Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Palliative Care

Definition

Spezialisierte Palliative Care (PC) ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patientinnen und Patienten, die an einer unheilbaren und fortschreitenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leiden. Sinn dieses Ansatzes ist die Vermeidung oder Linderung von Leid durch präventive Massnahmen, gezielte Behandlung und frühzeitiges Antizipieren von belastenden Symptomen und dekompensierenden Betreuungssituationen. Dabei handelt es sich um progrediente Erkrankungen aus allen Disziplinen und Organsystemen. Der Ansatz richtet sich nach dem bio-psycho-sozialen Modell, beinhaltet aber als Besonderheit auch die Auseinandersetzung mit der spirituellen Dimension des Krankseins.

Einzig rund ein Fünftel benötigt akut eine spezialisierte Versorgung durch einen ambulanten oder stationären palliativen Konsiliardienst, die Palliativstation einer Akutklinik oder einer eigenständigen Palliativinstitution.

Davon abzugrenzen sind die Langzeitbetreuung in einem Hospiz oder Pflegeheim sowie die Spitex (siehe auch Indikationskriterien für spezialisierte Palliative Care, BAG, GDK).

Prozess

  • Frühe Evaluation durch Vorbehandelnde betreffend weiteren Verlauf der Erkrankung sowie die mittelfristige Planung
  • Bei unheilbaren und fortschreitenden Erkrankungen ist das frühzeitige Beiziehen eines Palliativmediziners anzustreben
  • Frühe Klärung der rechtliche Seite (ACP – Advanced care Planning) (Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag) und Berücksichtigung der spirituellen Dimension (Sterbeort, spezielle Wünsche)
  • Rasche Übernahme in eine geeignete Einrichtung (Vermeiden von Überbehandlung und unnötiger invasiver Massnahmen, adäquate Kommunikation mit Patienten und Angehörigen)
  • Evaluation der funktionellen Einschränkungen durch interprofessionelles Team
  • Kommunikation zwischen zuweisender und weiterbetreuender Institution
  • Klären des weiteren Behandlungspfads

Grundvoraussetzung

Vorliegen einer unheilbaren und fortschreitenden Erkrankung sowie einer komplexen oder instabilen medizinisch-pflegerischen Situation. Über die stationäre Aufnahme in eine spezialisierte Institution entscheidet das Vorliegen der Spitalbedürftigkeit. Dazu zählt auch eine akute Dekompensation des betreuenden häuslichen Systems mit dem klaren Ziel einer Klärung des Anschlussprocedere.

Die stationäre Betreuung in einer spezifischen Palliativeinheit ist eine akutsomatische Pflichtleistung, die Abgeltung erfolgt nach DRG. Die Regeln für die Inanspruchnahme der Komplexbehandlung mittels CHOP-Code sind sehr streng und klar definiert. Die Aufenthaltsdauer sowie das erforderliche Therapieangebot (360 Therapieminuten/7 Tage) ist anspruchsvoll, vor allem bei Sterbenden. Hier zeigt sich die Limitation dieses Konstruktes: Sterben ist nicht eine Diagnose, sondern ein Prozess.

Eine Besonderheit der Betreuung im Setting der spezialisierten PC ist die Interprofessionalität des Teams, in dem der Arzt als Primus inter pares fungiert. Bedingt durch die Betreuung in allen vier Dimensionen kommen hier den Pflegenden, Therapeuten, Psychologen und Seelsorgern wichtige Funktionen zu.

Zum Thema auch Palliative Care, BAG.

