Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

HTA für neue Leistungen in der OKP nach KVG

Das EDI, vertreten durch das BAG, ist zuständig für die Bewirtschaftung des „Leistungskatalogs“ in der OKP nach KVG. Hier existiert jedoch kein expliziter Leistungskatalog für alle Leistungen. Die Übersicht im Kapitel ​ Was ist Health Technology Assessment (HTA)? zeigt wie heterogen dieser aufgebaut ist. Mit Ausnahme der medizinischen Leistungen bestehen für alle Kategorien so genannte Positivlisten. Liegt eine Positivliste vor, werden nur jene Leistungen vergütet, welche explizit auf diesen Listen aufgeführt sind.

LeistungskategorieListeTypKommissionEntscheidRechtliche Form
Medizinische Leistungenkeine (es gilt das Vertrauensprinzip)Liste der umstrittene Leistungen (ja/nein/ja in Evaluation = CED)ELGKEDIVerordnung (Anhang 1 KLV)
Mittel und GegenständeMittel- und Gegenstände-Liste (MiGeL)PositivlisteEAMGKEDIVerordnung (Anhang 2 KLV)
AnalysenAnalysenliste (AL)PositivlisteEAMGKEDIVerordnung (Anhang 3 KLV)
Magistral-RezepturenArzneimittelliste mit Tarif (ALT)PositivlisteEAKEDIVerordnung (Anhang 4 KLV)
Konfektionierte ArzneimittelSpezialitätenliste (SL)EAKBAGEinzel-Verfügungen

Für die Aufnahme neuer Leistungen in eine Positivliste kennt die Schweiz das Antragssystem. Diese Anträge werden von den Herstellern oder von den Leistungserbringern eingereicht. Man kann diese Anträge auch als eine Art HTA-Bericht bezeichnen, der darlegen muss, inwiefern diese Leistungen die WZW-Kriterien erfüllen. Diese Anträge werden zunächst vom BAG geprüft, bei Bedarf unter Bezug externer Experten. Dann wird in den entsperchendenen Kommissionen das Appraisal durchgeführt. Diese Kommissionen bestehen je aus 15 Personen, welche die verschiedenen Stakeholdergruppierungen repräsentieren. Sie beurteilen die Dossiers und geben dann Empfehlungen ab, ob eine Leistung zu vergüten sei oder nicht. Der Entscheid über die Vergütung sowie die Preisfestsetzung liegen im Falle von Arzneimitteln beim BAG, für Analysen sowie Mitteln und Gegenständen beim EDI.

Für die grösste Kategorie der medizinischen Leistungen (wie beispielsweise Screening, Diagnostik, Operationen) gibt es keine Positivliste und es gilt das so genannte „Vertrauensprinzip“. Dabei wird implizit vermutet, dass von Ärzten ausgeführte diagnostische und therapeutsiche Leistungen die WZW-Kriterien a priori erfüllen. Nur wenn eine Anspruchsgruppe im Gesundheitswesen diese Tatsache für eine Leistung bezweifelt, kann ein so genanntes Umstrittenheitsverfahren eröffnet werden. Dann muss in einem nächsten Schritt vom Hersteller oder von der Gruppe der betroffenen Leistungserbringer ein Antragsdossier erstellt werden. Dieses wird vom BAG geprüft und dann der Kommission (ELGK) zugefügt. Diese spricht eine Empfehlung aus, ob diese umstrittene Leistung zukünftig vergütet, nicht vergütet oder mit der Auflagen weiterer Evidenzgenerierung vergütet werden soll (CED).(19) Der definitive Entscheid liegt dann beim EDI. Dessen Entscheide werden dann im Anhang 1 KLV publiziert. Preise, respektive Tarife für medizinische Leistungen werden zwischen den Tarifpartnern (Leistungserbringer und Krankenversicherer) ausgehandelt und nicht vom Bund festgelegt.

Aufnahme neuer Arzneimittel

Am klarsten strukturiert ist der Prozess für die Aufnahme neuer Arzneimittel in die Spezialitätenliste (Link hier). Die Zulassungsinhaberin des Arzneimittels muss dafür ein Antragsdossier zusammenstellen, das dem Assessment-Bericht in einem HTA Prozess entspricht. Allerdings handelt es sich nicht um klare methodische Vorgaben, wie dies in anderen Ländern der Fall ist. Bei der Wirksamkeit gilt es, den therapeutischen Nutzen anhand von wissenschaftlichen Studien darzustellen. Unter die Zweckmässigkeit fallen das Nutzen-Schaden-Profil aber auch die Packungsgrösse und Dosisstärke.

