Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

7 Rechtliche Aspekte

Update, 3. Auflage, Dezember 08

Einleitung

Als eine Art lebende Schnittstelle zwischen Medizin und Krankenversicherung muss der Vertrauensarzt über gewisse Rechtskenntnisse verfügen. Da er ein häufiger Ansprechpartner des Juristen seines Versicherers ist, muss er medizinische Gutachten abgeben, dabei aber die rechtlichen Realitäten im Auge behalten.

In pragmatischer Absicht definieren wir in diesem Kapitel einige gängige juristische Begriffe und erwähnen die einschlägige Rechtsprechung in Sachen Sozialversicherungen des Bundesgerichts (BGer, bis Ende 2006 Eidgenössisches Versicherungsgericht EVG) in Sachen Sozialversicherungen aufzuführen.

Abgesehen vom Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) (siehe unten 7.2) wird der Bereich der sozialen Krankenversicherung hauptsächlich durch drei Erlasse und die sich daraus ergebenden gerichtlichen Auslegungen geregelt:

  • Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG);
  • Verordnung des Bundesrates über die Krankenversicherung vom 27. Juni l995 (KVV);
  • Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995 (KLV)
  • Rechtsprechung der kantonalen Gerichte und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts.

Gemäss den Rechtsgrundsätzen sind die Verordnungen dazu bestimmt, die im Gesetz dargelegten Regelungen zu erläutern und in die Praxis umzusetzen, ohne je in Widerspruch zum Gesetz zu geraten. Die Beschreibung ihrer Regelungskompetenz finden die Verfasser von Verordnungen also im Gesetz selbst. Die Rechtsprechung erlaubt, Streitigkeiten zu entscheiden, falls die bestehenden Texte unterschiedlich interpretiert werden, Lücken in den Gesetzeserlassen zu schliessen oder im Falle einer neu auftretenden Situation zu entscheiden.

Koordination der Sozialversicherungen durch das ATSG

Das Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 wurde im Bestreben der Vereinheitlichung der Materie konzipiert: Jedes Sozialversicherungsgesetz enthält bestimmte Regelungen, die nur darin enthalten sind, aber auch solche, die sich in praktisch identischer Form auch auf anderen Versicherungsgebieten wiederfinden. Das ATSG hat zum Ziel, diesen gemeinsamen Bestand in einem besonderen Gesetz zu vereinigen, das man unter Beschränkung auf die Bestimmungen betreffend die Vertrauensärzte in groben Zügen wie folgt beschreiben kann:

Betroffene Sozialversicherungen

Vom Anwendungsbereich des ATS sind alle Sozialversicherungen betroffen, mit einer wichtigen Ausnahme: der beruflichen Vorsorge (2. Säule, BVG).

Einheit …

Wenn ein Versicherter seine Rechte geltend machen will, kann er eine schriftliche Verfügung beantragen, die er auf dem Einspracheweg und, falls die Meinungsverschiedenheit weiterbesteht, vor den Versicherungsgerichten anfechten kann (Art. 49 ATSG). Es ist anzumerken, dass das Anfechtungsverfahren bei der Invaliditätsversicherung einen anderen Ablauf hat: Es gibt hier kein Widerspruchsverfahren. Wer eine Verfügung der IV anfechten möchte, muss unmittelbar an die Gerichte gelangen.

Auf der formellen Ebene stellt das neue Gesetz ferner «Administrativverfahrensregeln» auf, darunter solche über die Schweigepflicht, über die Mitwirkung des Versicherten beim Vollzug sowie über die Auskunftspflicht (Art. 27 ff ATSG).

… in der Vielfalt

Im Sinne des Konsenses, der zum Entwurf des ATSG geführt hat, bemühte man sich jedoch, die Eigenheiten aller Sozialversicherungen zu berücksichtigen. Es wurde also toleriert, dass jedes Sozialversicherungsgesetz Abweichungen von den einheitlichen Regeln des ATSG enthält.

Um das System der Ausnahmen zu veranschaulichen, kann man Art. 42 Abs. 1 KVG betrachten. Das ATSG untersagt dem Versicherten, seine Forderungen gegenüber dem Versicherer an Dritte abzutreten, sogar an den Leistungserbringer, der die Behandlung durchgeführt hat (Art. 22 ATSG). Hingegen schafft das KVG für den Bereich der Krankenversicherung eine Ausnahme vom Grundsatz des ATSG : Der Arzt ist berechtigt, der Versicherung selbst eine Rechnung zu stellen, und dies sogar im System «Tiers garant», wenn der Patient ihm dies genehmigt, indem er für seine Rechnung eine Abtretungserklärung unterzeichnet.

Die Stellung des Vertrauensarztes wird als eigene Instanz des KVG ausschliesslich durch dieses Gesetz, insbesondere Art. 57 KVG, geregelt, da das ATSG für die Beziehungen mit den Leistungserbringern keine Anwendung findet (Art. 1 KVG).

Ebenso stellt das ATSG keine gültige rechtliche Grundlage dar, um einen Anspruch auf eine neue, bisher durch das KVG nicht gewährte Leistung zu begründen.

Einige interessante Bestimmungen

Gutachten (Art. 44 ATSG): Das Gesetz legt den Grundsatz fest, wonach der Versicherte zur Wahl des unabhängigen Experten anzuhören ist, wenn der Versicherer einen solchen mit der Abklärung des Sachverhalts beauftragen muss. (siehe unten 7.9).

Vergleich (Art. 50 ATSG): Von nun an ist es den Krankenversichern erlaubt, mit ihren Versicherten einen Vergleich abzuschliessen, um ihnen bestimmte Leistungen zu gewähren.

Die Möglichkeit für Vergleiche ist auf den Sektor der Leistungen beschränkt und dient nur zur Vereinfachung der Regelung von Fällen, in denen

  • der Sachverhalt unklar ist;
  • der Betrag für die Leistungen bescheiden ist;
  • das Gesetz dem Versicherer einen Beurteilungsspielraum lässt.

Ein Vergleich ist jedoch für Versicherer und Versicherten kein Instrument, um neue, wissenschaftlich umstrittene oder nicht registrierte Leistungen einvernehmlich zu vergüten.

Grundbegriffe

Die soziale Krankenversicherung und die privaten Krankenversicherungen

Die von den anerkannten Versicherern angewendete Krankenversicherung ist in zwei Bereiche unterteilt, die je besonderen Regeln unterliegen ; einerseits die Sozialversicherung (für die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die freiwillige Taggeldversicherung), andererseits die Privatversicherung (für die Zusatzversicherungen wie z.B. für Privatpatienten, Spitalkosten, Komplementärmedizin).

Was die Teilbereiche der sozialen Krankenversicherung betrifft, erfüllen die Krankenversicherer eine öffentlich-rechtliche Funktion, ebenso wie die AHV-/IV-Ausgleichskassen. Sie unterliegen daher gewissen Beschränkungen ihrer Organisations- und Reglementierungsfreiheit. So ist zum Beispiel der Inhalt der Versicherung einheitlich vom Gesetz festgelegt, und es gibt keinen Platz mehr für freiwillige, kommerzielle Leistungen. Die Versicherer können medizinische Behandlungen eines Versicherten nicht auf dem Wege eines Vorbehaltes ausschliessen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gewährleistet eine strenge Überwachung dieser Versicherungszweige.

