Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

3 Obligatorische Unfallversicherung nach UVG

Update, 3. Auflage, Dezember 08

Allgemeine Bemerkungen

Am 1. Januar 2003 wurde das Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft gesetzt. Mit diesem Gesetz werden allgemein gültige Begriffe des Sozialversicherungsrechts wie Unfall- bzw. Krankheitsbegriff, Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit, Invalidität, Hilflosenentschädigung und diverse Verfahrensfragen für alle Sozialversicherungen soweit als möglich und nötig vereinheitlicht.

Die obligatorische Unfallversicherung ist geregelt durch das Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20. März 1981. Sie arbeitet nach dem Naturalleistungsprinzip, was bedeutet, dass die Versicherungen die Pflegeleistungen der Ärzte, Therapeuten und Heilanstalten schuldet und nicht der Versicherte. Sie ist durch die Mehrfachträgerschaft, die Verankerung eines Einheitstarifes sowie durch die freie Arzt- und Spitalwahl gekennzeichnet, sofern es sich um Vertragsärzte und Vertragsanstalten handelt.

Versicherer

Träger der obligatorischen Unfallversicherung gemäss UVG sowie der freiwilligen Versicherung nach den Bestimmungen des UVG sind:

  • Private Versicherungsgesellschaften;
  • Suva, Öffentliche Unfallversicherungskassen; Krankenversicherer.

Die Suva versichert alle ArbeitnehmerInnen des Industrie- und, Bausektors, sowie Teile des Gewerbes und der Verwaltung. Der genaue Tätigkeitsbereich ist in Artikel 66 UVG beschreiben. Alle anderen ArbeitnehmerInnen werden von den übrigen UVG-Versicherern gemäss Art 68 UVG versichert.

Zusatzversicherungen

Die privaten Versicherungsgesellschaften bieten ausserhalb des UVG Unfall-Zusatzversicherungen an, mit denen über die Leistungen nach UVG hinausgehende Bedürfnisse versichert werden können. Die flexible UVG-Zusatzversicherung ermöglicht es, die einheitliche UVG-Versicherung in eine massgeschneiderte Personalvorsorge bei Unfall umzuwandeln.

Versicherte Personen

Alle in der Schweiz beschäftigten ArbeitnehmerInnen sind obligatorisch versichert. Der Versicherungsvertrag besteht hierbei zwischen dem Arbeitgeber und der Versicherungsgesellschaft. Letztere kennt also ihre Versicherten nicht direkt. Freiwillig können sich Arbeitgeber, Selbständigerwerbende und deren mitarbeitende Familienmitglieder versichern. Arbeitslose sind automatisch bei der Suva versichert; Ausgesteuerte sind subsidiär bei der obligatorischen Krankenversicherung gegen Unfall versichert.

Versicherte Risiken

  • Berufsunfälle
  • Nichtberufsunfälle, falls die Wochenarbeitszeit mehr als 8 Stunden bei einem Arbeitgeber beträgt
  • unfallähnliche Körperschädigungen (abschliessende Liste)
  • Berufskrankheiten (Liste der Stoffe und Arbeiten oder Generalklausel)

Versicherungsleistungen

Sachleistungen: Grundlage: Vertragstarife für wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Behandlung

  • ambulante Behandlung;
  • Spitalbehandlung;
  • Kuren;
  • Hauspflege;
  • Arzneimittel, Analysen;
  • Hilfsmittel;
  • Reisen/Transporte/Rettung;
  • Leichentransporte/Bestattungskosten.

Geldleistungen: Grundlage hierfür ist der versicherte Verdienst

  • Taggeld;
  • Renten: Invalidenrente; Hinterlassenenrente;
  • Abfindungen: Abfindung bei psychogenen Störungen; Witwen-Abfindung;
  • Entschädigungen: Integritätsentschädigung; Hilflosenentschädigung; Übergangsentschädigung.

