Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Der HTA-Prozess

Der HTA-Bericht ist eingebettet in einen umfassenden HTA-Prozess und stellt dabei einen wichtigen Prozessschritt dar (siehe unten). Ein klar strukturierter Prozess ist entscheidend für eine erfolgreiche Verbindung von wissenschaftlicher Evidenz und politischer Entscheidungsfindung, die HTA zu leisten hat.(6)

  1. Identifikation (Horizon scanning)
  2. Prioritätensetzungg (Topic selection)
  3. Formulierung der Fragestellung (Scoping)
  4. Ausarbeitung eines HTA-Berichts (Assessment)
  5. Politische Würdigung im Kontext (Appraisal)
  6. Entscheidung (Decision)
  7. Verbreitung (Dissemination)
  8. Evaluation der Wirkung (Impact assessment)

Im Folgenden werden die einzelnen Schritte eines HTA-Prozesses kurz beschrieben:

1 Identifikation (Horizon scanning)

Der HTA-Prozess beginnt mit der Identifikation möglicher neuer Untersuchungsgegenstände („Horizon scanning“). Dies drückt bildlich aus, wie der Horizont nach neuen Technologien abgesucht wird, um auf diese rechtzeitig aufmerksam zu werden. Die Identifikation neuer evaluationswürdiger Technologien sollte selbstverständlich möglichst früh erfolgen. Idealerweise schon während der Phase der Forschung und Entwicklung, sobald das mögliche Potenzial und die Verbreitung absehbar sind.

2 Prioritätensetzung (Topic selection)

Nicht jede neue Technologie kann und soll mit einem HTA evaluiert werden. HTA-Berichte sind aufwändig zu erstellen und auch diese Ressourcen sollten wirtschaftlich eingesetzt werden. Es braucht somit eine Prioritätensetzung. Insbesondere ein grosser potenzieller Nutzen einer neuen Technologie, grosse potenzielle Kosten, grosse regionale Unterschiede oder grosse Unsicherheit sprechen für die Erstellung eines HTA-Berichts in einem konkreten Fall.

3 Formulierung einer Fragestellung (Scoping)

Die Formulierung einer Fragestellung bildet die Schnittstelle zwischen dem politischen und dem wissenschaftlichen Element des HTA-Prozesses. Damit ein HTA-Bericht ausgearbeitet werden kann, braucht es eine Fragestellung, eine sogenannte „Policy question“. Dabei handelt es sich um eine Frage der Entscheidungsträger an die Ersteller eines HTA-Berichts, welche die wissenschaftliche Evidenz zur Beantwortung dieser Frage zusammentragen sollen. Eine derartige (häufig gestellte) „Policy question“ kann zum Beispiel sein: „Soll ein neues Medikament durch die soziale Krankenversicherung für eine bestimmte Patientengruppe bezahlt werden?“ In einem nächsten Schritt muss diese Frage von den Erstellern des HTA-Berichts in eine wissenschaftliche Fragestellung übersetzt werden. Eine solche wäre in diesem Beispiel dann: „Wie ist die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit dieses neuen Medikaments für die definierte Patientengruppe verglichen mit der bisher besten Therapiemöglichkeit?“

Typischerweise wird an dieser Stelle des Prozesses das so genannte PICO-Schema verwendet, das klärt, was genau untersucht werden soll. Das Akronym steht für:

P =Population oder Patient
I =Intervention (Health Technology, diagnostisches oder therapeutisches Verfahren)
C =Comparator (Vergleichsintervention)
O =Outcome (relevante Zielgrössen)

Diese Punkte müssen präzise festgelegt werden, damit Fragen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit im Rahmen eines HTA Berichts bearbeitet werden können. Zusätzlich können sich dann noch ethische, rechtliche, soziale oder organisatorische Fragen ergeben. Welche Aspekte in einem HTA konkret thematisiert werden, hängt von deren Relevanz für die entsprechende Thematik ab.

4 Ausarbeitung eines HTA-Berichts (Assessment)

In einem HTA-Bericht geht es darum, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz zusammenzutragen. Nach welcher Methode dies zu geschehen hat, kann sich je nach Land etwas unterscheiden. Ein HTA-Bericht soll möglichst objektiv sein und keine politische Beurteilung beinhalten. Die HTA-Methodik für die Erstellung des Berichts wird im Kapitel "Die HTA-Methodik" noch weiter vertieft.

HTA Berichte werden idealerweise von unabhängigen interdisziplinären Expertengruppen erstellt. Zahlreiche Länder kennen jedoch ein so genanntes Antragsverfahren für neue Technologien. Dann müssen Hersteller oder Leistungserbringer einer bestimmten neuen Technologie ein Antragsdossier erstellen, das die Struktur eines HTA-Berichts hat. Dieses wird dann im Rahmen des eigentlichen Assessments durch behördeninterne oder externe Experten kritisch auf Vollständigkeit und mögliche Verzerrungen überprüft.