Auf dem Gebiet der Privatversicherung (Angebot von Zusatzversicherungen) erfreuen sich die Versicherer hingegen in jeder Hinsicht einer viel grösseren Freiheit. Sie sind in derselben Position wie ein Unternehmer und schliessen mit ihren Kunden Verträge zu Bedingungen, die beiden Parteien angemessen erscheinen. Sie können sogar so weit gehen, den Abschluss solcher Verträge zu verweigern oder die Deckung eines Risikos vollständig aus der Versicherung auszuschliessen (Prinzip der Vertragsfreiheit). Ein finanziell gut abgestützter und vom Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) genehmigter Versicherungsplan ist letztendlich die Hauptanforderung, die in diesem System gestellt wird.

Krankheit

Der im Gesetz festgehaltene Krankheitsbetriff ist aus der Praxis des EVG abgeleitet (RSKV 1974, S. 138). Der Begriff Krankheit wurde negativ wie folgt definiert : «Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.»1 Diese Negativdefinition ermöglicht es, Deckungslücken und unangemessene Überschneidungen mit dem Begriff Unfall zu vermeiden. Sie ist ebenfalls strikt genug, um eine Erweiterung auf eine Gesundheitsversicherung zu vermeiden : Es muss eine echte Pathologie gegeben sein ; Leistungen, die einzig auf das Wohlbefinden abzielen, sind nicht gedeckt. Der für die Versicherungen massgebliche Krankheitsbegriff bleibt in Abhängigkeit von der Beeinträchtigung der Gesundheit definiert, ohne jedoch die Krankheit gemäss dem biopsychosozialen Modell einzubeziehen (BGE 127 V 294, BGE I 629/06 vom 6. Juli 2007).

Unfall

Der Begriff Unfall wird definiert als «die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, welche die körperliche und geistige Gesundheit beeinträchtigt»2. Die Definition ist subjektiv, d.h., was bei einer Person als «ungewöhnlich» betrachtet wird, kann bei einer anderen Person gewöhnlich sein; ein typisches Beispiel ist der Umgang mit schweren Lasten.

Unfallähnliche Ereignisse

Vor der Behandlung dieser Sonderfälle wird noch die Situation neben den «unfallähnlichen Körperschädigungen»3 erläutert. Im Bereich der Unfallversicherung hat der Gesetzgeber gemäss dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) entschieden, dass die Deckung einer ganzen Reihe von Ereignissen vom Unfallversicherer und nicht vom Krankenversicherer abgedeckt werden muss, selbst wenn der äussere Faktor, der ihnen zugrunde liegt, nicht als «ungewöhnlich» eingestuft werden kann. Es ging ihm dabei darum, eine Regelung für diejenigen Leiden zu finden, die in der Grauzone zwischen Krankheit und Unfall liegen.

Dafür hat der Gesetzgeber eine abschliessende Liste erstellt:

  • Knochenbrüche;
  • Gelenkverrenkung;
  • Meniskusrisse;
  • Muskelrisse;
  • Muskelzerrungen;
  • Sehnenrisse;
  • Bänderverletzungen;
  • Trommelfellverletzungen.

unmittelbar aufgrund eines erheblichen, objektiven, äusseren Faktors aufgetreten sind (BGE U 39Die jüngste Rechtsprechung des BGer hält fest, dass bei fast allen diese Organe betreffenden Verletzungen degenerative Aspekte vorliegen. Für das BGer widerspräche man dem Willen des Gesetzgebers, wenn man systematische medizinische Untersuchungen über den Ursprung der Verletzung vorschreiben würde. Für das BGer ist infolgedessen der UVG-Versicherer zu Leistungen gezwungen, sofern eine Diagnose der Liste gestellt wird und sofern die Beschwerden8/00 vom 5. Juni 2001).

Art. 9 Abs. 3 UVV ermöglicht dem UVG-Versicherer, nicht auf einen Fall einzutreten, wenn eine infolge einer Krankheit eingesetzte Ersatzstruktur für eine Körperfunktion beschädigt wird, ohne dass ein Unfall vorliegt. Es ist somit nicht möglich, sich auf Art. 9 Abs. 3 UVV zu berufen, um den UVG-Versicherer für die Reparatur einer künstlichen Sehne, die ursprünglich wegen Krankheit eingesetzt wurde und die ohne «ungewöhnlichen» äusseren Faktor gerissen ist, aufkommen zu lassen.

BGE129 V 466, BGE U 17/03 vom 20. August 2003: Eine Meniskusläsion wird mit einem Unfall im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV gleichgesetzt, wenn er mit einem äusseren, objektiv feststellbaren, sinnfälligen Faktor verbunden ist. Neu ist, dass der äussere Faktor eine Körperbewegung selbst sein kann (z.B. schnelles Aufstehen vom Stuhl oder ein Tritt ins Leere beim Fussball). In Punkt 4.1 der Erwägung des Urteils werden mehrere andere Beispiele dieser Art angeführt. Für das EVG ist es wichtig, dass die Verletzung plötzlich bei einer Bewegung, die über den normalen Gebrauch der Körperteile hinausgeht, in einer Situation, der ein gesteigertes Verletzungsrisiko innewohnt, auftritt. Das Bundesgericht hat eine umfangreiche Rechtsprechung im Kontext der unfallähnlichen Körperschädigungen entwickelt, wobei ihre Stellung an der Grenze zur Krankheit und zum Unfall sie besonders anfällig für Streitfälle gemacht hat.

Unfallbegriff

RKUV 1996 S. 199: Nackenbeschwerden, die nach einer Karussellfahrt auftreten, resultieren nicht aus einem Unfall, denn es liegt in der Natur einer Anlage dieser Art, die Halswirbelsäule durch die Beschleunigung stark zu beanspruchen.

BGE K 136/08 vom 18. Januar 2008: Durch eine Änderung der Rechtsprechung stellt das BGer nunmehr fest, dass der Sachverhalt, sich einen Zahn beim Aufprall des Mundes auf dem Lenkrad eines Autoskooters auszuschlagen, einen Unfall darstellt, denn der Schaden ist die typische Folge eines äusseren Faktors (Aufprall Gesicht-Lenkrad), der nicht häufig auftritt und dem an sich etwas Ungewöhnliches innewohnt. Zuvor wurde die Ungewöhnlichkeit verneint (BGE K 90/03 vom 4. November 2005).

RKUV 1996 S. 137: Sich durch einen Stoss, indem ein Glas an die Lippen geführt wird, einen Zahn abzubrechen, ist kein Unfall, denn in der Bewegung ist nichts Besonderes oder Unerwartetes geschehen.

Sportunfälle

BGE 114 V 298: Eine Sehnenzerrung ist keine unfallähnliche Körperschädigung, da die UVV in ihrer abschliessenden Liste nur «Risse» aufführt (auch Teilrisse, sofern sie deutlich diagnostiziert sind, BGE U 221/02 vom 23. September 2003).

BGE U 469/06 vom 26. Juli 2007 und U 611/06 vom 12. März 2007 : Knieverletzung infolge eines Trittes ins Leere geht zulasten der Unfallversicherung : Gestützt auf die Diagnose liegt hier ein unfallähnliches Ereignis vor, das trotz des Fehlens einer ungewöhnlichen Situation in den Bereich der Unfallversicherung fällt. (siehe oben)

RKUV 1992 S. 258: Die persönlichen Fähigkeiten des Verletzten sind entscheidend, um zu beurteilen, ob es sich bei der Körperschädigung um einen Unfall handelt oder nicht. So ist eine übliche Bewegung, die einem trainierten Sportler misslingt, ein Unfall. Dagegen wäre die gleiche Bewegung, die einer untrainierten Person misslingt, kein Unfall. Denn es ist nicht «ungewöhnlich», dass einem Amateursportler eine Übung misslingt.

