Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

SGV Manual

Was gilt es im Einzelfall bezüglich Magistralrezepturen und patientenspezifischen Präparaten zu berücksichtigen?

Autor: Dr. pharm. Eduard Brunner

November 2023

Namens der Manualgruppe, Reviewer: Christian Schmidts

Was gilt es im Einzelfall bezüglich Magistralrezepturen und patientenspezifischen Präparaten zu berücksichtigen?

Was sind Magistralrezepturen?

Patientenspezifische Präparate

Es handelt sich um eine Alternative zu Handelspräparaten, wenn spezielle Bedürfnisse (zum Beispiel Kinderdosierung) vorliegen, oder wenn eine bestimmte Rezeptur/Galenik im Handel nicht verfügbar ist.

Wenn der Wirkstoff in der Arzneimittelliste mit Tarif aufgeführt ist, besteht bei entsprechender ärztlicher Verordnung Leistungspflicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Indikationen sind in der Regel nicht vorgeschrieben, jedoch sind einige Ausgangsstoffe der Arzneimittelliste mit Tarif entsprechend limitiert (siehe zum Beispiel Acidum ascorbicum Ph. Eur oder Midazolamum hydrochloridum DAC). Die Limitationen der Arzneimittelliste mit Tarif sind einzuhalten.

Welche Spezialfälle kommen vor?

a)Praescriptiones Magistrales-Wirkstoff ist nicht in der Arzneimittelliste mit Tarif, aber in der Spezialitätenliste und Praescriptiones Magistrales wird in der gleichen Indikation eingesetzt wie das Spezialitäten-Arzneimittel

Leistungspflicht aus obligatorischen Krankenpflegeversicherung, wenn es keine konfektionierte Galenik und /oder Dosis gibt und aus medizinischen Gründen keine anderen wirkstoffgleichen oder gleich indizierten Spezialitätenliste -Arzneimittel eingesetzt werden können. Für die Rezeptur gelten die gleichen Indikationen, Dosierungen und Vorgaben gemäss Swissmedic-Fachinformation sowie Limitierungen gemäss Spezialitätenliste wie beim nicht zur Verfügung stehenden Spezialitätenliste -Arzneimittel, für welches die Rezeptur als Ersatz hergestellt wird. Davon ausgenommen sind Indikations- oder Limitierungseinschränkungen bezüglich Alter und Dosierungen.

Beispiel Quetiapin: tiefere Dosierung als bei Fertigarzneimittel notwendig und Tabletten wegen Lackierung nicht teilbar; Kinderdosierungen.

b)Praescriptiones Magistrales -Wirkstoff nicht in der Arzneimittelliste mit Tarif, aber in der Spezialitätenliste und Praescriptiones Magistrales wird in einer anderen Indikation eingesetzt als das Spezialitätenliste -ArzneimittelIn dieser Situation können die Bedingungen nach Art. 71b Krankenversicherungsverordnung erfüllt sein. 
Beispiel: Ketamin-Nasenspray - Anwendung in der Palliativmedizin, falls die Eingangsbedingungen in Art. 71 erfüllt sind.
c)Praescriptiones Magistrales -Wirkstoff mit Limitierung in der Arzneimittelliste mit Tarif und Praescriptiones Magistrales in einer Indikation ausserhalb der LimitierungIn dieser Situation können die Bedingungen nach Art. 71b Krankenversicherungsverordnung erfüllt sein. 
Beispiel: Midazolam-Nasenspray – Anwendung nicht vor Eingriffen in der Pädiatrie oder zur Behandlung des Status epilepticus, zum Beispiel in der Palliativmedizin für die Kurzzeittherapie von Schlafstörungen (zugelassene Indikation) falls die Eingangsbedingungen in Art. 71 erfüllt sind.
d)Praescriptiones Magistrales -Wirkstoff nicht in der Arzneimittelliste mit Tarif, Listung in Liste pharmazeutischer Präparate mit spezieller Verwendung

Grundsätzlich keine Kostenübernahme aus obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

Beispiel: Magistralrezeptur für Minoxidil® (oder 6-Piperidino-2,4-pyrimidin-diamin-3-oxid-Lösung 2%).

Allenfalls ist eine freiwillige Kostenübernahme aus der Zusatzversicherung (Zusatzbedingungen, Kulanz) möglich.

 

Wie werden patientenspezifische Präparate beurteilt?

Praescriptiones Magistrales -Wirkstoff nicht in der Arzneimittelliste mit Tarif, vereinfacht zugelassen: Patientenspezifische Präparate als nichtstandardisierbare ArzneimittelWie werden patientenspezifische Präparate beurteilt?

Neue heilmittelrechtliche Klassifizierung von patientenspezifischen Präparaten als nichtstandardisierbare Arzneimittel (Link Swissmedicsite)

In den letzten Jahren sind zunehmend neue Therapiekonzepte mit Produkten entwickelt worden, welche aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer biologischen Charakteristiken nicht wie industriell hergestellte Arzneimittel standardisiert sind, sondern als patientenspezifische Präparate hergestellt werden. Häufig werden dazu auch körpereigene Substanzen der Patientinnen oder Patienten, bzw. des Tieres, zu einem Produkt verarbeitet und die daraus hergestellten Präparate anschliessend an der gleichen Person oder an einer kleinen Anzahl Patientinnen und Patienten eingesetzt. 

Mit der Revision des Heilmittelgesetzes auf Anfang 2019 weitete der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Einstufung von Präparaten als nichtstandardisierbare Arzneimittel aus. Daher ist es nun möglich, gewisse patientenspezifische Präparate heilmittelrechtlich neu als nichtstandardisierbare Arzneimittel nach Art. 9 Absatz 2 Buchstabe e Heilmittelgesetz zu klassifizieren.

Aktuell (11/2023) sind dies:

  • Labile Blutprodukte, wie Erythrozytenkonzentrate, Plasma zur Transfusion, Thrombozytenkonzentrate (Erythrozytenkonzentrat, leukozytendepletiert, in additiver Lösung, Rh-Kell phänotypisiert)
  • Plasma (frisch gefroren), leukozytendepletiert, quarantänegelagert oder pathogeninaktiviert: Sind in der Arzneimittelliste mit Tarif aufgeführt mit entsprechenden Fabrikabgabepreisen)
  • Serum-Augentropfen
  • Organzellextrakte tierischen Ursprungs
  • Fäkal-Mikrobiom-Präparate (eines oder einiger gesunder Spender für vordefinierte Patienten)
  • Plättchenreiches Plasma (PRP)
  • Plättchenreiches Fibrinogen
  • Orthokin®
  • (Bestandesspezifische Tier-Autovakzine)

Wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 71b Krankenversicherungsverordnung erfüllt sind, kann die Kostenübernahme, gemäss Grundsatzentscheid Bundesgericht, aus der OKP erfolgen.

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