Der Versicherte, der infolge eines Unfalls, einer unfallähnlichen Körperschädigung oder einer Berufskrankheit voll oder teilweise arbeitsunfähig ist, hat für die Dauer der Heilbehandlung Anspruch auf ein Taggeld. Es ist Aufgabe des Arztes, Ausmass und Dauer der Arbeitsunfähigkeit zuhanden des Unfallversicherers anzugeben. Nach Abschluss der ärztlichen Behandlung hat der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls, der unfallähnlichen Körperschädigung oder der Berufskrankheit voraussichtlich dauernd oder für längere Zeit beeinträchtigt ist, Anspruch auf eine Invalidenrente. Der Invaliditätsgrad ist eine wirtschaftliche Grösse und berechnet sich aus dem Vergleich der Erwerbsmöglichkeit eines Versicherten vor der Schädigung gegenüber den infolge dieser Schädigung verbleibenden Erwerbsmöglichkeiten.

Der Unfallversicherer gewährt im Gegensatz zum Krankenversicherer, der lediglich die Sachleistungen übernimmt, somit also einen viel grösseren Versicherungsschutz.

Der Versicherte hat aber auch Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann. Diese Umschulung wird von der Invalidenversicherung durchgeführt. Mit der 5. IV-Revison, welche seit dem 1.1.2008 in Kraft ist, wurde das Meldeverfahren eingeführt und somit das Reintegrations-und Umschulungsverfahren beschleunigt.

Herausgabepflicht

Gemäss Art. 54a UVG muss der Leistungserbringer dem Versicherer eine detaillierte und verständliche Rechnung zustellen sowie alle Angaben machen, die er benötigt, um die Leistungsansprüche zu beurteilen und um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistung überprüfen zu können. Als Angaben gelten mündliche und/oder schriftliche Auskünfte, Unterlagen wie z.B. Patientenkarten, medizinische Berichte sowie sämtliche bildgebenden Dokumente.

Tarife

Tarifverträge werden zwischen der Medizinaltarifkommission UVG (MTK) und den Leistungserbringern abgeschlossen. Im Vordergrund stehen:

  • Tarmed im ambulanten Bereich
  • Indikationsbezogene Arztpauschalen zur Abgeltung von in Privatspitälern ambulant oder stationär erbrachten belegärztlichen Leistungen APDRG, Vollpauschalen, Teilpauschalen und Tarmed im stationären Bereich.

Finanzierung

Die Unfallversicherung nach UVG wird durch Lohnprozente finanziert. Die Prämien für Berufsunfälle/Berufskrankheiten werden von den Arbeitgebern entrichtet, während die Prämien für die Nichtberufsunfallversicherung grundsätzlich zu Lasten des Arbeitnehmers gehen.

Rechtliche und versicherungsmedizinische Grundlagen

Unfall

Als Unfall gilt die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat (Art 4 ATSG). Es müssen alle fünf Merkmale dieses rechtlichen Unfallbegriffes erfüllt sein, damit die Haftung der Unfallversicherung begründet ist.

RKUV 6/2000, S. 404; Unfallbegriff (Art. 9 Abs. 1 UVV): Um zu vermeiden, dass die Nichtberufsunfallversicherung die Funktion einer Haftpflichtversicherung für medizinische Leistungserbringer übernimmt, darf der den Unfallbegriff erfüllende medizinische Fehler nicht auf jedes Versehen eines Arztes ausgedehnt werden. Bestätigung der Rechtsprechung (u.a. BGE 121 V 35, BGE 118 V 59). In casu erfüllen die unzweckmässigen, teilweise sogar gegen die Regeln der Kunst verstossenden medizinischen Eingriffe – so wie sie sich ereignet zu haben scheinen – die Kriterien für ein Unfallereignis nicht.

