Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Vertrauensärzte und Datenschutz

Empfehlungen SGV

Ist der VA Vertrauensarzt oder Datenschützer?

Die Problematik des Datenschutzes im allgemeinen spielt in den letzten Jahren eine zunehmende Rolle in verschiedenen Gebieten unseres alltäglichen Lebens.

Das zunehmende Spannungsfeld hat die schweizerische Gesellschaft der Vertrauensärzte( SGV/SSMC) bewogen, eine eigene Arbeitsgruppe einzusetzen, welche versuchen soll, im Dschungel der Meinungen und Paragraphen Empfehlungen zu erarbeiten, welche die tägliche Arbeit der Vertrauensärzte erleichtern sollen.

Die Arbeitsgruppe umfasste Dr. med. Heinz Burger, Dr. med. Rudolf Häuptle, Dr. med. Peter Ryser und mich. Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass ein juristisches Gewissen notwendig ist, um die Arbeitsgruppe zu begleiten und zu beraten. In der Person von Herrn lic. iur. Jorge Castells, konnte ein kompetentes, dynamisches "juristisches Gewissen" zur Mitarbeit gewonnen werden. Mein Dank gilt besonders auch Herrn Markus Bonelli, der die Arbeitsgruppe administrativ perfekt begleitete. Danken möchte ich auch Herrn Dr. med. Beat Seiler, der zu Handen unserer Arbeitsgruppe die Grundlagen für die Arbeit des Vertrauensarztes fundiert und prägnant zusammenfasste. Zitat:

Der Gesetzgeber hat dem Vertrauensarzt die Aufgabe zugeteilt, den Krankenversicherer bei der Abklärung von WZW medizinisch fachlich zu unterstützen und die Persönlichkeitsrechte des Versicherten im Rahmen der Vergütungsabklärung zu schützen.

Mit der Institution des Vertrauensarztes im KVG soll einerseits der Leistungserbringer aufgrund Art. 57, Abs. 4 KVG von seiner beruflichen Schweigepflicht entbunden und andererseits die versicherte Person durch Art. 57, Abs. 7 KVG in ihrem Persönlichkeitsrecht geschützt werden. Durch die Verpflichtung jedes Versicherers, einen vertrauensärztlichen Dienst zu haben, soll die Qualität der medizinischen Beurteilung gesichert werden. Absicht des Gesetzgebers ist, dass in allen medizinischen Fragen, welche der Krankenversicherer nicht ohne ärztliche Hilfe beantworten kann, der Versicherer einen Arzt beizieht, welcher die Voraussetzungen des KVG an die Person des Vertrauensarztes erfüllt.

Die Funktion des Vertrauensarztes ist grundsätzlich nicht austauschbar. Supportfunktionen und Aufgabendelegationen sind nur innerhalb eines vertrauensärztlichen Dienstes mit Hilfe von kasseninternen Hilfspersonen (vgl. VA-Vertrag) und externen, ärztlichen Fachspezialisten möglich (vgl. BGE-Urteil 1A 190/2004, 1a 191/2004). Damit steht der Datenumgang des Vertrauensarztes in engem Bezug zu seinem Aufgabenbereich und hier insbesondere zur gesetzlichen Aufgabenteilung zwischen Vertrauensärztlichem Dienst und Krankenversicherer. Dreh- und Angelpunkt bei der Informationsweiterleitung sind neben Datenschutzprinzipien wie das Legalitätsprinzip und das Prinzip von Treu und Glauben (=Transparenz) die Einschätzung im Einzelfall, ob die weitergereichten medizinischen Informationen für den Krankenversicherer notwendig sind, damit er seine gesetzliche Aufgabe wahrnehmen kann (Prinzip der Erforderlichkeit und Zweckbindung). Die Einsicht in vertrauensärztliche Dokumente hat diese Rechtskriterien zu berücksichtigen." (Zitatende)

Die Mehrzahl der Krankenversicherer ist in der Krankenpflege-Grundversicherung (OKPV) wie den dazugehörigen Heilungskosten-Zusatzversicherungen (ZV) tätig. Es galt also unter anderem zu klären, wie die Frage des Datenschutzes und die Stellung des Vertrauensarztes bzw. des beratenden Arztes in beiden Rechtsformen interpretiert wird (KVG und VVG). Die Vertrauensärzte haben da oft beide Hüte an. Der zentrale Punkt bleibt der Patientenschutz. Den Datenschutz als ganzes zu ordnen war nicht unser Ziel. Vielmehr geht es um eine praktische Empfehlung für die Vertrauensärzte der Krankenversicherer. Die Dinge sind hier im Fluss. Falls nötig, wird die Arbeitsgruppe bei allfälligen Anpassungen erneut aktiv.