RKUV 1993 S. 58: Ein Fussballspieler, der sich am Knie verletzt, weil seine Gegenspieler unerwartete Bewegungen machen, gilt nicht als Opfer eines Unfalls : Derartige Bewegungen, obwohl unerwartet, gehören zu dem mit dem Spiel verbundenen Risiko, so dass sie nicht als «ungewöhnlich» einzustufen sind.

BGE 130 V 117: Ein Eishockey-Spieler, der infolge eines Bodychecks gegen die Bande geschleudert wird, erleidet einen Unfall, obwohl es Teil des Spiels ist, umgestossen zu werden, denn die Bahn des Körpers des Sportlers ist, nachdem er aus dem Gleichgewicht geraten ist, völlig unvorhersehbar.

RKUV 1999 S. 420: Als Grenzfall zugelassener Unfall für einen Skifahrer, der stürzt, nachdem er auf einer Bodenwelle auf vereister Piste aus dem Gleichgewicht geraten ist.

BGE U 398/06 vom 21. November 2006: Ein Bänderriss beim Tennisspielen geht zulasten der Unfallversicherung, denn dieser Sport beansprucht den Körper durch plötzliche Beschleunigungen und häufige Richtungswechsel in besonderem Masse.

BGE U 67/04 vom 13. Juli 2004: Eine Verletzung durch den Sprung über ein 1 m hohes Tor während einer Laufeinheit stellt keinen Unfall dar.

BGE 199/03 vom 10. Mai 2004: Eine Verletzung bei einer plötzlichen Bewegung beim Volleyballspielen stellt keinen Unfall dar. Zu diesem Sport gehören extreme, eintrainierte Körperhaltungen, z.B. um einen Ball abzufangen, und viele Bewegungen können auf dem Boden enden, ohne dass jedoch das für die Ausübung dieses Sports übliche Mass überschritten wird.

BGE U 233/05 vom 27. Oktober 2005: Ski-Carving beansprucht in besonderem Masse den Bänderapparat. Knieverletzungen bei der Ausübung dieses Sports gehören demnach in den Bereich der Unfallversicherung.

Berufsunfälle

BGE U 351/04 vom 14. Februar 2006: Diskushernien werden nur in sehr seltenen Ausnahmefällen als Folge von Unfällen angesehen. In der Regel sind sie Folgeerscheinungen eines vorbestehenden Zustandes, der oft bis zum Zeitpunkt des Unfalls verborgen geblieben ist. Der Unfallversicherer kommt nur für das mit dem Auslöser verbundene Schmerzsyndrom auf.

RKUV 1993 S. 53: Ein Ausgleiten beim Versuch, ein schweres Rohr aufzuhalten, das an einem glitschigen Abhang ins Rollen geraten ist, gilt auch bei einem Arbeiter auf einer Baustelle als Unfall, denn das Ausgleiten ist eine unkoordinierte Bewegung, auf die niemand gefasst sein muss.

BGE U 159/06 vom 29. August 2006: Das plötzliche Aufspringen vom Bürostuhl, um seiner Freude freien Lauf zu lassen, stellt ein signifikantes Ereignis dar und ein Achillessehnenriss geht als unfallähnliche Körperschädigung zulasten des Unfallversicherers.

BGE U 145/07 vom 2. Mai 2007: Sich unter Ausführung einer Drehung aus der Hocke zu erheben, um einer Sekretärin zu antworten, kann Ursache eines Meniskusrisses sein, der vom Unfallversicherer als unfallähnlicher Schaden abzudecken ist.

Verschiedene Unfälle

RKSV 1985 S. 183: Verletzungen, die sich jemand bei einem von Unwohlsein verursachten Sturz zuzieht, fallen in den Bereich Unfall; dabei spielt es keine Rolle, dass der Sturz durch eine bestehende Krankheit verursacht wurde.

BGE U 367/04 vom 18. Oktober 2005: Sich einen Zahn abzubrechen, wenn man beim Essen einer Wildplatte auf eine Schrotkugel beisst, ist kein Unfall, denn beim Verzehr dieser Nahrung muss man hiermit rechnen (für andere Beispiele siehe RKUV 1987 S. 63). 63).

BGE U 454/04 vom 14. Februar 2006: Ebenfalls nicht als Unfall gilt der Sachverhalt, sich einen Zahn abzubrechen, wenn man in ein Stück Pizza mit einer nicht entkernten Olive beisst.

RKUV 1995 S. 90: Für die Festsetzung der Beteiligung einer Unfallversicherung nach einem Schadensfall (Behandlung, Taggelder, Renten) ist die objektive Bedeutung des Unfalls und nicht das subjektive Erleben entscheidend.

BGE U 394/06 vom 19. Februar 2008: Das BGer erläutert die seit 1991 im häufig umstrittenen Bereich der Folgen von Unfällen mit Schleudertrauma anwendbaren Rechsprechungsgrundsätze (BGE 117 V 359) : Der Kausalzusammenhang zwischen Unfall und physischen oder psychischen Beschwerden kann sogar bei einem Fehlen von physischen Schädigungen, die durch diagnostische Massnahmen objektiviert wurden, anerkannt werden. Die Analyse der natürlichen Kausalität (medizinischer Begriff) muss jedoch ohne Verzögerung (Anzeichen für Chronifizierung innerhalb von sechs Monaten) und auf Grundlage von klaren ärztlichen Befunden unmittelbar nach dem Unfall erfolgen. Die adäquate Kausalität (juristischer Begriff) muss unter Einbeziehung einer erschöpfenden Liste von Kriterien bewertet werden; dies sind z.B. eine spezielle und belastende medizinische Behandlung, ständiges Verspüren erheblicher Schmerzen und die Unfähigkeit zur Wiederaufnahme der Arbeit trotz anerkannter Bemühungen.

Kausalbeziehung oder -zusammenhang

In der Rechtswissenschaft nimmt der Begriff der Kausalität eine zentrale Stellung ein. Der Kausalitätsbegriff erlaubt, zu definieren, bis wann ein Tatbestand mit einer ursprünglichen Ursache in Zusammenhang gebracht werden kann. So kann man beispielsweise definieren, welcher Versicherer die Behandlungskosten übernehmen muss. Die Juristen unterscheiden zwei Aspekte der Kausalität: die natürliche und die adäquate Kausalität.

Natürliche Kausalität

Eine natürliche Kausalität liegt vor, wenn man annehmen kann, dass ohne das Unfallereignis kein Schaden entstanden wäre. Selbst wenn der Unfall nur teilweise die Ursache der Gesundheitsbeeinträchtigung ist, wäre das Ergebnis ohne den Unfall nicht das gleiche gewesen (Conditio sine qua non). Auf dem Gebiet der Personenversicherung obliegt es dem Arzt als Sachverständigem, die Frage zu entscheiden, ob ein natürlicher kausaler Zusammenhang zwischen einer bestimmten Situation und einem zurückliegenden Ereignis besteht.

