Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Internistisch-onkologische Rehabilitation

Die internistisch-onkologische Rehabilitation ist ein gesundheits- und autonomieorientierter Prozess. Dieser umfasst alle koordinierten Massnahmen medizinischer, psychologischer, pädagogischer und sozialer Art. Diese sollen es der erkrankten Person ermöglichen, krankheits- oder therapiebedingte Einschränkungen zu überwinden und soweit wie möglich eine physiologische, psychologische und soziale Funktionalität zu erlangen, um ihr Leben ggf. mit Unterstützung aber grösstmöglicher Autonomie zu gestalten und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zurückzugewinnen.

Grundvoraussetzung

Vorliegen einer internistisch-onkologischen Erkrankung, die zu Einschränkungen der Körperstrukturen oder Körperfunktionen führt, (inkl. mentaler Bereich), und die Aktivitäten resp. Teilhabe einschränkt. Ausreichendes Rehabilitationspotential unter Berücksichtigung psychosozialer Faktoren.

Rehabilitationsbedürftigkeit

Krankheits- oder therapiebedingte Einschränkungen der Körperfunktionen und -strukturen. (Einschränkung der Mobilität, Transferfähigkeit, Benutzung der Toilette, Nahrungsaufnahme sowie Sturzneigung). Hier ist eine möglichst konkrete Beschreibung der Einschränkungen sinnvoll, z.B. kann vom Bett auf den Stuhl transferiert werden, welche Gehstrecke ist möglich, ist ein Sturz bereits erfolgt oder wurde die Sturzneigung durch ein geeignetes Assessment-Instrument verifiziert) (siehe auch Empfehlung zur Sturzprävention, Patientensicherheit Schweiz). Gibt es Diagnosen wie z.B. Critical Illness Polymyopathie, die eine Sturzgefahr sehr wahrscheinlich machen. Ist Treppensteigen oder Benutzung der Toilette möglich, besteht die Fähigkeit, eine sinnvolle Tagesstruktur mit den notwendigen Aktivitäten durchzuführen, tumorassoziierte Fatigue? Besteht eine psychische Belastung durch Vorliegen einer ernsthaften Erkrankung, die die Alltagsbewältigung beeinträchtigt. Liegen eine soziale und Umfeldbeeinträchtigung vor, die eine Rückkehr in die angestammten Verhältnisse erschwert oder unmöglich macht?

Wichtigste Assessment-Instrumente:

  • Erweiterter Barthel-Index (eBI)
  • Functional Index Measurement (FIM)
  • Instrumental Activity of daily living (IADL)
  • Nutritional Risk scale (NRS)
  • Edmonton Symptom Assessment System (ESAS)
  • Performance-Status Eastern cooperative Oncology Group (ECOG)
  • Mobilitätstest nach Tinetti
  • Morse Fall Scale
  • Hamilton Anxiety and Depression Scale (ADS)
  • Geriatric Depression Scale (GDS)
  • Basisdokumentation Psychoonkologie (siehe Screeningverfahren in der Psychoonkologie, eine Empfehlung der PSO)

Bei der Betrachtung der Rehabilitationsbedürftigkeit geht es um eine gesamtheitliche Beurteilung des Patienten, eine Benennung oder Quantifizierung der Defizite im bio-psycho-sozialen Bereich, deren Summe aktuell nicht für die Rückkehr in die angestammten Verhältnisse befähigt und nicht nur rein pflegerische Defizite umfasst.

Ausschlusskriterien

Terminale inkurable Tumorerkrankung. Behinderung der Rehabilitation durch Immun- oder Chemotherapie.

Rehabilitationsfähigkeit

Motivierter, ausreichend belastbarer und mobiler Patient, der fähig ist, am Rehabilitationsprogramm teilzunehmen. Darf allerdings auch rollstuhlabhängig oder noch bettlägerig sein (falls die Immobilität reversibel ist – z.B. eine Critical-Illness-Myopathie, allgemeine Schwäche oder Dekonditionierung vorliegt). Krankheit soweit stabilisiert, dass die Teilnahme an einem intensiven täglichen strukturierten Rehabilitationsprogramm möglich ist.

