Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Neurochirurgie

Spinale Chirurgie

Invasive Schmerztherapie

Pubmed, Surgery for low back pain: a review of the evidence for an American Pain Society Clinical Practice Guideline

Pubmed, Interventional therapies, surgery, and interdisciplinary rehabilitation for low back pain: an evidence-based clinical practice guideline from the American Pain Society

Radiofrequenztherapie/-läsion

Siehe auch KLV, Anhang 1. Behandlung schwerer chronischer Schmerzzustände vom Typ der Deafferenzierung (Rückenmarksläsionen, intradurale Nerven(wurzel)ausrisse bzw. -läsionen, Arachnoiditis). NB: Die Denervation der Facettengelenke mittels Radiofrequenztherapie ist ebenso wie die Kryoneurolyse zur Behandlung von Schmerzen der lumbalen intervertebralen Gelenke nicht leistungspflichtig.

Die Radiofrequenzläsion ist ein neurodestruktives Verfahren, bei dem durch radiofrequenten Strom eine kontrollierte Thermoläsion erfolgt. Bei der Kryoläsion handelt es sich ebenfalls um ein ablatives Verfahren, bei dem durch Kälte eine Langzeitblockade erzeugt wird. Die Wirkdauer beider Verfahren ist zeitlich begrenzt, eventuell sind daher erneute Behandlungen notwendig.

Elektrostimulation des Rückenmarks bzw. tiefer Hirnstrukturen durch die Implantation eines Neurostimulationssystems

Siehe auch KLV, Anhang 1. Behandlung schwerer chronischer Schmerzzustände, v.a. vom Typ der Deafferenzierung (z.B. Phantomschmerzen), St. n. Bandscheibenoperationen mit Wurzelverwachsungen und Sensibilitätsausfällen (Arachnoiditis); Kausalgien, v.a. Plexusfibrosen nach Bestrahlung (z.B. Mammakarzinom). Geeignet wenn:

  • durch nicht-operative Therapien keine ausreichende Schmerzlinderung zu erzielen ist
  • es keinen erkennbaren Grund für die Schmerzen gibt
  • herkömmliche chirurgische Eingriffe zur Schmerzlinderung nicht in Frage kommen
  • keine unbehandelte Medikamentenabhängigkeit besteht
  • eine Testbehandlung erfolgreich war
Die elektrische Rückenmarksstimulation ist mässig effektiv zur Beeinflussung zentraler Schmerzen. Dagegen gibt es positivere Berichte über Erfolge bei der elektrischen Stimulation von tiefen Hirnstrukturen (deep-brain-stimulation). Allerdings sollte Letztere nur bei Patienten eingesetzt werden, die extreme Schmerzen aufweisen und bei denen konservative Therapiemaßnahmen keine Erfolge zeigen. Bevorzugt setzt man die Elektroden im Bereich des ventro-posterioren Thalamusgebietes ein. Weitere mögliche Lokalisation: hinterer Anteil der Capsula interna. Dieses Vorgehen weicht von der Stimulation bei Nozizeptorschmerz ab, bei der man bevorzugt das Gebiet des periaquäduktalen Graus reizt. Als Alternative besteht auch die Möglichkeit, den Motorkortex bei zentralem Schmerz zu stimulieren.

Zur Therapie zentraler Schmerzen wurden Versuche einer Ausschaltung zentgraler und peripherer Strukturen, insbesondere die Rhizotomie, durchgeführt. Die Ergebnisse solcher ablativer Verfahren (anterolaterale Chordotomie, die Chordektomie sowie die DREZ-Operation) sind enttäuschend.. Die besten Erfolgsquoten erzielt die DREZ-Operation mit Verbesserungsraten von bis zu 50%. Die Läsion wird im Bereich der oberflächlichen Schichten des Hinterhorns durchgeführt, um den Lissauer-Trakt zu zerstören. Die größere Wahrscheinlichkeit für einen positiven Operationserfolg liegt bei episodisch auftretenden Schmerzen. Dauerschmerzen sind durch ablative Verfahren in der Regel nicht zu verbessern. Intrakranielle Läsionen wurden vorwiegend in Form von medialen und lateralen Thalamotomien, Zingulotomien und kortikaler Destruktion durchgeführt. Diese Therapieverfahren konnten weder Kurz- noch Langzeiterfolge erbringen. Wenn überhaupt, lassen sich die besten therapeutischen Effekte mit einer stereotaktischen mesenzephalen Traktotomie und/oder einer medialen Thalamotomie erzielen. Die Komplikationsrate solcher Operationen ist hoch. Im Hinblick auf die limitierten Erfolgsquoten müssen solche Therapieverfahren sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Eine Indikation besteht nur in extremen therapieresistenten Ausnahmefällen und sollte in dafür spezialisierten Zentren durchgeführt werden.

Operative spinale Behandlungsoptionen

Perkutane („blinde“) Diskusdekompression mittels Laser („Laserdiskektomie“)

Keine Pflichtleistung (Anhang 1, KLV). Es handelt sich zwar um eine minimal invasive Operationsmethode, die nur bei einem kleinen Teil der Patienten zur Anwendung kommt und im Vergleich zu offenen operativen Verfahren ein deutlich höheres Rezidiv-Risiko aufweist. Von einer Kostenbeteiligung aus der Zusatzversicherung ist abzuraten.