U 175/06 fasst die Rechtsprechung zum Unfallbegriff bei Drogeninjektionen. Zusammen (Erw. 2.1.): Das Spritzen von Heroin unter die Zunge wird nicht als einen ungewöhnlichen äusseren Faktor qualifiziert mit der Begründung, dass es sich um einen dem Versicherten bekannten und gewohnten Vorgang handelt. Dito im Fall, in welchem es um die Injektion von Opiat-Drogen (Heroin oder Morphin) bei einer erfahrenen Drogenkonsumentin ging, wobei das Bundesgericht erkannte, dass dies selbst dann gilt, wenn der eingetretene Tod auf einen besonderen Reinheitsgehalt zurückzuführen ist, weil damit der Rahmen des im Bereich der illegalen Drogenbeschaffung und des illegalen Konsums Üblichen nicht überschritten wird. In einem weiteren Urteil schliesslich erwog das Gericht, dass der auf Grund übermässigen Drogenkonsums eingetretene Tod den Unfallbegriff nicht erfüllt, da es sich beim Versicherten um einen erfahrenen Drogenkonsumenten handelte, für welchen die exzessive Einnahme von Suchtmitteln nichts Ungewöhnliches darstellte, und keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer äusserer Faktoren bestanden. In casu wurde ein Unfall im Sinne von Art. 4 ATSG ebenfalls verneint.

Suizid und Suizidversuche werden als Unfall anerkannt, falls der Suizident oder die Suizidentin zum Zeitpunkt der Tat vollständig urteilsunfähig war (Art. 48 UVV; BGE 129 V 95).

Unfallähnliche Körperschädigungen (UKS)

Laut Art. 9 Abs. 2 UVV sind folgende, abschliessend aufgeführten Körperschädigungen, sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung oder eine Degeneration zurückzuführen sind, auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung Unfällen gleichgestellt:

  • Knochenbrüche;
  • Verrenkungen von Gelenken;
  • Meniskusrisse;
  • Muskelrisse;
  • Muskelzerrungen;
  • Sehnenrisse;
  • Bandläsionen;
  • Trommelfellverletzungen.

Der ungewöhnliche Charakter darf bei der UKS fehlen, die andern Unfallmerkmale müssen jedoch vorhanden sein.

In BGE 129 V 466 lässt die höchstrichterliche Rechtsprechung der Voraussetzung eines äusseren Ereignisses besondere Bedeutung zukommen und spricht von objektiv feststellbaren, sinnfälligen, unfallähnlichen Vorfällen. Eine blosse Lebensverrichtung bzw. eine normale Beanspruchung des Körpers reicht nicht, um eine UKS zu bejahren. Hierfür bedarf es eines Geschehen mit "gesteigertem Gefährdungspotential", d.h. eine Tätigkeit, die im Rahmen einer gesteigerten Gefahrenlage, z.B. sportliche Betätigung, oder eine mehr als physiologisch normale und psychologisch beherrschte Beanspruchung des Körpers (unkontrollierbare, heftige, brüske Änderungen der Körperlage),Mit anderen Worten: Findet ein äusseres, sinnfälliges Ereignis mit Einwirkung auf den Körper statt, so erübrigen sich weitere Abklärungen betreffend die Morphologie des geschädigten Gewebes; die Unfallversicherung muss den Fall als UKS übernehmen, sofern es sich um eine der oben aufgeführten Körperschädigungen handelt.

Seither gibt es viele Gerichtsurteile, in denen je nach Sinnfälligkeit die UKS entweder bejaht oder verneint wurde. Bei Ballspielen geht das Bundesgericht von einem gesteigerten Gefährdungspotenzial aus und hat die UKS verschiedentlich bejaht. Urteil U 469/06 vom 26. Juli 2007: ein Fussballspieler hat sich bei der Schussabgabe eine Adduktorenzerrung zugezogen. Urteil 8C.532/2007 vom 9.6.2008 während eines Netzball-Turniers hat eine Spielerin einen Ball gefangen. Ihr Gleichgewicht, welches durch die Wucht des Balles gestört war, durfte sie aufgrund der Spielregeln nicht durch einen natürlichen, spontanen Bewegungsablauf, sondern lediglich durch einen einzigen Schritt wiederherstellen. Dabei schoss ein Schmerz ein, welcher sich nachträglich als Symptom einer Teilruptur der Achillessehne erwies. Dieses Geschehnis weist ein besonderes Gefährdungspotenzial auf; damit ist das Vorliegen eines unfallähnlichen Ereignisses zu bejahen. Hingegen wird im Urteil 8C_74/2004 vom 7.November 2007 ein einschiessender Schmerz im Knie bei Kraftübungen mit dem Theraband als nicht mit einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage in Verbindung gebracht und die diagnostizierte Innenbandzerrung nicht als UKS anerkannt.