Adäquate Kausalität

Eine adäquate Kausalität liegt vor, wenn ein Umstand (Unfall oder Krankheit) nach dem normalen Lauf der Dinge und aufgrund der Lebenserfahrung geeignet ist, eine Wirkung der Art, wie sie eingetreten ist, hervorzurufen, wobei der Eintritt dieses Ergebnisses durch einen solchen Umstand allgemein als begünstigt erscheint. Es handelt sich in diesem Fall um einen Rechtsbegriff, über den sich die Juristen äussern müssen. Ohne natürliche Kausalität kann es keine adäquate Kausalität geben.

Status quo ante / Status quo sine

Der vorbestehende Zustand (Status quo ante) ist ein pathologischer Zustand oder eine besondere bekannte oder unbekannte Veranlagung, die bereits vor dem Unfall oder der Krankheit vorlag. Der Status quo sine entspricht der Situation, in der der Geschädigte sich befände, wenn der Unfall oder die Krankheit, für die Leistungen erbracht werden, sich nicht ereignet hätte oder nicht bestünde.

Der ärztliche Experte wird oft ersucht, die Unterscheidung zwischen den Ereignissen zu treffen, die auf den Unfall oder die Krankheit zurückzuführen sind, und denen, die auf den vorbestehenden Zustand zurückzuführen sind. Von seiner Einschätzung hängt es ab, ob ein Recht auf Leistungen anerkannt wird. Die Schwierigkeit besteht häufig darin, vorbestehenden Zuständen Rechnung zu tragen, die bis zum Zeitpunkt des Unfalls, der sie an den Tag gebracht hat, «stumm» geblieben sind. Andauernde Schmerzen, die im Zusammenhang mit solchen vorbestehenden Zuständen stehen, begründen kein Recht auf Leistungen der Unfallversicherung, da sie nicht durch das versicherte Ereignis verursacht, sondern durch dieses nur manifest geworden sind.

Beweislast

Grundsätzlich hat immer derjenige, der aus dem Bestehen einer Tatsache Rechte ableiten möchte, die dafür erforderlichen Beweise zu erbringen. In der Rechtssprache bezeichnet man dies als Übernahme der «Beweislast». Wird der Beweis nicht erbracht, gilt die Tatsache als nicht vorhanden.

Ausser unter besonderen Umständen, gelten im Bereich der Sozialversicherung massgebende Sachverhalte als eingetreten, wenn ihr Vorhandensein mit einem überwiegenden Gewissheitsgrad (Wahrscheinlichkeit >50%) als festgestellt angesehen werden kann. Somit ist keine absolute Gewissheit erforderlich (Wahrscheinlichkeit = 100%), damit der Sachverhalt festgestellt wird. Dagegen kann ein Sachverhalt, wenn er nur möglich ist (Wahrscheinlichkeit <50%), für die Beurteilung einer Rechtslage nicht hinzugezogen werden.

Wirtschaftlichkeit

Darunter ist die Tendenz zu verstehen, Kosten zu senken und Ausgaben einzusparen, dabei aber das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip verbietet nicht, teure Leistungen zu übernehmen, sondern hat einzig zum Ziel, die Verschwendung von Mitteln zu vermeiden.

Das KVG sieht vor, dass «der Leistungserbringer seine Leistungen auf das im Interesse des Versicherten erforderliche Mass und das Ziel der Behandlung beschränken» und «die Wiederholung von medizinischen Handlungen vermeiden muss»4.

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt auf zwei Arten: mit der statistischen und mit der analytischen Methode.

Mit der statistischen Methode vergleicht man die Gesamtheit der direkten und veranlassten Kosten eines Leistungserbringers mit dem Durchschnitt vergleichbarer Leistungserbringer: wenn die Kosten des untersuchten Leistungserbringers deutlich über denen der Vergleichsgruppe liegen, ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip verletzt. Grundlade für diesen statistischen Vergleich sind die von santésuisse erhobenen Daten (statistische Methode ANOVA): Die Leistungserbringer werden nach ihrem Fachgebiet klassifiziert, und der Vergleich wird innerhalb dieses Fachgebietes angestellt. Dieser Vergleich ist für alle Leistungen eines Arztes durchzuführen, d.h. für die, die er selbst erbringt, und solche, die er anordnet (Medikamente, Analysen, Spitalbehandlung usw., BGE K 6/06 vom 9. Oktober 2006).

Mit der analytischen Methode überprüft man in einem oder in mehreren Fällen jede Einzelleistung darauf hin, ob die ärztlichen Massnahmen den üblichen Regeln bei der Ausübung des Berufes entsprechen. Dieses Verfahren ist weniger gebräuchlich: Es ist viel zufallsabhängiger, da es mit den Besonderheiten eines Einzelfalles zusammenhängt. Es ist als Ergänzung zur statistischen Methode anzusehen.

Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Behandlung ist keine einfache Aufgabe. Es ist demnach üblich, nur die gröbsten Verstösse zu ahnden.

Die Versicherer können aus eigener Initiative gegen einen Arzt klagen, falls die Rechtsgrundsätze des KVG nicht eingehalten werden. Dies gilt auch, wenn der Patient Honorarschuldner ist (System des Tiers garant, BGE K 139/00 vom 9. Juli 2001).

Behandlungsnotwendigkeit

Gemäss dem Wirtschaftlichkeitsprinzip5 kann nur eine zweckentsprechende Behandlung vom Krankenversicherer zurückerstattet werden. Die Behandlungsnotwendigkeit ist daher ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Es genügt nicht, dass die Behandlung von einem Arzt verordnet worden ist, sondern sie muss auch unter anderen Gesichtspunkten gerechtfertigt sein, wie z.B. unter dem der Zweckmässigkeit und der Verhältnismässigkeit. Ausserdem muss eine «Krankheit» im rechtlichen Sinn des Wortes vorliegen, und die Behandlung muss wirksam, wirtschaftlich und angemessen sein.

Als Beispiele werden einige Gerichtsentscheide angeführt:

BGE 133 V 364: Recht des Versicherers auf Zugang zu den Patientenakten einer Einrichtung für die stichprobenartige Prüfung dessen, ob die Patienten richtig in die verschiedenen, durch den Tarif vorgesehenen Pflegegrade eingestuft sind.

BGE 125 V 95: Eine ärztliche verordnete Spitalbehandlung muss nicht übernommen werden, falls sie durch eine ambulante Behandlung oder eine konservative Massnahme hätte ersetzt werden können.

RKUV 1990 S. 24: Die Verschreibung einer Kur oder eines Spitalaufenthaltes durch einen Arzt stellt keine Verpflichtung zur Kostenübernahme dar.

RKUV 1998 S. 1: Wenn mehrere Behandlungen in Frage kommen, ist auf das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen zu achten: Vergütet wird diejenige Behandlung, die das Erreichen des Ziels ermöglicht und spürbar kostengünstiger ist.

BGE 132 V 38: Zusammenfassung verschiedener Rechtssprechungen über die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung zu Hause, die kostspieliger ist als eine Einweisung in eine medizinisch-soziale Institution.