Rehabilitationsprognose

Realistisches Rehabilitationsziel mit geeigneten Massnahmen innert nützlicher Frist erreichbar (in der Regel je nach Alter und Multimorbidität 3-4 Wochen, gegebenenfalls bis 6 Wochen bei nachvollziehbarer Begründung wie z.B. langer Aufenthalt im Akutspital, multiple Komplikationen).

Bei höherem Alter stellt sich die Frage nach der akutgeriatrischen Frührehabilitation. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein. Eine akutgeriatrische Frührehabilitation sollte so früh wie möglich einsetzen, um die altersbedingten Faktoren wie Frailty und Immobilität nicht durch Zeitverlust zu verschlechtern.

Für eine stationäre Durchführung spricht:

Neben Rehabilitationsbedarf, -potential und -fähigkeit parallele medizinische Weiterbehandlung (iv-Therapie, komplizierte Wundversorgung/VAC-Verband). Höheres Alter mit Selbstversorgungsdefizit und/oder kognitiver Einschränkung. Systemische, nicht monokausale Erkrankungen, Multimorbidität Schwere Dekonditionierung:

  • Reversible oder teilreversible Mobilitätseinschränkung (Selbständiger Transfer, Benutzung der Toilette, Treppensteigen).
  • Intensive Schulung (z.B. Stoma, PEG-Sonde).
  • Psychische Beeinträchtigung, die eine Krankheitsbewältigung erschwert oder unmöglich macht.
  • Fehlende Möglichkeit, eine sinnvolle ambulante zielführende Rehabilitationsmassnahme durchzuführen (fehlende Mobilität, Transportfähigkeit oder Infrastruktur, ungünstige Wohn- und Betreuungsverhältnisse, ausgeprägte Tumorfatigue).

Ziele:

  • Teilhabe (Partizipation).
  • Steigerung der Selbstversorgung.
  • Verbesserung der Ernährungssituation.
  • Stabilisierung der Psyche.
  • Verbesserung der Mobilität.
  • Reduktion von Symptomen.
  • Rückkehr in die angestammten Verhältnisse oder Alternativlösung.
  • Wiederaufnahme der Arbeit.
  • Herstellung einer Kondition, die eine sinnvolle und notwendige krankheitsbezogene Therapie möglich macht (Eingriff, Chemotherapie, Bestrahlung).
  • Sicherung des sozialen Systems.

Prozess:

  • Frühe Evaluation im Akutspital betreffend weiteren Verlauf, mittelfristige Planung (inkl. Palliative Care).
  • Evaluation der funktionellen Einschränkung (multiprofessionell: Ärzte, Pflege, Physiotherapie, Ernährungsberatung, Psychologe, Sozialdienst).
  • Auswahl der geeigneten Institution (ärztliche Stellungnahme notwendig).
  • Kommunikation zwischen zuweisender und weiterbetreuender Institution.

Zeitpunkt der onkologischen Rehabilitation:

Verbesserung der Konstitution, um einen komplexen Eingriff/Behandlung erfolgreich zu bewältigen. In ausgewählten palliativen Situationen (ECOG ≤ 3). Die Abgrenzung zur spezialisierten Palliative Care kann manchmal schwierig sein. Wenn der Fokus auf der Symptomkontrolle und Entscheidungsfindung liegt, ist die spezialisierte Palliative Care eine Option, Wenn eine Rückkehr nach Hause das Ziel ist, ist die onkologische Rehabilitation möglicherweise angemessener.

Eine einheitliche Kriterienliste mit Haupt- und Nebenkriterien wird den oft komplexen Patientensituationen nicht gerecht. Es ist eine fachkompetente interprofessionelle Beurteilung notwendig.

Zusätzlich können die Kriterienlisten von SWISS REHA oder der GD Zürich zu Rate gezogen werden – und oft ist eine telefonische Kontaktnahme mit dem ärztlichen Zuweiser oder der ärztlichen Leitung der Rehabilitationseinrichtung sinnvoll.

Oktober 2017
Dr. med. Christel Nigg

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Fragen, Anregungen

Haben Sie Fragen, Bemerkungen oder Anregungen zur Gestaltung unserer Homepage?

Teilen Sie uns das doch bitte mit und kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle.

Geschäftsstelle

SGV
c/o MBC Markus Bonelli Consulting
Rudolf Diesel-Strasse 5
8404 Winterthur

Tel. 052 226 06 03
Fax 052 226 06 04

Email info@vertrauensaerzte.ch