Berufskrankheit

Listenfälle: Nach Art. 9 Abs. 1 UVG gelten jene Krankheiten (Art 3 ATSG) als Berufskrankheiten, die ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten bei der beruflichen Tätigkeit verursacht worden sind. Die Liste dieser Krankheiten ist in Anhang 1 zu Art. 14 UVV zu finden. Der Verursachungsanteil der beruflichen Tätigkeit im Ursachenspektrum der Erkrankung muss also mehr als 50% betragen.

Berufskrankheiten ausserhalb der Liste: Da die Liste von Anhang 1 nicht Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, hat das Gesetz eine «Generalklausel» geschaffen, welche andere Erkrankungen miteinbezieht, die nachweisbar ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind (Art. 9 Abs. 2 UVG). Für alle Krankheiten, die nicht in der Liste aufgeführt sind, wird ein beruflicher Verursachungsanteil von mehr als 75% verlangt, bis sie als Berufskrankheit anerkannt werden.

Die Begriffe „Unfall, Unfallähnliche Körperschädigung und Berufskrankheit“ sind rein juristische Begriffe, d.h. nicht der Arzt entscheidet, ob eine der drei möglichen Voraussetzungen zur Übernahme der Leistungen durch den UVG-Versicherer vorliegen, sondern einzig und allein die Administration oder der Richter.

Wichtige Begriffe

Kausalzusammenhang und Beweisgrad

Die Unfallversicherung ist nach dem UVG eine kausale Versicherung. Die Leistungspflicht des Versicherers setzt voraus, dass zwischen dem Unfallereignis, der UKS oder der beruflichen Tätigkeit und dem eingetretenen Schaden ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Der Nachweis muss nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit aktenkundig sein, d.h., die positiven Indizien müssen in der Indizienbilanz eindeutig überwiegen. Die blosse Möglichkeit genügt nicht.

Leistungspflicht/Terminierung

Eine Leistungspflicht des Unfallversicherers besteht für alleinige Folgen eines Unfalles, einer UKS oder einer Berufskrankheit. Daraus ergibt sich, dass Versicherungsleistungen dann terminiert werden, wenn die Folgen eines Unfalls, einer UKS oder einer Berufskrankheit beim Betroffenen keine kausale Rolle mehr spielen.

Status quo ante

Beschreibt zum Terminierungszeitpunkt denjenigen Zustand, wie er vor dem Unfall, der UKS oder der Berufskrankheit bestanden hat; die Leistungspflicht des Unfallversicherers erlischt.

Status quo sine

Beschreibt zum Terminierungszeitpunkt denjenigen Zustand, wie er auch ohne Unfall, UKS oder Berufskrankheit als Folge eines schicksalsmässigen Verlaufes einer vorbestehenden Krankheit bestehen würde; die Leistungspflicht des Unfallversicherers erlischt.

Dauernde oder richtunggebende Verschlimmerung

Das vorbestandene Grundleiden kann durch einen Unfall, eine UKS oder eine Berufskrankheit auch eine dauernde Verschlimmerung erleiden, indem der Status quo ante oder Status quo sine nie erreicht wird. Man spricht von einer richtunggebenden Verschlimmerung, wenn das vorbestandene Leiden durch den Unfall früher zur Entwicklung gebracht bzw. in seinem zeitlichen Ablauf beschleunigt oder erst in ein bleibend schmerzhaftes Stadium gebracht worden ist.