Spondylodese

Ziel der Operation ist eine ossäre Fusion des operierten Bewegungssegments. Dies kann mittels posteriorem Schrauben-Stabsystem und interkorporellem Cage (Käfig im Zwischenwirbelraum), lateral eingebrachtem interkorporellem Käfig mit Platte und/oder Schrauben oder einem anterior eingebrachtem, interkorporellem Käfig mit Schrauben erfolgen und ist indiziert bei degenerativ veränderten Wirbelsäulenbewegungssegmenten mit/ohne Nervenwurzelkompression bzw. mit/ohne Makroinstabilität, und dadurch verursachter Schmerzpersistenz (lumbal und/oder radikulär) trotz ausgeschöpfter konservativer und infiltrativer Therapie. Die Schrauben- Stabsysteme bestehen in der Regel aus Titan, die interkorporellen Käfige aus Knochen, Titan bzw. PEEK.

Bandscheibenprothesen

Sie sind nur dann indiziert, wenn die Schmerzen eindeutig aus dem verschlissenen Bandscheibenraum stammen, sich die Schmerzen durch eine intensive ambulante konservative Therapie nicht ausreichend beherrschen lassen und aufgrund des Lokalbefundes nicht besser mit einer Spondylodese versorgt wären (z.B. bei ausgeprägter segmentaler Instabilität). Es sind verschiedene Produkte auf dem Markt, und selbstverständlich muss bei der Wahl der Prothese (wie bei jedem Implantat) auf die wissenschaftliche Prüfung geachtet werden. Die Indikation ist relativ selten, da häufig nicht nur die Bandscheibe selber, sondern auch die angrenzenden ossären und ligamentären Strukturen degenerativ verändert sind, was somit zur Indikation einer Versteifungsoperation führt.

Eine Bandscheibenprothese kann somit bei isolierter, ausgeprägter Schädigung einer Bandscheibe implantiert werden. Nicht indiziert ist somit die Implantation bei fortgeschrittenem Verschleiss der kleinen Wirbelgelenke, bei Wirbelgleiten, bei ungünstig liegenden lumbalen Bandscheibenvorfällen, bei einer Spinalkanalstenose, Osteoporose, Tumoren und Wirbelsäuleninfektionen. Leiden Patienten auch nach einer Bandscheibenoperation noch unter starken Rückenschmerzen, besteht die Möglichkeit, mit einer Bandscheibenprothese eine Schmerzlinderung zu erzielen (vor allem bei Patienten bis etwa 45 Jahre angezeigt). Während bei versteifenden Eingriffen in den Folgejahren häufig die angrenzenden Segmente in Mitleidenschaft gezogen werden, soll der Einsatz von Bandscheibenprothesen gute Langzeitergebnisse bringen. Eine mögliche Komplikation, über die junge, männliche Patienten informiert werden müssen, ist die retrograde Ejakulation, die seltenerweise postoperativ auftreten kann. Die Patienten sollten auch über die Möglichkeit einer Spermaasservation präoperativ informiert werden.

An der Halswirbelsäule (HWS) werden Bandscheibenprothesen bis etwa zum 65. Lebensjahr implantiert. Die Ergebnisse sind – wie die Ergebnisse der Versteifungsoperationen an der HWS – gut. Dabei bieten Prothesen jedoch den Vorteil, dass die Nachbarsegmente nicht überlastet werden. Beim Einsatz einer Bandscheibenprothese wird die Bandscheibe von ventral her komplett entfernt, das Bewegungssegment jedoch nicht versteift.

Dynamische Stabilisierungsoperationen an der Wirbelsäule

Die Indikation zur sogenannten dynamischen Stabilisierung wird nach wie vor kontrovers diskutiert und die Studienresultate sind nicht eindeutig. Ziel der dynamischen Stabilisation, bei der das Bewegungssegment nicht versteift wird, ist die Ueberbelastung der angrenzenden Bewegungssegmente und somit eine Anschlussdegeneration bzw. – instabilität, die weitere Versteifungsoperationen zur Folgen haben könnte, zu vermeiden.

Heute sind verschiede dynamische Stabilisationssysteme auf dem Markt, alle mit vergleichbaren Resultaten. Die Operation kann indiziert werden bei auf konservative Behandlung therapie-refraktären Beschwerden aufgrund mono- oder bisegmentalen Degenerationen der Wirbelsäule, ist jedoch kontraindiziert bei Skoliose und Instabilitäten sowie bei schwerer Osteoporose.

Interspinöse Spreizer

Diese werden zwischen den lumbalen Dornfortsätzen implantiert. Sie können bei Patienten mit einer lumbalen Spinalkanalstenose angewendet werden und führen durch Dehnung der Ligamenta flava zu einer indirekten Dekompression des Spinalkanals, ohne dass chirurgisch Band- oder Knochengewebe entfernt wird.

