Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Besondere Aspekte der Beurteilung

Die Rechtsanwendung benötigt (auch) Informationen darüber, inwieweit eine Leistungseinschränkung auf - über eine blosse Verdeutlichung hinausgehender - Aggravation oder einer ähnlichen Erscheinung beruht, indem etwa eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geschilderten Schmerzen und dem gezeigten Verhalten oder der Anamnese besteht, intensive Schmerzen angegeben werden, deren Charakterisierung jedoch vage bleibt, keine medizinische Behandlung und Therapie in Anspruch genommen wird, demonstrativ vorgetragene Klagen auf die Sachverständigen unglaubwürdig wirken, schwere Einschränkungen im Alltag behauptet werden, das psychosoziale Umfeld jedoch weitgehend intakt ist (BGE 141 V 281 E. 2.2.1.). Deshalb können Angaben zum Verlauf über ihren anamnestischen Informationsgehalt hinaus im Rahmen der Beurteilung von Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere für die Intensität und Frequenz der Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe, Kooperation und Compliance sowie Erfolg oder Misserfolg verschiedener therapeutischer Ansätze und insbesondere stationärer Rehabilitationsbemühungen. Das Gutachten soll sich zur Vereinbarkeit der angegebenen subjektiven Beschwerden mit den erhobenen objektiven Befunden äussern und auf allfällige Diskrepanzen hinweisen. Festgestellte Inkonsistenzen sollen beschrieben, ebenso gegebenenfalls Waddell-Zeichen genannt werden. So wie „Befinden“ und „Befund“ sich unterscheiden, sind von der zu begutachtenden Person mitgeteilte Schmerzen nicht ohne weiteres geeignet, auf eine gleichermassen eingeschränkte Leistungsfähigkeit zu schliessen. Die Schmerzangaben sollen durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig feststellbare Befunde hinreichend erklärbar sein, müssen also zuverlässiger medizinischer Feststellung und Überprüfung zugänglich sein. Gutachterlich attestierte Einbussen der Leistungsfähigkeit erfordern mithin ein breiteres Begründungsfundament als die Schmerzangaben der zu begutachtenden Person.

Bei psychosomatischen Leiden (anhaltende somatoforme Schmerzstörung und vergleichbare Störungen) erwartet die Rechtsanwendung eine gutachterliche Stellungnahme insbesondere zu den folgenden Indikatoren (BGE 141 V 281 E. 4.1.3.):

  • Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde
  • Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz
  • Komorbiditäten
  • Persönlichkeitsdiagnostik, persönliche Ressourcen
  • sozialer Kontext
  • Konsistenz (Gesichtspunkte des Verhaltens): gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen, behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck

Sind Fachleute verschiedener medizinischer Disziplinen an einem Gutachten beteiligt, sollen deren fachspezifischen Beurteilungen in einer polydisziplinären Gesamtbeurteilung (Konsenskonferenz) zusammengeführt werden. Erfolgt die Begutachtung aus der Optik einer einzelnen Fachrichtung, so ist das Verhältnis zu Beurteilungen durch andere Disziplinen anzusprechen. Liegen solche bereits vor, ist eine koordinierte Beurteilung zu empfehlen.

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