leben spannend!

Mut, Fachkenntnis und Neugierde als Grundlagen des vertrauensärztlichen Tuns und Lassens: Was haben sie mit dem vorliegenden Handbuch von Alfred Vaucher und Jürg Zollikofer zu tun? Die Antwort liegt auf der Hand: Das Werk bietet mit seiner Fülle von unabdingbaren Informationen den Vertrauensärztinnen und -ärzten die Gelegenheit, sich Fachkenntnisse anzueignen bzw. zu vertiefen. Damit hilft es ihnen aber auch, den nötigen Mut und eine alles beflügelnde Neugierde zu entwickeln, um ihre schwierige wie faszinierende Aufgabe im Interesse der Versicherten, Leistungserbringer und Versicherer anzupacken und durchzustehen!

Beizufügen bleibt: Auch andere Fachleute aus Ärzteschaft und Gesetzesvollzug werden das Buch mit grossem Gewinn konsultieren.

Erwin Murer
Ordentlicher Professor für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht an der Universität Freiburg CH


1 In: Das neue Krankenversicherungsrecht. Basel/Frankfurt a.M.: Helbling & Lichtenhahn; 1996. S. 101.

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