Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

30 Infektionskrankheiten

Update, 3. Auflage, März 10

Rechtliche Grundlage

KV

Vom Bundesamt für Gesundheit vorgesehene therapeutische und prophylaktische Massnahmen sind nur dann als Pflichtleistungen zu übernehmen, wenn sie den Rahmen von Behandlungen, die als Pflichtleistungen oder als reglementarische Leistungen gelten, nicht überschreiten.

Der Vertrauensarzt hat nur bei Impfungen oder bei Personen, die einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind, Abklärungen vorzunehmen (z.B. bei Hirnhautentzündungen). In diesem Fall ist die Ansteckungsgefahr rechtlich einer Krankheit gleichgestellt. Die Behandlungskosten, die während der Inkubationszeit anfallen, werden vom Krankenversicherer übernommen.

KLV, Art. 12: Impfungen als Pflichtleistung. Siehe dazu auch Kapitel Prävention und Pädiatrie (http://www.vertrauensaerzte.ch/manual/chapter30.html sowie http://www.vertrauensaerzte.ch/manual/chapter29.html).

UV

Infektionen können unter Umständen den Unfallbegriff erfüllen (vgl. Gerichtsurteile).

IV

GgV 490: Eine angeborene HIV-Infektion ist ein Geburtsgebrechen.

GgV 493: angeborene Infektionskrankheiten (wie Lues congenita, Toxoplasmose, Tuberkulose, Listeriose, Zytomegalie) sind Geburtsgebrechen.

KSME

Rz. 601-604 / 801-804: Infektionskrankheiten und parasitäre Leiden stellen grundsätzlich labiles pathologisches Geschehen dar und können daher nicht Anlass zu Eingliederungsmassnahmen der IV geben.

Gerichtsurteile

Die Rechtsprechung hat sich im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Infektion die Zuständigkeit des Unfallversicherers begründet (Infektion als Unfallereignis bzw. Unfallfolge).

  • BGE 122 V 330

Der Stich der Zecke der Gattung Ixodes erfüllt sämtliche Merkmale des Unfallbegriffs, weshalb der obligatorische Unfallversicherer für die damit verbundenen Infektionskrankheiten (Lyme-Krankheit, Enzephalitis) und deren Folgen aufzukommen hat.

  • U 585/06 (mit Hinweisen)

Selbst der Nachweis eines - in der Regel durch Zeckenstich erfolgenden - Kontaktes mit dem Borreliose-Erreger genügt nicht für den Schluss auf eine daraus entstandene Lyme-Borreliose. Vielmehr setzt die Diagnose dieser Krankheit - gleich welchen Stadiums - ein entsprechendes klinisches Beschwerdebild und den Ausschluss von Differentialdiagnosen voraus, wobei je nach Krankheitsstadium ein pathologischer laborchemischer Test die Wahrscheinlichkeit der Diagnose erhöhen kann.

  • U 435/00

Aufgrund der medizinischen Literatur ist davon auszugehen, dass der Zeckenbiss zu einem Pyoderma gangraenosum führen kann. Anders als bei der Lyme-Borreliose ist die Zecke bei dieser Krankheit nicht oder jedenfalls nicht notwendigerweise Überträger, sondern lediglich Auslöser der Krankheit, indem die durch den Zeckenbiss verursachte Hautläsion zur Entstehung des Pyodermas gangraenosum führen kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Zeckenbiss auch in diesen Fällen den Unfallbegriff erfüllt.

  • BGE 118 V 59

Eine durch eine Operationswunde verursachte Infektion ist nur dann als Unfallfolge zu betrachten, wenn sie nicht unter die Risiken fällt, mit welchen man bei der Vornahme der medizinischen bzw. chirurgischen Massnahme grundsätzlich zum Vornherein ernsthaft rechnen muss.

Im Weiteren äusserte sich das Bundesgericht zur Formulierung eines Vorbehaltes bei einem HIV-Positiven:

  • BGE 116 V 239

Anforderungen an die Umschreibung des Vorbehaltes insbesondere bei der zu AIDS führenden HIV-Erkrankung. „HTLV-III-positiv" (frühere Bezeichnung für "HIV-positiv") bezeichnet ein Testergebnis und nicht die Infektionskrankheit als solche, weshalb der Vorbehalt in dieser Form nicht zulässig ist. "HIV-Erkrankung mit Folgen" ist hingegen als zulässig zu erachten, ebenso wie "Immunschwäche und Folgen", sofern - wie dies im vorliegenden Fall zutrifft - bereits Symptome des Immundefektsyndroms aufgetreten sind.

Vorbehalte

Siehe nachfolgend unter Aids. Ansonsten keine besonderen Bestimmungen.

Aufgaben des Vertrauensarztes

Ambulante Behandlung

Die prophylaktische Gabe von Antibiotika resp. Virostatika (z.B. Tamiflu an Kontaktpersonen von Immunsupprimierten) wird übernommen, wenn diese Therapien in kantonalen oder eidgenössischen Bestimmungen aufgeführt sind.