5 Begutachtung (Appraisal)

Auf der Basis des HTA-Berichts kann in einem nächsten Schritt eine kritische Würdigung („Appraisal“) der gewonnenen wissenschaftlichen Resultate vorgenommen werden, indem diese mit kontextspezifischen Überlegungen ergänzt werden. Typischerweise geschieht dies im Rahmen von so genannten „Appraisal-Committees“ (in der Schweiz: Ausserparlamentarische Kommissionen). Nicht immer werden die beiden Schritte „Assessment“ und „Appraisal“ sauber voneinander getrennt. Es ist jedoch hilfreich, dies zu tun, damit eine Vermischung der streng wissenschaftlich erhobenen Evidenz mit Werthaltungen und zusätzlichen Einschätzungen vermieden wird. Häufig werden ethische, organisatorische, soziale oder rechtliche Aspekte an dieser Stelle und nicht im Rahmen des HTA-Berichts behandelt. Das Appraisal hat zum Ziel, die ursprünglich gestellte „Policy question“ zu beantworten und eine Empfehlung auszusprechen. Erst dadurch wird der wissenschaftliche HTA-Bericht auch zu einer Entscheidungsgrundlage.

6 Entscheidung (Decision)

Nun folgt als nächster Schritt die Entscheidung auf Basis der Empfehlung des Appraisals. Wie im Kapitel "Was ist Health Technology Assessment (HTA)?" dargestellt, werden in gewissen Organisation HTAs in erstes Linie zum Zweck von Vergütungsentscheiden erstellt. In vielen Fällen folgen Entscheidungsträger den Empfehlungen des Appraisal-Committees. Manchmal berücksichtigen Entscheidungsträger noch zusätzliche Aspekte, die weder im HTA-Bericht noch im Appraisal thematisiert wurden. Dies können politische Aspekte sein, die dazu führen, dass ein Entscheid möglicherweise in Abweichung zur Empfehlung des Appraisal-Committees getroffen wird. Es kann aber auch sein, dass der HTA-Bericht aufgrund der ungenügenden Datenlage zu unklaren Resultaten geführt hat. In solchen Situationen wird oft eine Entscheidung mit Auflagen gefällt. Dann kann es sein, dass eine bestimmte Health Technology für eine begrenzte Zeit vergütet wird mit der Auflage noch weitere Studien durchzuführen, was sich „Coverage with evidence development“ (CED) nennt. CED ist eine Form eines Managed Entry Agreements.

Wie erwähnt, gibt es HTA-Organisationen, die nicht in den Prozess für einen Vergütungsentscheid eingebettet sind. Diese erstellen HTA-Berichte als Entscheidungsgrundlage für verschiedene potenzielle Entscheidungsträger (z.B. Behörden, Führungskräfte in Organisationen). Solche Entscheidungsträger sind dann aber frei, einen HTA-Bericht zu berücksichtigen.

7 Verbreitung (Dissemination)

Wenn ein HTA Prozess nicht zum Zweck eines Vergütungsentscheides initiiert wurde, dann ist es umso wichtiger, dass der HTA-Bericht entsprechend verbreitet wird, damit er eine Wirkung (Impact) entfalten kann. Bisher wurde diesem Schritt des ‚Knowledge translation‘ zu wenig Beachtung geschenkt. Das hat sich in letzter Zeit etwas geändert und es ist mehr Forschung zu diesem Thema entstanden. In den entsprechenden Organisationen ist man sich dessen auch mehr bewusst geworden.(7)

8 Evaluation der Wirkung

Idealerweise folgt am Ende des Prozesses eine Evaluation der Wirkung der getroffenen Entscheidung. Solche „Impact assessments“ sind in der Praxis jedoch relativ selten anzutreffen.(8)

HTA hat sich international während der letzten Jahre vor allem für die Beurteilung von Arzneimitteln sehr stark verbreitet. Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit fordern die Registrierungsbehörden prospektive Studien. Ihr gesetzlicher Auftrag umfasst die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit. Dies führt dazu, dass im Bereiche der Arzneimitteltherapie wie sonst für keinen anderen Bereich viele klinische Studien vorliegen. Diese sind eine wichtige Grundlage, um ein HTA durchzuführen. HTA-Berichte existieren auch für andere „Health Technologies“, allerdings in einem sehr viel geringeren Umfang. Beispielsweise gibt es nur wenige HTAs zu medizinischen Prozeduren oder zu pflegerischen Interventionen.

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Fragen, Anregungen

Haben Sie Fragen, Bemerkungen oder Anregungen zur Gestaltung unserer Homepage?

Teilen Sie uns das doch bitte mit und kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle.

Geschäftsstelle

SGV
c/o MBC Markus Bonelli Consulting
Rudolf Diesel-Strasse 5
8404 Winterthur

Tel. 052 226 06 03
Fax 052 226 06 04

Email info@vertrauensaerzte.ch