Rehabilitation und Reintegration

Rehabilitations und Reintegrationsmassnahmen – wenn immer möglich begleitet von beruflichen Wiedereingliederungsmassnahmen – sind einzuleiten, sobald es der Einzelfall erfordert.. Die Versicherer haben in den letzten Jahren die Rehabilitations- und Reintegrationsmassnehmen durch Auf- und Ausbau von Case Management stark gefördert.

Invalidität und Invalidenrente

Als invalid gilt, wer voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist (Art. 8 ATSG). Massgeblich für die Bestimmung des Invaliditätsgrades ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit, also eine wirtschaftliche Grösse. Die Rentenfestsetzung liegt ausschliesslich im Kompetenzbereich des Versicherers. Die Rolle des Arztes beschränkt sich auf die Beurteilung der unfallkausalen Dauerschäden und der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen. Das Verhältnis zwischen IV und UVG-Versicherung wird administrativ geregelt.

Integritätsentschädigung

Nach Art. 24 Abs. 1 UVG hat jeder Versicherte, der durch einen Unfall, eine UKS oder eine Berufskrankheit eine dauernde und erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität erleidet, Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung. Diese dient der Kompensation für immaterielle Nachteile. Sie wird unabhängig von Beruf, Alter und Geschlecht und einheitlich nach gewissen Defekten bestimmt, hat also einen abstrakt-egalitären Charakter und wird am Ende der Behandlung als einmalige Kapitalzahlung gewährt. Die Beurteilung des Integritätsschadens liegt in der Kompetenz des medizinischen Experten.

Für die Bemessung der Integritätsentschädigung gelten die Richtlinien des im Anhang 3 UVV aufgestellten Grobrasters. Für eine feinere Einschätzung werden die von der Suva erarbeiteten Tabellen angewendet. Beim Zusammentreffen mehrerer Schäden würde eine einfache Addition unter Umständen 100% übersteigen. Der Gesamtschaden muss deshalb durch Quervergleich mit anderen Positionen nach Anhang 3 UVV geschätzt werden. Dabei wird eine Nettoschätzung verlangt, d.h., unfallfremde Schäden sowie Entschädigungen, die schon für einen anderen Unfall bezogen worden sind, werden prozentual abgezogen.Die Bestimmung des Integritätsschadens kann auch mittels Berechnungsinstrument (IE-Wizard) auf der Webseite der Swiss Insurance Medicine vorgenommen werden.

Gemäss Bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt eine Endoprothese als Hilfsmittel (vgl. U 56/05). Letztere müssen bei der Schätzung des Integritätsschadens weggedacht werden. Somit muss also bei einer posttraumatischen Arthrose der Zustand direkt vor der Implantation der Prothese als Ausgang für die Berechnung des Integritätsschadens berücksichtigt werden.Die SUVA hat am 1. Juli 2005 eine neue Verwaltungspraxis in Bezug auf Versicherte eingeführt, die während ihres Berufslebens mit Asbest in Kontakt gekommen und infolge dessen an Krebs erkrankt sind (vgl. U 257/04]). Sie zahlt Versicherten 6 Monate nach Ausbruch der Krankheit im Sinne eines Vorschusses eine Integritätsentschädigung von 40 % aus. Wenn ein Asbestopfer nach Ausbruch der Krankheit zwei Jahre gelebt hat, wird die zweite Tranche von 40 % ausgerichtet. Stirbt die versicherte Person vor Ablauf dieser zwei Jahre, wird der gewährte Vorschuss nicht zurückverlangt. Diese Praxis ist anwendbar auf alle Fälle, in denen die Krankheit nach dem 1. Juli 2005 ausbricht. Ausserdem findet sie Anwendung, wenn die Krankheit zwar vor diesem Datum entdeckt wird, der Versicherte aber am 1. Juli 2005 noch am Leben war.