Das Umstellen einer parenteralen auf eine orale antibiotische Therapie kann unter Umständen zu massiven Mehrkosten für das Medikament führen, gleichzeitig aber die vorzeitige Spitalentlassung ermöglichen. Eine entsprechende vertrauensärztliche Überprüfung soll in solchen Fällen ganzheitlich erfolgen, zumal ja der Versicherer unter dem Strich profitiert.

Die ambulante intravenöse Antiinfektiva-Therapie (Antibiotika, antifungale und antiparasitäre Th) stellt unabhängig vom Verabreicher (Arzt oder Spitex) eine PL dar wie auch allfällig notwendige Laboruntersuchungen.

Impfungen

Präventive Impfungen: siehe KLV, Art. 12, und Kapitel Pädiatrie sowie Prävention (http://www.vertrauensaerzte.ch/manual/chapter30.html sowie http://www.vertrauensaerzte.ch/manual/chapter29.html).

Impfungen therapeutischer Art: Bei Ansteckungsgefahr sind Behandlungen, die während der Inkubationszeit erfolgen, zu übernehmen (z.B. nach Tollwutexposition oder Exposition gegenüber Hepatitis B). Juristisch betrachtet ist eine bestehende Ansteckungsgefahr in diesem Fall einer Krankheit gleichgestellt.

Im Rahmen von Epidemien entscheiden die kantonalen oder allenfalls eidgenössischen Gesundheitsbehörden, ob die Indikation zur Impfung bzw. zur Durchführung anderer Massnahmen gegeben ist. Die Art und Weise der Durchführung solcher Massnahmen sowie die Frage der Rückvergütung sind in solchen Fällen ebenfalls durch die erwähnten Behörden zu entscheiden. Erwähnt seien diagnostische Massnahmen im Rahmen von Norovirus-Erkrankungen oder Virus-Nachweis im Rahmen von Grippe-Epidemien resp. –Pandemien.

Die Durchführung von Screeninguntersuchungen bei Patienten, die mit multiresistenten Bakterien kolonisiert sind sowie allfällige Dekolonisationsmassnahmen sollten ebenfalls als PL übernommen werden, da diese Massnahmen sowohl im Interesse des einzelnen Patienten als auch im Interesse der öffentlichen Gesundheit sind.

Die Therapie von Patienten mit humoraler Immundefizienz mit Immunglobulinen ist teuer. Die Indikationsstellung hat deshalb auf allseits anerkannten Kriterien zu beruhen und ist durch die Resultate entsprechender Laboruntersuchungen sowie durch klinische Kriterien (Anamnese, spezialärztliche Beurteilung des Einzelfalls) zu belegen. Die üblichen Impfungen (z.B. gegen Pneumokokken) sind bei solchen Patienten Pflichtleistungen. Die verschiedenen Impfstoffe sind in der SL aufgeführt.

Spitalbehandlung

Keine speziellen Bestimmungen.

Postexpositionsprophylaxe

Die Postexpositionsprophylaxe (PEP) stellt nach Exposition gegenüber verschiedenen Infektionserregern eine wirksame Massnahme dar, um das Auftreten einer Infektion beim Exponierten zu verhindern. Die Wirksamkeit dieser PEP ist gut dokumentiert bei gegenüber Hepatitis B nicht Immunen sowie bei HIV-Negativen, die eine entsprechende Exposition erfahren. Solche Expositionen können sich einerseits in einem beruflichen Kontext (z.B. Medizinalpersonen, Polizei, Reinigungspersonal) oder im Rahmen sexueller Kontakte ereignen. Die entsprechenden PEP-Massnahmen (z.B. antiretrovirale Medikamente, Anti-HBV-Immunglobuline, aktive Immunisierung) sowie die notwendigen Laborunter­suchungen und weiteren medizinischen Massnahmen sind Pflichtleistungen.

Arbeitsunfähigkeit

Keine speziellen Bestimmungen. Verschiedene Infektionskrankheiten verursachen eine relativ lange Rekonvaleszenz, welche wegen persistierenden Ermüdungserscheinungen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt.

Invalidität

Keine besonderen Bestimmungen.

Risikobeurteilung

Keine besonderen Bestimmungen.

HIV-Infektion und Aids

Juristisch ist die HIV-Infektion der Krankheit gleichgestellt und kann daher zu einem Vorbehalt oder einem Leistungsausschluss führen (vgl. vorne, Kap. 19.2). Die Leistungsberechtigung für die Behandlung in den verschiedenen Phasen – bei gewissen Komplikationen (z.B. opportunistische Infektionen wie Pneumocystis-carinii-Pneumonie) selbst für die Prophylaxe – unterscheidet sich prinzipiell in keiner Weise von der Behandlung anderer Krankheiten, besonders solcher, die mit Störungen des Immunsystems assoziiert sind. Im Rahmen der aktuell standardmässig durchgeführten Kombinationstherapie (in der Regel mindestens drei antiretrovirale Substanzen) werden zunehmend Störungen des Fettstoffwechsels als Folge der Therapie beobachtet, welche wiederum eine entsprechende therapeutische Intervention notwendig machen können.

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