Die Resultate dieser Intervention werden weiterhin kontrovers diskutiert. Bei einigen Patienten ist die indirekte Dekompression des Spinalkanals ungenügend, so dass diese später im Verlauf mit einer weiteren Operation «offen» dekomprimiert werden müssen. Der Eingriff kann aber insbesondere bei älteren, polymorbiden Patienten eine Behandlungsoption sein, da die Operationsdauer kurz und der Eingriff minimal-invasiv ist.

Pubmed, Controversies about Interspinous Process Devices in the Treatment of Degenerative Lumbar Spine Diseases: Past, Present, and Future

Pubmed, Comparison of the efficacy and safety between interspinous process distraction device and open decompression surgery in treating lumbar spinal stenosis: a meta analysis.

Register

Für gewisse spinale Eingriffe mit Wirbelsäulenimplantaten wird eine Zertifizierung der Operateure verlangt, zudem wurden obligatorische Register geführt, die jedoch häufig insuffizient mit Daten gespeist wurden. Dies veranlasste die spinal-operierenden Fachgesellschaften, sich mit dem Aufbau eines nationalen Wirbelsäulenimplantate-Registers gemäss Vorgaben ANQ zu beschäftigen (aktuell im Aufbau).

Radiochirurgie

Die aufgeführten Therapien werden bei intrakraniellen Tumoren oder Gefässanomalien angewandt. Die Indikation sollte an einem spezialisierten Zentrum im Rahmen von interdisziplinären Boards (Tumorboard, Vascular Board) gestellt werden.

Radiochirurgie. Gamma-Knife

Hirntumoren, Meningeome, Metastasen, Akustikusneurinome und Neurinome anderer Hirnnerven, Hypophysenadenome, auch Rezidive und nicht radikal operable, Kraniopharyngeome, Chordome und Chondrosarkome, Arteriovenöse Malformationen (AVM), Glomus-Jugulare-Tumoren, Tumoren der Augen, Aderhautmelanome. Funktionelle Erkrankungen: Trigeminusneuralgie.

Radiochirurgie wird z.T. bei sog. gelastischen Epilepsien bei Vorliegen hypothalamischer Hamartome durchgeführt.

Linearbeschleuniger (=Linac)

Hirntumoren, Meningeome, einzelne wie auch mehrere Hirnmetastasen, Akustikusneurinome, Hypophysenadenome, Arteriovenöse Malformationen (AVM), Kavernome, Glomus jugulare Tumoren, Kraniopharyngeome, Hämangioblastome, Hämangioperizytome, Trigeminus-Neurinome.

CyperKnife

Es handelt sich um einen robotassistierten Linearbeschleuniger zur Strahlentherapie versch. Tumorerkrankungen, wobei sich die Indikationen zum Gamma-Knife bzw. Linac-Einsatz direkt überschneiden. Allerdings soll die CyberKnife Anwendung kostengünstiger sein.

Epilepsie-Chirurgie

Resektive Epilepsie-Chirurgie

Man unterscheidet dabei eine kurative oder palliative Indikation: In beiden Fällen ist eine nachgewiesene Arzneimittelresistenz oder -unverträglichkeit Voraussetzung.

Mögliche neurochirurgische Eingriffe sind: Extratemporale und temporale, meist „massgeschneiderte“ Kortexresektionen, klassische vordere Temporallappenresektion und selektive Amygdala-Hippokampektomie, subpiale Operation nach Morell-Whisler sowie die Balkendurchtrennung aber auch Hemisphärektomien.

Bei der Epilepsiechirurgie mit Gamma-Knife handelt es sich um experimentelle Behandlungen, die im Rahmen von Studien einzelner Epilepsiechirurgischer Zentren angeboten werden. Sie sind somit keine Pflichtleistungen. Kurative (=kausale) Epilepsie-chirurgische Eingriffe sind anerkannte Pflichtleistungen.

Palliative Epilepsie-chirurgische Eingriffe werden unter strenger Indikations-Stellung und unter Auflagen ebenfalls als Pflichtleistung anerkannt.

Chirurgie bei Morbus Parkinson

Elektrostimulation tiefer Hirnstrukturen (DBS = deep brain stimulation) durch Implantation eines Neurostimulationssystems bei Morbus Parkinson (Anhang 1, KLV)

Behandlung eines therapieresistenten Tremors bei M. Parkinson, essentiellem Tremor und Intentionstremor bei MS. Auch bei anderen Bewegungsstörungen dyston-dyskinetischer Art werden diese Verfahren eingesetzt. Es handelt sich dabei um stereotaktische Hirnoperationen. Der Thalamus wird zur Behandlung des tremordominanten Parkinsonsyndroms gewählt. Der Globus pallidus (GPI) wird heute eher selten als Zielpunkt gewählt. Hauptindikationen sind Arzneimittel-induzierte Dyskinesien. Seit Mitte der 1990er Jahre wird der Nucleus subthalamicus (STN) bei M. Parkinson bevorzugt, nachdem gezeigt werden konnte, dass durch eine Dauerstimulation eine deutliche Medikamentenreduktion möglich ist und gleichzeitig die off-Zeiten und die Fluktuationen vermindert werden können.

März 2019
Dr. med. Dominique Kuhlen

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

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