Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Pulmonale Rehabilitation

Einführung

Die pulmonale Rehabilitation (PR) ist Grundpfeiler der Behandlung fortgeschrittener chronischer Lungenerkrankungen. Am Beispiel der COPD konnte gezeigt werden, dass das Ausmass der körperlichen Aktivität den wichtigsten Prädiktor für das Exazerbationsrisiko und das Überleben darstellt – und dies noch vor dem FEV1. Eine PR verbessert Lebensqualität sowie Leistungsfähigkeit und vermindert das Risiko von Hospitalisierungen. Definition gemäss American Thoracic Society/European Respiratory Society.

Voraussetzungen und Indikation

Eine optimale Therapie der pulmonalen Erkrankung und allfälliger Komorbiditäten (Diabetes, Herz-Kreislauf, Osteoporose, orthopädische Einschränkungen) ist Voraussetzung für einen bestmöglichen Rehabilitationserfolg.

Gemäss Schweizerischer Gesellschaft für Pneumologie (SGP) (siehe Artikel SÄZ) kann bei jeder Lungenerkrankung je nach Schweregrad die Indikation für eine PR gegeben sein.

Eine PR bei Patienten mit COPD ist ab Risikoklasse B nach GOLD 2017 (siehe atsjournals) indiziert und kann sowohl im Intervall als auch im Anschluss an eine Exazerbation begonnen werden. Bei anderen chronischen Lungenerkrankungen ist eine PR dann sinnvoll, wenn die Erkrankung zu einer Einschränkung der Lebensqualität und der körperlichen Leistungsfähigkeit (gemessen am 6-Minuten-Gehtest) führt. Aktives Rauchen stellt keine Kontraindikation dar.

Kontraindikationen

  • instabile kardiale Erkrankung
  • invalidisierende orthopädische oder neurologische Erkrankungen
  • massiv eingeschränkte Kooperationsbereitschaft

Programm

Zwecks optimaler Trainingsplanung und Ausschluss einer belastungsabhängigen kardialen Ischämie sollte zu Beginn eine Ergometrie,bei spezieller Fragestellung eine Spiroergometrie durchgeführt werden. Auch empfiehlt sich mindestens initial ein Fragebogen zur Erfassung von Angst und Depression. Zur Erfolgskontrolle der körperlichen Leistungsfähigkeit ist der 6-Minuten-Gehtest Standard, üblich auch der 1-Minute Sit-to-stand-Test (STS). Zuverlässig und gut reproduzierbar ist der Constant-Load Cycle Endurance-Test (Belastungsdauer auf dem Veloergometer bei 75% der maximalen Leistungsfähigkeit). Zur Erfassung und Verlaufskontrolle der Lebensqualität hat sich in der Schweiz der Chronic Respiratory Questionnaire (CRQ) etabliert.

Eine PR kann in zwei Phasen eingeteilt werden:

Phase 1: Umfassende Intensiv-Phase zur Rekonditionierung und Förderung der Selbstverantwortung

Entsprechend der Definition soll ein PR-Programm individuell auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten zugeschnitten werden („Customized Rehabilitation“), um einen maximalen Erfolg und ein langfristig gesundheitsförderndes Verhalten zu erzielen. Neben einem massgeschneiderten körperlichen Training sollte bei Bedarf eine strukturierte COPD-Schulung.mit Rauchstopp-, Sozial-, psychologischer und Ernährungsberatung angeboten werden.

Phase 2: Langfristiges Anschlusstraining

Im Vordergrund sollten Praktikabilität und die Vorlieben des Patienten stehen, damit es gelingt, die körperliche Aktivität langfristig zu steigern und damit den Erfolg der PR zu erhalten. Strukturierte Anschlussprogramme erleichtern die dauerhafte Fortführung regelmässiger körperlicher Aktivität.