Die Wirtschaftlichkeit umfasst in der Schweiz nicht in erster Linie die Kosten-Wirksamkeit, sondern weitere Aspekte. Als erstes wird ein so genannter Therapeutischer Quervergleich (TQV) angestellt. Beim TQV wird die Wirksamkeit des neuen Arzneimittels mit bereits zugelassenen und standardmässig für die gleiche Indikation verwendeten Arzneimitteln verglichen. Das Vorgehen entspricht dem Prinzip eines „Relative effectiveness assessments“, obwohl dazu in der Schweiz keine klaren methodischen Vorgaben gemacht werden. Der TQV dient dann als ein Kriterium für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit. Dabei wird der Preis des neuen Arzneimittels mit den bisherigen verglichen unter Berücksichtigung des allfälligen Mehrnutzens. Je höher dieser ist, desto höher kann der „Innovationszuschlag“ für das Arzneimittel sein.

Als zweites Kriterium für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wird auf den Auslandpreisvergleich (APV) abgestellt. Dabei wird der Schweizer Preis mit den Preisen in neun europäischen Ländern verglichen (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Österreich, Niederlande, Schweden).

Es ist den Zulassungsinhaberinnen überlassen, zusätzlich noch weitere Informationen zur Wirtschaftlichkeit einzureichen, beispielsweise eine Kosten-Effektivitäts-Studie. Dies wird jedoch nicht explizit verlangt und deshalb auch selten gemacht. Der Budget Impact ist kein offizielles Kriterium für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in der Schweiz. Allerdings müssen die Firmen die erwarteten Verkaufsmengen angeben und so spielt der dadurch berechnete „Budget Impact“ in der Praxis bei der Beurteilung neuer Arzneimittel durch die Eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK) eine bedeutende Rolle. Diese Beurteilung durch die EAK stellt das Appraisal im Schweizerischen HTA Prozess dar, bevor das BAG dann über die definitive Aufnahme und eventuelle einschränkende Bestimmungen (Limitatio) entscheidet.

Der hier skizzierte Prozess für die Aufnahme neuer Leistungen und Arzneimittel in den Leistungskatalog der OKP unterscheidet die drei Schritte „Assessment“ (HTA Dossier des Antragstellers und kritische Überprüfung durch BAG), „Appraisal“ (Empfehlung durch Kommission) und „Decision“ (Entscheid durch BAG oder EDI). Dieser Dreischritt gilt international als guter Standard, wie im Kapite zum HTA Prozess (Link hier) beschrieben. Die Methodik hingegen ist in der Schweiz verglichen mit dem Ausland noch wenig präzisiert. HTA für bestehende Leistungen in der OKP-

HTA für neue Leistungen in der OKP

Neben dem Antragsprozess für neue Leistungen müssen gemäss Art. 32 Abs. 2 KVG auch bestehende Leistungen periodisch auf die WZW-Kriterien überprüft werden. Dies ist insbesondere wichtig, um obsolete Leistungen aus dem Leistungskatalog zu entfernen oder die Preise der Leistungen, insbesondere der Arzneimittel, anzupassen. Dabei werden die eigentlichen Assessments ausgeschrieben und in einem kompetitiven Auswahlverfahren vergeben. Die Assessments werden dann je nach Gebiet von einer der drei Kommissionen beurteilt (Link).

In der Schweiz befasst sich neben dem BAG noch ein weiterer Akteur mit HTA. Das „Swiss Medical Board“ (SMB) wird von der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Interpharma, Santésuisse und Curafutura getragen. Ziel des SMB ist es, bereits eingeführte und vergütete medizinische Leistungen mit einem fraglichen Kosten/Wirksamkeits-Verhältnis im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu hinterfragen. Dabei werden verschiedene HTA-Berichte zu ausgewählten Themen (Arzneimittel, Diagnostik, Medizinische Eingriffe) erstellt. Die Berichte des SMB haben jedoch keinen bindenden Charakter und so ist ihr Impact auf das Schweizerische Gesundheitssystem bisher auch limitiert.

Hauptakteur bei HTA in der Schweiz ist und bleibt jedoch der Bund, der die Führungsrolle in diesem Thema per Gesetz innehat. Der Bund, respektive das EDI und das BAG sind für Grundsatz-Entscheidungen betreffend Vergütung von medizinischen Leistungen durch die OKP und damit für den Leistungskatalog in der sozialen Krankenversicherung zuständig.

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