Notwendigkeit der Spitalbehandlung

RKUV 1998/4 S. 289: Es gelten die Rechtsprechungen des KUVG. Eine Krankenhausbehandlung wird anerkannt, wenn sie nicht ausserhalb des Krankenhauses oder einer anerkannten Behandlungseinrichtung durchgeführt werden kann (RKUV 1994 S. 162). Die Entscheidungskriterien sind:

  • die Art der durchzuführenden Behandlungen (objektive und medizintechnische Kriterien);
  • die Unmöglichkeit, den Patienten zu Hause zu betreuen oder zu überwachen (subjektives und persönliches Kriterium).

Eine reine soziale Begründung reicht niemals aus, um einen Spitalaufenthalt zu rechtfertigen (RKUV 1992 S. 99). Hingegen ist es völlig zulässig, dass eine Spitalbehandlung bei einem Patienten länger dauert, der zu Hause keine günstigen Bedingen für die Fortsetzung der Behandlung vorfindet (alleinstehende Person, ungeeignete Wohnung) oder weil die Behandlung an einem anderen Ort nicht so wirksam erfolgen kann wie im Krankenhaus (BGE 124 V 362 oder BGE K 86/00 vom 27. September 2000).

Ebenso ist Altersschwäche grundsätzlich keine Krankheit und kann einen Krankenhausaufenthalt nicht rechtfertigen. Wenn der Aufenthalt in einem Krankenhaus nicht mehr gerechtfertigt ist, muss dem Versicherten eine kurze Frist gewährt werden, um seine Überführung in eine medizinisch-soziale Institution zu organisieren (RKUV 1999 S. 31).

Zahlreiche Rechtssprechungen unterstreichen den restriktiven Rahmen der Kostenübernahme von Spitalbehandlungen. Sie bleiben auch nach dem In-Kraft-Treten des KVG gültig (RKUV 1998 S. 289).

RKUV 2000 S. 6: Wenn eine ambulante Behandlung und nicht ein Spitalaufenthalt angezeigt ist, hat der Versicherte nur Anspruch auf Übernahme der Kosten, die der notwendigen ambulanten Behandlung entsprechen.

BGE 126 V 323: Die medizinische Rehabilitation hat zum Ziel, verlorene oder eingeschränkte funktionelle Fähigkeiten mit medizinischen Mitteln wiederherzustellen; demgegenüber ist eine Erholungskur zur Ruhe und Erholung nach einer Krankheit bestimmt, die eine deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes zur Folge hatte, ohne dass aber eine besondere Pflege- oder Behandlungsbedürftigkeit vorliegt.

Leistungsumfang der sozialen Krankenversicherung

Dieser Punkt wird im Kapitel «Leistungen» des vorliegenden Handbuches behandelt, aber einige Aspekte werden im Folgenden erläutert.

Fahrlässigkeit, grobes Verschulden und Wagnis

Wer durch sein Verhalten das Eintreten eines Unfalls provoziert oder zumindest begünstigt, hat keinen Anspruch auf die vollen Versicherungsleistungen, denn der Versicherte muss es vermeiden, die Versicherung in unangemessener Weise zu beanspruchen (Art. 61 VVG). Der Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung muss jedoch vollumfänglich gewährleistet bleiben (RUKV 1998 S. 514)6.

Als Wagnis gilt eine Handlung, durch die «der Versicherte eine besonders grosse Gefahr provoziert, ohne Massnahmen zu ergreifen, um diese auf ein vernünftiges Ausmass zu reduzieren»7. Als Beispiel kann man hier Auto-Bergrennen anführen. Das Eingehen eines besonderen Wagnisses bewirkt die höchsten Kürzungen von Versicherungsleistungen. Je nach Versicherungszweig kann es sogar zu einer völligen Versicherungsverweigerung kommen. Einen Alpenpass mit Rollschuhen hinabzufahren, ist kein Wagnis, sofern die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden (BGE U 187/99 vom 5. März 2000).

Wer Risiken eingeht, muss mit Leistungskürzungen rechnen. Der häufigste Fall ist das Fahren in betrunkenem Zustand oder der regelmässige, schuldhafte Genuss von Alkohol. Die Kürzung der Leistungen gilt so lange, wie das strafbare Verhalten andauert. Einem Alkoholiker werden also die Leistungen so lange gekürzt, bis er seine Sucht überwunden hat. (RKUV 1993 S. 57). Seit der Einführung des ATSG ist eine Kürzung von Geldleistungen aus Sozialversicherungen künftig nur noch bei Vorliegen einer vorsätzlichen Handlung oder im Zusammenhang mit einem Verbrechen oder einer strafbaren Handlung möglich (BGE 158/03 vom 26. November 2003). Dies verringert die Häufigkeit der Fälle mit Leistungskürzungen erheblich.

Freie Wahl des Therapeuten

In der Schweiz kann der Versicherte seinen Therapeuten frei wählen8. Diese Regelung gilt sowohl für ambulante Medizin als auch für Krankenhausaufenthalte. Sie wird jedoch durch den Einfluss tariflicher Vorschriften abgeschwächt: Bei ambulanter Behandlung hat der Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung gemäss dem an seinem Wohn- oder Arbeitsort geltenden Tarif.9 Im Übrigen können auch alternative Versicherungsmodelle eine Ursache für die eingeschränkte Wahl des Therapeuten sein (RKUV 2000 S. 74) einschliesslich des Chiropraktikers (RKUV 2000 S. 66)10. Unabhängig vom Versicherungsmodell muss der Therapeut ausnahmslos den Tarif beachten, wobei das KVG den tariflichen Schutz unter allen Umständen gewährleistet11.

Bei Krankenhausbehandlungen wird ein Aufenthalt ausserhalb des Wohnkantons nur übernommen, wenn der Aufenthalt medizinisch begründet ist12. In diesem Fall übernimmt der Kanton die zusätzlichen Kosten und demnach entscheidet er selbst über die Gewährung oder Verweigerung eines finanziellen Beitrags. Er muss sich auch an den Kosten für einen Aufenthalt in der Privatabteilung einer öffentlichen oder subventionierten Anstalt beteiligen (RKUV 1998 S. 13). Der Patient ist verpflichtet, eine Anstalt seines Wohnkantons zu wählen, auch wenn das nächstgelegene Spital in einem angrenzenden Kanton liegt (BGE K 128/01 vom 14. Oktober 2002). Wenn ein Patient sich freiwillig in einen anderen Kanton begibt, um sich dort einer Operation zu unterziehen, und hierbei eine Komplikation auftritt, muss der Wohnkanton des Patienten sich nicht an den Kosten für die durch diese Komplikation notwendig gewordenen Spitalaufenthaltstage beteiligen (BGE 81/05 vom 13. April 2006.

Extraterritorialität

Grundsätzlich werden Leistungen der sozialen Krankenversicherung für Behandlungen in der Schweiz gewährt. Das In-Kraft-Treten des neuen Bundesgesetzes für Krankenversicherungen13 am 1. Januar 1996 hat diese Vorschrift erstmals gelockert. Künftig können folgende Leistungen erstattet werden:

  • notfallmässige Behandlungen im Ausland bei Krankheit und Unfall;
  • Behandlungen, die in der Schweiz nicht durchgeführt werden können, gemäss einer Liste, welche die Bundesverwaltung zu erstellen hat (NB; diese Liste wurde bisher noch nicht erstellt, weshalb die Rechtsprechung grundsätzlich Kostenübernahmen zulässt, falls der Nutzen einer Behandlung im Ausland erheblich ist, BGE K 1/06 vom 26. Februar 2007);
  • Entbindungen im Ausland, wenn dies für ein Kind die einzige Möglichkeit ist, die Staatsbürgerschaft seiner Eltern zu erwerben;
  • Behandlungen von Grenzgängern.