Ich bedanke mich bei allen für Ihre Mitarbeit.

Dr. med. Beat Zaslawski
Leiter der Arbeitsgruppe im Auftrag des Vorstandes der SGV
Dezember 2007

Datenschutz im KVG

1. Organisatorisches

  1. Der vertrauensärztliche Dienst (VAD) setzt sich zusammen aus dem Vertrauensarzt und den autorisierten Fachpersonen (Hilfspersonen gemäss Art. 6 des VA-Vertrages vom 14. Dezember 2001). Hilfspersonen sind Angestellte des Versicherers, welche den Vertrauensarzt in seiner Beratungstätigkeit unterstützen. Die Anzahl dieser Hilfspersonen muss angemessen und in einem vernünftigen Verhältnis zur Anzahl der Versicherten sowie der organisatorischen Struktur des jeweiligen Versicherers sein bzw. stehen
  2. Der Vertrauensarzt trägt die Verantwortung für die Auswahl, die Instruktion und Überwachung der Hilfspersonen in Bezug auf die VA-Tätigkeit. Zu empfehlen ist, dies vertraglich mit den jeweiligen Hilfspersonen des Versicherers und dem Versicherer zu regeln (Muster siehe Anhang 1)
  3. Die Hilfspersonen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie die an den VAD adressierte Post öffnen und nach Anweisung des Vertrauensarztes bearbeiten (klassifizieren, triagieren usw.) dürfen. Zu empfehlen ist, dass der Vertrauensarzt die Einzelheiten in Pflichtenheften regelt
  4. Der Versicherer seinerseits ist dazu zu verpflichten, die an den Vertrauensarzt bzw. VAD adressierte Post ausschliesslich durch die vom Vertrauensarzt autorisierten Hilfspersonen öffnen und bearbeiten zu lassen. Er sorgt dafür, dass Personendaten vor dem Zugriff durch nicht autorisierte Personen geschützt sind. Falls die Hilfspersonen nur teilweise für den VA tätig sind, dürfen ihre anderen Tätigkeiten nicht zu Interessenskonflikten führen
  5. Der VAD ist räumlich von den Bereichen der Verwaltung des Versicherers zu trennen
  6. Der Zugriff auf Akten des VAD darf nur durch Personen aus dem VAD erfolgen. Dies gilt auch für elektronische Daten
  7. Der VAD ist als Stabsstelle in die Organisation des Versicherers einzubinden (beispielsweise keine Unterstellung unter den Leistungsbereich)

2. Datenfluss hin zum VAD

  1. Die ausdrücklich an den Vertrauensarzt bzw. VAD adressierte Post muss diesem via separaten Briefkasten oder Postfach zugestellt werden können. Das Öffnen dieser VA-Post erfolgt allein durch den VAD
  2. Von der Verwaltung direkt angeforderte Daten, auch medizinische Daten, welche nicht an den Vertrauensarzt bzw. VAD adressiert sind, obliegen vollumfänglich der Behandlung durch die Verwaltung, die dafür die datenschutzrechtliche Verantwortung trägt
  3. Zu empfehlen ist, dass medizinische Daten zu Handen des Vertrauensarztes, die zur Bearbeitung des Falles notwendig sind, von der Verwaltung nur nach vorgängiger Empfehlung des Vertrauensarztes einzufordern sind, mit einem an den Vertrauensarzt bzw. VAD adressierten Antwortcouvert

3. Datenfluss vom VAD zur Verwaltung

  1. Der VAD hat gegenüber der Verwaltung in Bezug auf medizinische Daten eine Filterfunktion. Der VA hat dabei der Verwaltung nur diejenigen medizinischen Daten weiter zu geben, welche diese für die Bearbeitung und Entscheidung benötigt und innerhalb der Verwaltung nur derjenigen Person, welche für die Bearbeitung und Entscheidung zuständig ist
  2. Alle medizinischen Daten sind grundsätzlich besonders schützenswert. Soweit die Verwaltung für die Beurteilung der Leistungspflicht medizinische Daten benötigt, hat sie Anrecht darauf. Die Filterfunktion des VA spielt hier eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei sehr ausführlichen Berichten, sozialen und nicht fallbezogenen Angaben, psychiatrischen Gutachten oder Fotos, wobei der Vertrauensarzt das Ausmass der notwendigen Informationen bestimmt. Damit wird sichergestellt, dass nur die sachbezogenen Daten der zuständigen Sachbearbeitung der Verwaltung zugestellt werden

4. Akteneinsichtsrecht

  1. Den Versicherten steht von Gesetzes wegen ein Akteneinsichtsrecht zu. Zu empfehlen ist, den Versicherten für die vom Vertrauensarzt angeforderten Berichte direkt an den jeweiligen Leistungserbringer zu verweisen