Indikation

Anlass der stationären Betreuung oder des Beiziehens eines spezialisierten ambulanten PC-Betreuungsteams ist eine instabile oder komplexe Situation. Die Instabilität kann sich auf die Symptomkontrolle oder Behebung schwerer psychischer Belastung beziehen, die den Einsatz spezifischer palliativmedizinischer Massnahmen erforderlich machen. Die spezifische palliative Symptomkontrolle erfordert spezielle Kompetenzen, weil sowohl betreffend Dosierung, Applikation und Indikation abweichende Konzepte von der kurativen Medizin bestehen. Die Fortsetzung einer Chemotherapie, Antibiotika-Gabe oder Bluttransfusion sind die wichtigsten Entscheidungen, die vorausschauend getroffen werden sollten. Netzwerk knüpfen und Support des betreuenden Bezugssystems vervollständigen den Auftrag. Bei Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsstadiums ist auch die Betreuung von komplexen end of life-Situationen Aufgabe der spezialisierten Palliativmedizin, wenn ohne parenterale Medikation keine Symptomkontrolle möglich ist oder mit traumatischen Symptomen wie Blutungen oder Status epilepticus gerechnet werden muss, sowie die Betreuung mittels palliativer Sedierung.

Keinesfalls ist spezialisierte PC eine reine Sterbebegleitung in der präterminalen Phase. Sie umfasst vielmehr auch rehabilitative Massnahmen mit dem Ziel, Patientenautonomie so lange wie möglich zu erhalten und ggf. auch eine Rückkehr nach Hause nach entsprechender Austrittsplanung möglich zu machen.

Ein bewährtes Konstrukt zur Erfassung der notwenigen Massnahmen ist das SENSE-Modell (St. Eychmüller):
S – Symptomkontrolle
E – Entscheidungsfindung
N – Netzwerk
S – Support

Assessments

  • Somatische Tools: eBI, FIM, IADL, NRS, ESAS, ECOG, Tinetti, Morse Fall Scale
  • Psychologische Tools: HADS, GDS, PO BADO
Besteht eine Sozial- und/oder Umfeldbeeinträchtigung, die eine Rückkehr in die angestammten Verhältnisse erschwert oder unmöglich macht?

Es liegt in der Natur der Sache, dass die internistisch-onkologische Rehabilitation und die spezialisierte Palliativmedizin sich in manchen Fällen überschneiden. Das zeigt sich auch im Gebrauch der Assessment-Instrumente, die gleichermassen im Rehabilitations-Bereich angewandt werden. Solange allerdings noch krankheitsspezifische Massnahmen erfolgen, die eine Verlängerung der Überlebenszeit zum Ziel haben, sollte eher eine Behandlung im Rahmen einer Rehabilitation angestrebt werden.

Im Einzelfall geht es um eine gesamtheitliche Beurteilung des Patienten, eine Identifikation oder Quantifizierung der Defizite im bio-psycho-sozialen und spirituellen Bereich, deren Summe aktuell nicht für die Rückkehr in die angestammten Verhältnisse befähigt und nicht nur rein pflegerische Defizite umfasst.

Ausschlusskriterien

Reine pflegerische Betreuung, stabile Situation.

Struktur der spezialisierten PC

Referenzdokumente.

Abgrenzungsfragen

Der Unterschied zwischen der spezialisierten PC (finanziert durch die OKP) und der Hospizbetreuung (end of life-Phase, Eigenfinanzierung der Hotellerie durch Patienten) ist oft für die Beteiligten nicht klar. Entscheidendes Kriterium ist die Spitalbedürftigkeit, die in der Regel vorübergehender Natur ist. Während dieser Phase soll die Situation stabilisiert werden, sodass eine Langzeitbetreuung in einer anderen Institution oder zu Hause erfolgen kann. Hier muss frühzeitig informiert werden. Der Einsatz von PC wird nämlich oft erst in der end of life-Phase gesehen. Hier kann das frühzeitigere Beiziehen die realistische Zielsetzung trotz Fortsetzung einer Chemo- oder Strahlentherapie für die Patienten und ihre Angehörigen transparent machen. Informierte Patienten und Angehörige sind handlungskompetenter.

1_bild

Februar 2019, Dr. med. Christel Nigg

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Fragen, Anregungen

Haben Sie Fragen, Bemerkungen oder Anregungen zur Gestaltung unserer Homepage?

Teilen Sie uns das doch bitte mit und kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle.

Geschäftsstelle

SGV
c/o MBC Markus Bonelli Consulting
Rudolf Diesel-Strasse 5
8404 Winterthur

Tel. 052 226 06 03
Fax 052 226 06 04

Email info@vertrauensaerzte.ch