Der Referenztarif ist der geltende Tarif am schweizerischen Wohnort des Versicherten. Gemäss Art. 36 KVV sind die Zahlungen auf den doppelten Betrag des Referenztarifs begrenzt (aber nur der einfache Betrag bei Entbindungen im Ausland).

Das In-Kraft-Treten bilateraler Abkommen hat diesen Rechtsstandpunkt beeinflusst. Insbesondere erhalten die schweizerischen Sozialversicherten dieselben Leistungen wie die Versicherten des Landes, in dem sie sich aufhalten, wenn sie krank werden oder sie sich für eine in der Schweiz nicht verfügbare Behandlung dorthin begeben müssen. Dagegen besteht kein Recht, einen praktizierenden Arzt in Europa zu konsultieren ohne die vorherige Zustimmung des Schweizer Versicherers einzuholen, da der gemeinsame Besitzstand, der sich aus dem von der Eidgenossenschaft unterzeichneten Abkommen über die Freizügigkeit ergibt, nicht in vollem Umfang den freien Dienstleistungsverkehr einschliesst (BGE 133 V 264). Im Rahmen eines Pilotprojektes sind ebenfalls gewisse grenzüberschreitende Dienstleistungen möglich (Art. 36a KVV).

Arbeitsunfähigkeit

Arbeitsunfähigkeit wird anerkannt, wenn ein pathologischer Zustand vorliegt und der Versicherte nicht imstande ist zu arbeiten oder wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde. (RKUV 1998 S. 430).

Die Arbeitsunfähigkeit kann vorübergehend oder endgültig sein. Ihre Dauer wird entweder durch den behandelnden Arzt oder den Vertrauensarzt bzw. durch einen Sachverständigen, gegebenenfalls einen Richter, bestimmt. Sie hängt einzig vom physischen und psychischen Zustand des Versicherten ab, der in Zusammenhang mit den für die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit oder der Haushaltsarbeit erforderlichen Voraussetzungen gesetzt wird.

Gemäss dem allgemeinen Grundsatz der «Schadenminderungspflicht» muss der Versicherte alles unternehmen, um eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden. Somit kann man ihm jede Aktivität untersagen, welche die Heilung verzögern würde, oder ihn dazu anhalten, Massnahmen zu treffen, um die Heilung zu beschleunigen. In diesem Sinne sind die reglementarischen Bestimmungen zu verstehen, die bestimmte Verhaltensweisen verbieten (Verbot von Reisen, abendlichem Ausgehen, Ausübung von Sport usw.).

Im gleichen Zusammenhang ist ein dauerhaft arbeitsunfähiger Versicherter gezwungen, den Beruf zu wechseln, wenn hierdurch der Grad der Arbeitsunfähigkeit verringert werden kann14. Sobald ein anderer Beruf in Betracht kommt, wird der Entschädigungssatz nur auf Grundlage dieses anderen Berufes berechnet. Je nach Umständen wird dem Versicherten, der sich in dieser Lage befindet, eine Anpassungsfrist von drei bis fünf Monaten gewährt, um sich eine neue Stelle zu suchen (RKUV 2000 S. 122).

Vorbehalte und Risikoausschlüsse

Ausgehend vom Grundsatz, dass man kein brennendes Haus versichert, fordert der Gesetzgeber, dass der Versicherer in einem auf freiwilliger Mitgliedschaft basierenden Versicherungssystem (System bei den Zusatzversicherungen) in der Lage sein muss, die Übernahme bereits bestehender Risiken auszuschliessen, wenn der Antragsteller den Abschluss eines Versicherungsschutzes beantragt (RKUV 1992 S. 233). Der Vorbehalt wird dem Versicherten mitgeteilt und ist Bestandteil seiner Versicherungspolice (RKUV 1990 S. 235).

Seit Januar 1996 ermöglicht die Einführung eines Versicherungssystems mit allgemeiner Versicherungspflicht für die Krankenpflegekosten den Verzicht auf Vorbehalte für diesen Versicherungszweig (Grundversicherung). Die Vorbehalte gibt es weiterhin bei der freiwilligen Lohnausfallversicherung15. Ihre Dauer ist strikt auf 5 Jahre begrenzt. Bei Zusatzversicherungen, die die Versicherer auf Grundlage des Privatrechts anbieten, können auch Vorbehalte ausgesprochen werden, die jedoch bis ans Lebensende dauern können. In diesem Falle spricht man von Risikoausschluss.

Voraussetzungen für Vorbehalte

Die während der Geltung des KUVG ergangene Rechtsprechung bleibt im Rahmen des KVG anwendbar (BEG 125 V 292). Der Vertauensarzt muss dem Versicherer die für die Wahl des Vorbehaltes notwendigen medizinischen Informationen sowie dessen Wortlaut geben. Dabei muss er einige Regeln einhalten:

  • Der Wortlaut muss genau sein (RSKV 2/80 S. 58). Das heisst, es muss darin vermieden werden, dass der formulierte Vorbehalt durch Interpretation auf andere Körperteile oder andere Erkrankungen erweitert wird, die das gleiche Organ befallen könnten. In der Tat muss der Versicherte sich ein ganz klares Bild vom Umfang des von der Versicherungsdeckung ausgeschlossenen Risikos machen können. So ist beispielsweise ein Vorbehalt für eine «Diskushernie» nicht genau genug, weil er nicht erlaubt, genau festzustellen, welches Segment der Wirbelsäule zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses davon betroffen ist. Auch ein Vorbehalt für ein «Nervenleiden» wird nicht toleriert, da die fragliche Erkrankung darin nicht hinreichend genau definiert ist. Desgleichen ist der Ausschluss von «Herzkrankheiten und ihre Folgen» nicht erlaubt (RSKV 1972 S. 245).
  • Der Wortlaut muss sich auf eine medizinisch klar definierte Erkrankung beziehen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vorbehalts bereits besteht. Demnach ist es nicht möglich, für alle sich möglicherweise aus einem Unfall ergebenden Komplikationen durch den Wortlaut «der Unfallfolgen vom...» einen Vorbehalt anzubringen; Ein derartiger Vorbehalt ist mit dem Mangel behaftet, dass er auf alles, was sich in einer näheren oder ferneren Zukunft vielleicht noch ereignen könnte, Bezug nimmt, statt sich auf den Gesundheitszustand zu beschränken, der zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses gegeben ist. Im gleichen Zusammenhang haben die Gerichte unterstrichen, dass ein Vorbehalt wegen «Diabetes» nicht erlaubt, alle Erkrankungen auszuschliessen, die manchmal mit dieser Krankheit einhergehen (wie z.B. Gangrän, gefolgt von einer Amputation, RKUV 1987 S. 111). Demnach ist der Vertrauensarzt bisweilen gezwungen, eine lange Liste von unter den Vorbehalt fallenden Diagnosen vorzuschlagen, ohne je die Gewähr zu haben, dass er damit sämtliche von der Deckung auszuschliessenden Gesundheitsschäden erfasst hat.
  • Die zunehmende Verbreitung von AIDS zwang das Eidgenössische Versicherungsgericht, die für die Diagnosegenauigkeit geltenden Grundsätze zu lockern. Ausgehend von dem in der Rechtsprechung verankerten Grundsatz, dass eine HIV-Infektion bereits eine Krankheit ist, entschied das Bundesgericht, dass der Versicherer nicht nur ein mit Genauigkeit, sondern auch ein mit der «grösstmöglichen Genauigkeit» beschriebenes Risiko vom Versicherungsschutz ausschliessen könne. Angesichts der zahlreichen Erkrankungen, die sich aus einer HIV-Infektion ergeben können, liess das Gericht auch zu, dass Vorbehalte für die «Folgen der HIV-Infektion» angebracht werden (RKUV 1990 S. 327).
  • Risikoausschlüsse: In Anbetracht der Tatsache, dass die Zusatzversicherungen der Krankenversicherer von nun an den Bestimmungen des Privatversicherungsrechts unterstellt sind, sind die Versicherer nicht mehr verpflichtet, die Geltungsdauer eines Vorbehalts auf 5 Jahren zu beschränken. Obwohl das Gegenteil der Fall zu sein scheint, wirkt sich diese Erweiterung der Geltungsdauer von Vorbehalten klar zum Vorteil für die Personen aus, die eine Versicherung beantragen. Denn als die Vorehalte nur 5 Jahre galten, verweigerten die Versicherer bei Vorliegen einer chronischen Krankheit schlichtweg den Abschluss einer Versicherung. Nun können sie vorsehen, dass diese Krankheit auf Lebenszeit ausgeschlossen wird, aber einem Versicherungsschutz für alle anderen, nicht mit ihr verbundenen Erkrankungen zustimmen.