5. Aufbewahrungspflicht

  1. Die Akten sind 10 Jahre aufzubewahren, sofern sich aus dem Inhalt keine längere Dauer ergibt, und danach derart zu entsorgen, dass keinerlei unbefugte Dritte darauf Zugriff haben. Die vollständige Entsorgung und Vernichtung ist dem VAD schriftlich zu bestätigen

6. Umgang mit Wissensdatenbanken

  1. Erstellt der VAD Fallsammlungen, die für spätere Beurteilungen gleichartiger Anfragen verwendet werden (Wissensdatenbanken), ist der Zugriff an autorisierte Personen passwortgeschützt zu regeln oder eine Weitergabe an andere Personen nur in anonymisierter Form zu ermöglichen. Solche Fallsammlungen (Wissensdatenbanken) sind eventuell auch ergänzt durch zusätzliche themenbezogene, versicherungsmedizinisch relevante Informationen wie beispielsweise Gerichtsurteile oder wissenschaftliche Studien.

7. Beratende medizinische Tätigkeit bei Zusatzversicherungen zur OKPV

  1. Die Bearbeitung von in ZV eingeholten medizinischen Informationen muss durch eine Bevollmächtigung des Versicherten autorisiert werden (Antragsformular oder Schadenmeldung)). Auf dem Antragsformular oder der Schadenmeldung ist die mögliche Verwendung der Daten klar zu umschreiben. Die beratende medizinische Tätigkeit ist im Gegensatz zur OKPV nicht besonders geregelt. Namentlich fehlen in den ZV die im KVG umschriebenen Rechte und Pflichten des VA. Es gelten deshalb die allgemeinen Datenschutzbestimmungen. Es ist Pflicht des Versicherers, den Datenfluss und -zugriff auch im ZV-Bereich zu regeln.

8. Beizug von OKPV-Daten in der Beurteilung von dazugehörigen ZV-Fragen und umgekehrt

  1. Soweit ein Versicherter beim gleichen Versicherer sowohl für die OKPV wie für die ZV versichert ist, dürfen Akten der OKPV für die Beurteilung von Fragen in den ZV verwendet werden. Zu Berücksichtigen ist dabei auch der Umstand, dass oft Nichtpflichtleistungen in der OKPV in den Leistungsrahmen von ZV fallen (siehe auch 9.1).

9. Besonderheiten der beratenden medizinischen Tätigkeit im Bereich "Heilungskosten"

  1. Aufgrund der ergänzenden Funktion der Zusatzversicherungen zur OKPV besteht zwischen der OKPV und den ZV im Bereich "Heilungskosten" eine äusserst enge Beziehung. Ein Auftrennen der beratenden medizinischen Tätigkeit, wie sie der EDÖB im Bericht vom 17.04.07 postuliert, ist in den Augen der Arbeitsgruppe deshalb nicht praktikabel und im Vollzug nicht versichertengerecht. Der Versicherte empfindet zum Beispiel seinen Spitalaufenthalt als eine Sache, auch wenn er zusatzversichert ist und somit zwei verschiedenartige Versicherungen zum Tragen kommen. Hier zwei unabhängige Entscheidungswege zu eröffnen, ist unpraktisch und kann für den Versicherten zum Problem führen, wenn in der OKPV und in der ZV nicht kohärent entschieden wird. Eine besondere Eigenheit ist, dass viele Leistungsfragen im Heilungskostenbereich zudem nicht von Beginn weg der OKPV oder der ZV zugeordnet werden können.
  2. Bei dieser beratenden medizinischen Tätigkeit, bei welcher häufig Mischsachverhalte zu beurteilen sind, das heisst Fragen, welche die OKPV und gleichzeitig eine oder mehrere ZV im Bereich der Heilungskosten betreffen, empfiehlt die Arbeitsgruppe eine gleiche Handhabung der medizinischen Daten in den ZV wie sie in der OKPV geregelt ist.

10. Besonderheiten der beratenden medizinischen Tätigkeit im Bereich "Taggelder"

  1. In der freiwilligen Taggeldversicherung nach KVG gilt der Datenschutz nach KVG
  2. In der Taggeldversicherung nach VVG (häufig in kollektiver Form durch Unternehmen) gelten die allgemeinen Datenschutzbstimmungen. Da aus Sicht der Arbeitsgruppe, anders als im Heilungskostenbereich, keine enge Beziehung zwischen OKPV und den Taggelversicherungen nach VVG besteht, ist ein Auftrennen der beratenden medizinischen Tätigkeit durchaus möglich und soll dem Versicherer überlassen werden.

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