Durchführungsart

Nach Möglichkeit soll ein ambulantes Setting angestrebt werden, denn das Training in Alltagsnähe erleichtert den Übergang zu einem langfristig aktiven Lebensstil. Zudem ermöglicht die ambulante PR mit einer Programmdauer von zwölf Wochen einen optimalen Trainingsaufbau. Aus trainingsphysiologischer Sicht empfehlen sich mindestens zwei, besser drei Trainingseinheiten pro Woche.

Für ein stationäres Setting sprechen (vgl. Kapitel "Spitalbedürftigkeit"):

  • stark eingeschränkte Mobilität (infolge der Schwere der Grundkrankheit oder wegen Komorbiditäten)
  • Psychosoziale Faktoren
  • Unzumutbarere Anfahrtsweg

Wiederholte PR

Ohne Anschlusstraining lässt der Effekt der PR nach 6-12 Monaten nach. Der Benefit einer repetitiven PR ist erwiesen und vergleichbar mit jenem des ersten Zyklus. Die Nachhaltigkeit kann mit einem Erhaltungsprogramm verbessert werden, allerdings ist nach 3 Jahren kein signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe mehr nachweisbar.

Die Indikation einer repetitiven PR im Falle fehlender Adhärenz an ein Anschlusstraining oder ungenügender Wirkung des letzten Zyklus ist im Einzelfall zu überprüfen.

Leistungspflicht (Ziff. 11 Anhang 1 KLV)

Die Kostenübernahme erfolgt in der Regel einmal pro Jahr. Wird eine ambulante einer stationären PR nachgeschaltet, gilt dies als ein Zyklus.

In ausgewählten Fällen sind 2 PR-Zyklen pro Jahr notwendig, insbesondere vor und nach Lungenvolumenreduktionschirurgie oder Lungentransplantation. Denn einerseits ist hier die Indikationsstellung erst nach Optimierung aller konservativen Massnahmen möglich, andererseits minimiert eine vorgängige PR das perioperative Risiko.

Die Leistungspflicht der OKP beschränkt sich ausschliesslich auf die oben beschriebene Phase 1. Die Kosten der Phase 2 werden grundsätzlich vom Patienten getragen, gegebenenfalls kann eine Mitfinanzierung aus Leistungen der Zusatzversicherung erfolgen.

Vergütung der ambulanten PR

Die Abrechnung der ambulanten PR ist nicht klar geregelt, somit muss hier im Einzelfall verhandelt werden.

In der Verhandlung zu berücksichtigen gilt, dass die ambulante PR der meist multimorbiden Patienten mit begleitender krankheitsassoziierter Angst und/oder Depression.aufwändig ist. Ein effektives Training ist nur unter intensiver und spezialisierter physiotherapeutischer Betreuung möglich. Als optimales Setting empfehlen sich Trainingseinheiten von je 90 Minuten in Kleingruppen à 4 bis maximal 6 Patienten.

Eine spezifische Tarifierung wäre hilfreich.

Neuromuskuläre Elektrostimulation

Eine transkutane neuromuskuläre Elektrostimulation (TENS) kann im Falle einer schweren Dekonditionierung und schweren ventilatorischen Limitierung eine gute Ergänzung oder auch Alternative zu einer PR sein. Mithilfe einer TENS können Muskelkraft, körperliche Leistungsfähigkeit und Dyspnoe bei schwerer COPD mit stark eingeschränkter Leistungsfähigkeit verbessert werden. Ein Effekt ist sowohl im Intervall als auch während und nach einer Exazerbation erwiesen. Allerdings ist die Leistungspflicht für transkutane Nervenstimulationsgeräte sowohl gemäss Anhang 1 KLV wie auch MiGel auf die Schmerzbehandlung limitiert. Eine Kostenübernahme empfiehlt sich aus der Zusatzversicherung.

Institutionen

Eine Liste sämtlicher akkreditierter Zentren ist auf der Homepage der SGP zu finden.

Dez. 2018
Dr. med. Swantje Beyer
Dr. med. Felix Bleisch

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