Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Psychosomatische Rehabilitation

Die Entwicklung der Psychosomatik hat zwei unterschiedliche Ursprünge: Einerseits als Spezialität der Psychiatrie in den USA, die heute in der Schweiz dem Schwerpunkt „Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie“ entspricht, und andererseits als Spezialität der Inneren Medizin, was dem folgenden Zitat zu entnehmen ist: „Die weiter bestehende Verankerung in der somatischen Medizin findet ihren Niederschlag auch in den Themen, zu denen die Psychosomatische Medizin in der universitären Landschaft der Schweiz seit vielen Jahren forscht“ (https://primary-hospital-care.ch/de/article/doi/phc-d.2018.01865/).

Die Grundidee der Psychosomatik lag darin, den Wechselwirkungen zwischen sozialen, seelischen und körperlichen Faktoren (bio-psycho-soziales Krankheitsmodell) besondere Beachtung zu schenken. Psychosomatische Störungen sind demnach in erster Linie als psychische Störungen zu verstehen, die mit besonderer Häufigkeit körperliche Beschwerden hervorrufen wie beispielsweise somatoforme Störungen oder andere Störungen aus dem neurotischen Formenkreis (ICD-10 - F 4). Körperliche Manifestationen treten gehäuft auch bei affektiven Störungen (ICD-10 - F 3) und bei Persönlichkeitsstörungen (ICD-10 - F 6) auf. Daneben ist zu beachten, dass anfänglich psychisch Gesunde durch Krankheit ebenfalls eine psychische Störung entwickeln können (z.B. Depression oder Angststörungen nach Myokardinfarkt). Auch diese Konstellation ist der psychosomatischen Medizin zuzuordnen.

In der Schweiz existiert mittlerweile eine Vielzahl von Kliniken, die sich auf die Behandlung psychosomatischer Krankheitsbilder spezialisiert haben. Dabei ist zwischen psychosomatischen Akut- und Rehabilitationskliniken zu unterscheiden. Während sich psychosomatische Akutkliniken durch ein eng umschriebenes Behandlungsangebot (z. B. Behandlung von Essstörungen) auszeichnen, bieten psychosomatische Rehabilitationskliniken eine Vielfalt von Behandlungen an. Da gleichzeitig eine zunehmende Zahl psychiatrischer Kliniken die Behandlung psychosomatischer Krankheitsbilder mit einschließt, stellt sich die Frage, ob Patienten mit psychosomatischen Leiden in psychiatrischen oder in psychosomatischen Kliniken zu behandeln sind.

Lassen sich psychische Störungen in ambulantem oder teilstationärem Setting nicht ausreichend behandeln, liegt eine Spitalbedürftigkeit vor(Stationäre psychiatrische Behandlung) und wird als Behandlungsziel einzig die Reduktion der Symptomlast (Symptom-Checkliste, SCL) definiert, ergeben sich keine Präferenzen für das eine oder andere stationäre Behandlungssetting. Sofern neben der Reduktion der Symptomlast auch eine erhöhte Funktionalität in Alltag und Beruf als vorrangiges Behandlungsziel definiert wird (Global Assessment of Functioning, GAF), liegt der Schwerpunkt der Behandlung in der Rehabilitation, womit einer psychosomatischen Klinik der Vorzug gegeben werden kann. Voraussetzung für die Behandlung in einer psychosomatischen Klinik mit Rehabilitationsschwerpunkt ist das Vorliegen eines Rehabilitationspotentials. Dieses Potential ist bei akuter Selbst- und Fremdgefährdung, bei manischen oder psychotischen Zustandsbildern, bei schweren depressiven Episoden oder bei aktiven Suchtleiden mit Intoxikation und Entzugserscheinung wegen der fehlenden Möglichkeit zur therapeutischen Teilhabe nicht gegeben.

Aus medizinischer Sicht gibt es zwischen Psychiatrie und Psychosomatik kaum substantielle Unterschiede. Aus Patientensicht können diese indessen beträchtlich sein: Psychiatrische Kliniken sind leider immer noch mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet, psychosomatische Kliniken nicht. Dieser Umstand zeigt sich auch bei der Indikationsstellung zur Behandlung in Kliniken, die schwerpunktmäßig eine psychosomatische Rehabilitation anbieten. Obwohl die Behandlungsmethoden in beiden Settings die gleichen sind, besteht eine deutliche Tendenz, Patienten, die psychiatrischen Kliniken kritisch gegenüber stehen, psychosomatischen Kliniken zuzuweisen. Die Vermeidung der dadurch entstehenden Behandlungsredundanzen stellt ein vorrangiges Ziel dar. Erreicht werden kann dieses Ziel nur, indem sich Behandler in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken auf ein komplementäres Behandlungsangebot einigen. Schliesslich ist anzufügen, dass Arbeitsplatzkonflikte („Mobbing“) eine juristische und keine medizinische Sachlage abbilden. Der Begriff „Erschöpfungssyndrom“ oder „Burnout“ beschreibt keine Krankheit, sondern einen Lebensumstand und kann daher nicht als Indikation einer Behandlung herangezogen werden.

Januar 2019
Dr. med. Herbert Bosshart
Dr. med. Max Giger
Dr. med. Jürg Zollikofer

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