Rückfälle und Spätfolgen

Nach Art. 21 Abs. 1 lit. b UVG und Art. 11 UVV werden Versicherungsleistungen auch für Rückfälle und Spätfolgen gewährt. Mit Rückfall wird ein Wiederaufflackern vermeintlich geheilter Unfallfolgen bezeichnet. Von Spätfolgen spricht man, wenn scheinbar geheilte Unfallfolgen nach längerer Zeit organische Veränderungen bewirken, die zu einem oft anders gearteten Beschwerdebild führen (z.B. Sekundärarthrosen nach intraartikulären Frakturen). Die Aufgabe des beratenden Arztes besteht darin, zu beurteilen, ob es sich bei den erneut angegebenen Beschwerden wirklich um Unfallfolgen handelt, d.h., ob überhaupt ein natürlicher Kausalzusammenhang zum primären Unfallereignis besteht. Hingegen ist die Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges eine rein juristische Angelegenheit.

Medizinische Beratung und Unfallversicherung nach UVG

Medizinischer Dienst des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV)

Die im UVG-Bereich tätigen privaten Versicherungsgesellschaften haben nur zu einem kleinen Teil versicherungsinterne beratende Ärzte. Mehrheitlich übertragen sie ihre medizinischen Beratungsmandate an frei praktizierende oder Spital-Ärzte. Der Chefarzt des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) pflegt den Kontakt unter diesen Ärzten durch regelmässige Fortbildung in versicherungsmedizinischen Belangen.

Medizinischer Dienst der Suva

Der vom Chefarzt der Suva geleitete Medizinische Dienst umfasst die medizinischen Experten der Versicherungsmedizin am Hauptsitz in Luzern und die Kreisärzte in den Agenturen. Die Abteilung Arbeitsmedizin der Suva ist zuständig für die Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen gemäss der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten nach Art. 70ff (VUV). Sie trifft die Nichteignungsverfügungen für alle UVG-Versicherer.

Ärztliche Beratung

Die Aufgabe des ärztlichen Beraters einer Versicherung variiert je nach Phase der administrativen Bearbeitung des Schadenfalls, und zwar überprüft er:

In der Initialphase:

  • die Diagnose;
  • den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und einem Unfall, einer UKS oder einer Berufskrankheit.

Während des Verlaufs:

  • die Zweckmässigkeit, Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Behandlung;
  • die Arbeitsunfähigkeit;
  • die Notwendigkeit von Rehabilitations- und Wiedereingliederungsmassnahmen;
  • die Notwendigkeit, einen Spezialisten oder einen Experten beizuziehen;
  • den Zeitpunkt, in dem der Fall abgeschlossen werden kann.

Beim Abschluss des Falls äussert sich der beratende Arzt über:

  • die Dauerschäden;
  • die Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen;
  • den Integritätsschaden.

Literaturhinweise und Quellen

  • Wegleitung zur obligatorischen Unfallversicherung der Schweizer Privatversicherer; 3. Vollständig überarbeitet Auflage Juni 2004
  • Wegleitung der Suva durch die Unfallversicherung; 9. Überarbeitete Auflage Januar 2007
  • Gutzwiller F., Paccaud F.; Sozial- und Präventivmedizin Public Health; 3. Vollständig überarbeitet Auflage, Hub er Verlag 2007
  • Meine J., Burri P.; Leitfaden UVG für beratende Ärzte und Versicherungsfachleute; 2. Überarbeitet und ergänzte Auflage, SVV 1998
  • Schweizerisches Bundesgericht (http://www.bger.ch)
  • Schweizerischer Versicherungsverband (http://www.svv.ch)
  • Suva (http://www.suva.ch)
  • Swiss Insurance Medicine (http://www.swiss-insurance-medicine.ch)

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Fragen, Anregungen

Haben Sie Fragen, Bemerkungen oder Anregungen zur Gestaltung unserer Homepage?

Teilen Sie uns das doch bitte mit und kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle.

Geschäftsstelle

SGV
c/o MBC Markus Bonelli Consulting
Rudolf Diesel-Strasse 5
8404 Winterthur

Tel. 052 226 06 03
Fax 052 226 06 04

Email info@vertrauensaerzte.ch