Im Rahmen der freiwilligen privatrechtlichen Versicherung ist es möglich, Erkrankungen, die zum Zeitpunkt der Formulierung des Ausschlusses nur vorhersehbar sind, von der Versicherungsdeckung auszuschliessen. Dies ist bei der sozialen Krankenversicherung nicht der Fall; dort muss sich die Erkrankung bereits konkret manifestiert haben.

Verletzung der Anzeigepflicht

Unter diesem Begriff versteht man das absichtliche oder fahrlässige Verschweigen eines für die Bestimmung des zu versichernden Risikos wesentlichen Leidens, bei der Befragung über frühere Gesundheitsprobleme.

In der Regel werden die Vorbehalte oder der Ausschluss von Risiken dem Versicherten bei seiner Aufnahme in die Krankenversicherung mitgeteilt. Es ist aber auch möglich, die gleichen Massnahmen zu einem späteren Zeitpunkt zu ergreifen, wenn erst später bekannt wird, dass ein Leiden, das der Beitrittswillige verschwiegen hat, bereits zur Zeit seines Eintritts in die Krankenversicherung bestanden hat. In sehr schweren Fällen kann die Versicherung sogar rückwirkend annulliert werden.

Diese Möglichkeit zur Anbringung von Vorbehalten, auch nach dem In-Kraft-Treten des Versicherungsschutzes, resultiert aus dem Wunsch, einen Versicherten, der eine Erkrankung verschwiegen hat, nicht gegenüber Personen, die ihrer Anzeigepflicht bei der medizinischen Vorgeschichte in vollem Umfang nachgekommen sind, zu bevorteilen. Dies hat seinen Ursprung in einem wichtigen rechtlichen Grundsatz, der «Gleichbehandlung».

Ein rückwirkender Vorbehalt wird einem Versicherten auferlegt, der eine Erkrankung vorsätzlich oder fahrlässig verschwiegen hat. Ein offensichtlicher Vorsatz, den Versicherer zu täuschen, muss daher nicht unbedingt gegeben sein. Man kann einem Versicherten den Vorwurf machen, eine Krankheit verschwiegen zu haben, sobald es angemessen erschienen wäre, dass ein «normal aufmerksamer» Antragsteller seinem Versicherer davon Mitteilung gemacht hätte. Die Beurteilung der Verletzung der Anzeigepflicht erfolgt demnach gemäss rein objektiven Kriterien.

Zu beachten ist, dass man vom Versicherten nicht verlangt, eine vertiefte medizinische Untersuchung seiner früheren Symptome durchführen zu lassen. Er muss die ihm gestellten Fragen beantworten. Die Gesetzgebung über die Privatversicherung sieht vor, dass der Versicherer das Risiko anhand eines genauen Fragebogens oder durch schriftliche Befragung zu allen für die Beurteilung des Risikos erheblichen Aspekten zu beurteilen hat16.

Um eventuelle Probleme zu vermeiden, stellen die Versicherer daher grundsätzlich Fragen, die nicht zu Interpretationen Anlass geben (Frage, ob ein Arzt konsultiert wurde, Datum dieser Konsultation, Dauer einer Arbeitsunfähigkeit). Denn es ist wenig sinnvoll, sich auf Fragen wie «Fühlen Sie sich gesund?» zu beschränken, da der Antragsteller dadurch nicht angehalten wird, über seine medizinische Vorgeschichte nachzudenken, sondern einzig dazu, ein Gefühl zu äussern.

Die Richter beurteilen die Versäumnisse des Antragstellers umso strenger, als der ihm vorgelegte Fragebogen genau und ausführlich ist. Ein Versicherer, der auf eine Befragung bei Versicherungsbeginn verzichtet, oder einen lückenhaft ausgefüllten Fragebogen akzeptiert, kann dem Versicherten weder vorwerfen, gegen seine Informationspflicht verstossen zu haben, noch Vorbehalte anbringen.

Bei den unter das Privatrecht fallenden Zusatzversicherungen führt die Aufdeckung einer Verletzung der Anzeigepflicht häufig zur Neuverhandlung des Vertrages: Der Versicherer bietet dem Versicherten einen neuen Vertrag mit Vorbehalt an und macht ihn darauf aufmerksam, dass der bestehende Versicherungsvertrag im Falle einer Ablehnung des neuen Vertrages nicht erneuert wird17. Diese neue Verhandlung des Vertrages ist auch dann möglich, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht eine Diagnose ohne Bezug auf die laufende Behandlung betrifft. Die erhaltenen Versicherungsleistungen müssen zurückerstattet werden, falls sie die Erkrankung betreffen, für die die Anzeigepflicht verletzt wurde.

Medizinisches Gutachten

Ein Gutachten dient als Mittel, um bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Beteiligten bezüglich der Regelung eines Schadenfalls einen Entscheid zu treffen. Da es äusserst wichtig ist, dass der Gutachter das Vertrauen aller Beteiligten geniesst, verlangt das Gesetz, dass die begutachtete Partei vorher Gründe für die Ablehnung des Gutachters geltend machen kann.18. Die Ablehnung erfolgt nur bei triftigen Gründen, die eine neutrale Ausführung des Auftrages durch den Gutachter in Zweifel ziehen. Die häufige Erstellung von Gutachten für die Versicherer stellt in keiner Weise einen Ablehnungsgrund dar (BGE I 793/05 vom 8. November 2006). Damit die Wahl eines Gutachters Gültigkeit besitzt, muss der Versicherte über den genauen Namen des Gutachters in Kenntnis gesetzt werden (und nicht nur über den Namen des mit der Begutachtung beauftragten Instituts, BGE U 178/04 vom 18. August 2006). Im Rahmen der Gewährleistung seines Anhörungsrechts muss der Versicherte auch die Möglichkeit besitzen, sich zum Ergebnis des Gutachtens zu äussern und in einem gewissen Masse seine eigenen Fragen an den Gutachter zu stellen (BGE I 218/06 vom 23. Juli 2007).

