Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Beweiswürdigung

Das Bundesgericht hat zum Stellenwert von medizinischen Beurteilungen folgende Leitlinien entwickelt (BGE 125 V 351 E. 3a.):

  • Von den in Gerichtsgutachten geäusserten Einschätzungen weicht das Gericht nicht ohne zwingende Gründe ab; ein Grund zum Abweichen kann vorliegen, wenn das Gerichtsgutachten widersprüchlich ist oder ein weiteres Gerichtsgutachten zu überzeugenden anderen Schlussfolgerungen gelangt.
  • Vom Versicherer eingeholte externe Gutachten haben volle Beweiskraft, solange nicht konkrete Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit sprechen.
  • Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit versicherungsinterner ärztlicher Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 135 V 465 E. 4.4.).
  • Bei Berichten von behandelnden Ärztinnen und Ärzten darf und soll das Gericht der Erfahrungstatsache Rechnung tragen, dass diese mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 135 V 465 E. 4.5.).
  • Der Umstand allein, dass eine Partei eine ärztliche Stellungnahme eingeholt und in das Verfahren eingebracht hat (Parteigutachten), rechtfertigt nicht schon Zweifel an deren Beweiswert (BGE 125 V 351 3b/dd.).

Das Gutachten als kommunikative Schnittstelle zwischen Medizin und Rechtsanwendung ist anfällig auf Störgeräusche. Deshalb sei abschliessend auf einige Punkte hingewiesen, die erfahrungsgemäss immer wieder zu Missverständnissen Anlass geben können und in die Beweiswürdigung einbezogen werden.

  • Versicherungsleistungen, namentlich Renten, werden nicht ärztlich verschrieben; sie werden dann zugesprochen, wenn aufgrund der massgebenden rechtlichen Bestimmungen ein Anspruch besteht. Dementsprechend ist die Äusserung zu Rechtsfragen, also auch darüber, welche Ansprüche einer versicherten Person zustehen, keine medizinische Aufgabe. Passagen wie „scheint mir eine ganze Rente indiziert“ oder „x % Arbeitsunfähigkeit bei halber Berentung“ mindern die Beweistauglichkeit einer ärztlichen Stellungnahme empfindlich.
  • Wenn Versicherungsleistungen strittig sind, gehört es nicht zur medizinischen Beurteilung, salomonische Lösungsvorschläge zu machen. Das schliesst nicht aus, dass im Rahmen der Rechtsanwendung - gestützt auf lege artis erstattete medizinische Gutachten - Lösungen gesucht und gefunden werden, die den gesetzlichen Rahmen respektieren und den Interessen der Beteiligten gerecht werden.
  • Es gibt in der Sozialversicherung keinen Grundsatz „in dubio pro assecurato“. Wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrschein­lichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 138 V 218 E. 6.), tragen beide Parteien, versicherte Person und Versicherung in der Regel insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte (BGE 117 V 261 E. 3b.).

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Fragen, Anregungen

Haben Sie Fragen, Bemerkungen oder Anregungen zur Gestaltung unserer Homepage?

Teilen Sie uns das doch bitte mit und kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle.

Geschäftsstelle

SGV
c/o MBC Markus Bonelli Consulting
Rudolf Diesel-Strasse 5
8404 Winterthur

Tel. 052 226 06 03
Fax 052 226 06 04

Email info@vertrauensaerzte.ch