Der Gutachter führt seinen Auftrag sorgfältig und fachgerecht aus und verfügt hierbei über den notwendigen Spielraum, um die Patientenakte zu vervollständigen, damit seine Schlussfolgerungen ausreichend fundiert sind (Analysen, Röntgenaufnahmen, psychologische Tests usw.). Um eine Verfälschung des Gutachtens zu vermeiden, darf sich der Versicherte dagegen nicht in Begleitung eines Anwaltes oder eines anderen Vertreters zur Begutachtung begeben (BGE I 650/05 vom 14. August 2006).

Sobald das Gutachten erstellt ist, wird es zu einem Dokument von zentraler Bedeutung für die Bestimmung des Anspruchs auf Leistungen. Grundsätzlich stellt es die endgültige Beurteilung der medizinischen Aspekte des jeweiligen Schadenfalles dar. Ungeachtet dessen können auch administrative Kriterien den endgültigen Entscheid des Versicherers noch beeinflussen. Falls der Versicherer das Gutachten beantragt, trägt er dessen Kosten.

Der Richter verleiht jedem ärztlichen Bericht Beweiskraft, auch wenn dieser von einem behandelnden Arzt oder von einem Vertrauensarzt stammt. Im Wesentlichen kommt es darauf an, dass der Bericht auf vollständige Untersuchungen beruht, dass er gut begründet ist, dass er in voller Kenntnis der Akten eines Falles erstellt wurde und die geäusserten Beschwerden berücksichtigt. (RKUV 2000 S. 214).

Datenschutz, Arzt- und Berufsgeheimnis

Für seine Arbeit muss der Versicherer die Gründe, weshalb die Behandlungen verordnet wurden, genauer kennen. Er muss demnach vom Therapeuten Auskünfte einholen können, die so ausführlich wie notwendig sind, aber nicht mehr. Art. 42 Abs. 3 und 4 KVG begründet das Recht der Verwaltung auf Erhalt ausführlicher Informationen, bei Bedarf einer genauen Diagnose. Bei besonders sensiblen Fällen erfolgt die Weiterleitung der Unterlagen über den Vertrauensarzt19.

Der Krankenversicherer ist berechtigt, die persönlichen Daten eines Versicherten zu verarbeiten, um die Leistungen zu bestimmen. Die Vorschriften der Art. 84 und 84a KVG

konkretisieren die Regeln für den Datenschutz. Sie sind sogar neuer und spezifischer als die Regeln des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG), so dass es nicht möglich ist, eine Datenverarbeitung für unrechtmäßig im Sinne des DSG zu erklären, indem man sich auf diese Regeln des KVG stützt (BGE K 23/00 vom 8. April 2002, BGE 133 V 362). Ebenso macht sich der Vertrauensarzt, der der Verwaltung einen Bericht auf Grundlage der ihm übergebenen Unterlagen übermittelt, nicht einer Verletzung des Arztgeheimnisses schuldig (Urteil des Obersten Gerichts des Kantons Bern SK 6/363 vom 18. Januar 2007, siehe auch SJZ 2006 S. 522).

Die Privatsphäre der betroffenen Person wird insofern geschützt, als diese Informationen nicht verbreitet werden dürfen: Der Versicherer ist durch die gesetzliche Schweigepflicht gebunden20. Das KVG sieht in Form von Geldbußen oder Freiheitsstrafen von bis zu 6 Monaten ausdrücklich strafrechtliche Verurteilungen bei einer Verletzung des Berufsgeheimnisses vor21.

Bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist der Versicherer berechtigt, unmittelbar alle Informationen, einschließlich der Diagnose, zu erhalten, die er für die Prüfung der Rechnungen benötigt. Der Versicherer ist berechtigt, die Akten von Patienten in Pflegeheimen zu erhalten, um die Qualität der Pflege und ihre Angemessenheit zu beurteilen. In diesem Zusammenhang kann vom Versicherer nicht verlangt werden, dass er sich damit begnügt, vorher genaue Fragen zu jedem betroffenen Versicherten zu stellen, denn solche Prüfungen bezwecken die Kontrolle der regelmäßigen Praxis der Leistungserbringer durch Screening (BGE 133 V 359). In den gesetzlich vorbehaltenen Ausnahmefällen (Beurteilung des behandelnden Arztes oder ausdrücklicher Antrag des Patienten) erhält der Vertrauensarzt die ausführlichen medizinischen Informationen und gibt nur die für eine Entscheidung notwendigen Angaben an die Verwaltungsstellen weiter22.

Der Vertrauensarzt hat die Aufgabe, die Vertraulichkeit der übermittelten Daten, die seiner Einschätzung nach nicht an die Verwaltung weitergegeben werden dürfen, zu gewährleisten. Bei seiner Tätigkeit hat er dafür Sorge zu tragen, dass die Vertraulichkeit aller ärztlichen Schreiben gewährleistet ist, ihre Archivierung mit der erforderlichen Sicherheit erfolgt und dass er von den Verwaltungsstellen unabhängig ist. Diese Unabhängigkeit muss durch organisatorische Vorkehrungen (gesicherte Räume, Datenarchivierung mit eingeschränktem Zugriff, getrennte Bearbeitung des Schriftverkehrs, eigener Telefonanschluss) und durch eine Dienststellung, die die völlige Unabhängigkeit sicherstellt, gewährleistet werden (BVGE A-7375/2006 vom 7. Dezember 2007).

Um seinen Auftrag als Berater für die Verwaltungsstellen bestmöglich erfüllen zu können, muss der Vertrauensarzt sich manchmal bei der Analyse von Akten unterstützen lassen. Denn seine berufliche Grundausbildung ermöglicht ihm nicht, alle Bereiche der Medizin bis ins Detail zu kennen. Dies gilt insbesondere bei sehr speziellen Fragestellungen. Zu diesem Zweck ist der Vertrauensarzt demnach berechtigt, auf eigenes Betreiben und, ohne dies vorher dem jeweiligen Versicherten mitteilen zu müssen, andere Ärzte zu konsultieren (BGE 131 II 413).


1 Art. 3 ATSG
2 Art. 4 ATSG
3 Art. 9 Abs. 2 UVV
4 Art. 56 Abs. 1 und 5 KVG
5 Art. 56 KVG
6 Art. 21 ATSG
7 Art. 39 UVG und Art. 50 UVV
8 Schweizerische Ärztezeitung 1990, 71, S. 1212
9 Art. 41 Abs. 1 KVG
10 Art. 41 Abs. 4 KVG
11 Art. 43 und 44 KVG
12 Art. 41 Abs. 3 KVG
13 Art. 34 KVG
14 Art. 6 ATSG
15 Wenn man diese Versicherung als freiwillig einstuft, geschieht dies, um auszudrücken, dass der Versicherte nicht verpflichtet ist, sie abzuschliessen. Der Versicherer ist dagegen im KVG-System nicht berechtigt, einen Antragsteller abzulehnen.
16 Art. 4 VVG
17 Art. 6 VVG
18 Art. 44 ATSG
19 Art. 42 Abs. 5 KVG
20 Art. 33 ATSG und Art. 84 ff. KVG
21 Art. 92 KVG
22 Art. 57 KVG

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

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