Genetische Tests werden in zunehmenden Mass eingesetzt. Der Vertrauensarzt ist in der Beurteilung dieser Einsätze involviert: sowohl in Prävention als auch Therapie. Die Durchführung genetischer Untersuchungen wird durch das GUMG geregelt, die Kostenübernahme durch KVG und IV.
Für genetische Untersuchungen werden die Definitionen gemäss GUMG Art. 3 verwendet. Es empfiehlt sich, diese Begriffe auch im vertrauensärztlichen Alltag zu verwenden.
Bst. f Art. 12d KLV: Genetische Abklärungen, um eine Krankheitsprädisposition zu erkennen. Es handelt sich z.Z. um die einzigen präsymptomatischen Untersuchungen, die eine Leistungspflicht der OKP auslösen.
Bst. d Art. 13 KLV: Während einer Schwangerschaft zu übernehmende genetische Abklärungen.
Die als Pflichtleistung zu vergütenden Analysen müssen nach Artikel 25 Absatz 1 KVG der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Die Diagnostik hat mit einer akzeptablen Wahrscheinlichkeit die Konsequenz, dass sie
(Nur eine der 4 Bedingungen erforderlich).
Weitere relevante Bestimmungen, Kapitel 2 AL:
Brief des BAG zur Kostenübernahme genetischer Tests.
Im IVG enthält das KSME, Rz 1020, Ausführungen zu genetischen Untersuchungen:
1020 Genetische und mitochondriale Abklärungen
Rund 20'000 Gene sind im Zellkern in Form von DNA auf den 46 Chromosomen aufgereiht und bilden die Grundeinheiten des Erbgutes. Wenige Gene sind ausserhalb des Zellkerns in den Mitochondrien angesiedelt (mitochondriale DNA).
Genetische Analysen können auf zwei unterschiedlichen Ebenen durchgeführt werden: auf Chromosomen- oder Genebene.
Hier handelt es sich um Methoden, die Veränderungen der Zahl oder der Struktur der Chromosomen (Chromosomenanomalien) untersuchen. Chromosomenuntersuchungen stehen völlig losgelöst von Genuntersuchungen und geben entsprechend keine Auskunft über eine allfällige Genveränderung. Eine normale Chromosomenuntersuchung schliesst somit eine allfällige molekulargenetische Analyse nicht aus.
Karyotyp: Veränderungen der Zahl sowie „grössere“ Strukturveränderungen (bis zu 5 Megabasen) der Chromosomen können mittels einem Standard Karyotyp nachgewiesen werden. Kleine Strukturveränderungen (unter 5 Megabasen; wie z.B. die Mikrodeletion 22q11 ) sind auf der mikroskopischen Auflösung eines Standard Karyotyps nicht sichtbar.
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH): Mit Hilfe von fluoreszierenden Sonden werden bestimmte chromosomale Regionen untersucht. Beispielsweise werden Sonden für das Chromosom 21 angewendet, um zu testen, ob drei Chromosom 21 vorliegen (FISH Schnelltest) oder Sonden für strukturelle Chromosomenanomalien wie z.B. für das Cri-du-Chat-Syndrom. Prinzipiell lassen sich solche Untersuchungen sowohl an Zellkernen (Interphase) wie auch an Metaphasenpräparaten durchführen.
Mircro-array: Zum Nachweis submikroskopischer chromosomaler Anomalien erfolgt die molekulare Karyotypisierung (Micro-Array). Die Array-Diagnostik erfasst - wie der Karyotyp – alle Chromosomen, jedoch mit einer wesentlich höheren Auflösung (unter 5 Megabasen). Die Anwendung der Micro-Array-Technik insbesondere bei Kindern mit komplexen Retardierungs- und Fehlbildungssyndromen hat zahlreiche neue Mikrodeletions- und Mikroduplikationssyndrome definiert.
Balancierte Translokationen und Inversionen sowie geringgradige Mosaike können mittels Micro-Array nicht detektiert werden. Die Array-Diagnostik kann die klassische Karyotypisierung und Tumorzytogenetik somit nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.
Hier werden krankheitsverursachende Veränderungen in der DNA-Sequenz der Gene (Genmutationen) gesucht.
Sanger Sequenzierung: Gilt als eine der klassischen Methoden der Einzelgenanalyse und ermöglicht die Bestimmung der Basenabfolge von einzelnen DNA-Abschnitten, meist Exone (protein-codierende Genabschnitte) . Sie ist eine serielle Methode (analysiert ein Exon nach dem anderen) und stellt die Methode der Wahl dar um bekannte, spezifische Mutationen in einem bestimmten Exon zu suchen oder um kleine Gene (weniger als 13 Exone) zu analysieren. Dosisveränderungen des gesamten untersuchten Gens oder einzelner seiner Abschnitte (Deletionen/Duplikationen) können mit der Sanger Sequenzierung technisch nicht erfasst werden. Eine begrenzte Aussagekraft hat diese Methodik auch bei der Erfassung von Mosaikbefunden.
MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification): Mit dieser Methode lassen sich Gendosisveränderungen (Deletionen und Duplikationen einzelner Genabschnitte) sowie ganzer Gene zuverlässig nachweisen. Eine MLPA Analyse wird entsprechend häufig ergänzend zu einer Sanger-Sequenzierung eingesetzt.
Hochdurchsatzsequenzierung (HDS) / Paneldiagnostik: Mit der HDS ist es möglich, mehrere Gene (Genpanel), alle kodierenden Gene (Exome) oder sogar das gesamte Erbgut (Genom) simultan zu analysieren. Diese neue Art der Sequenzierung wird insbesondere bei mendelschen Erkrankungen eingesetzt, für die Mutationen in vielen verschiedenen Genen verantwortlich sein können, wie z.B. für mentale Retardierung oder erbliche Netzhauterkrankungen. Je nach vorliegender Krankheit bzw. Krankheitsgruppe gibt es Positionen für 1-10 Gene, für 11-100 Gene oder für > 100 Gene. Durch HDS lassen sich für diese Patienten die krankheitsverursachenden Mutationen schneller und sehr viel kostengünstiger identifizieren, als mit der klassischen seriellen Einzelgen-Analyse mittels Sanger-Sequenzierung. Die HDS Methode ist somit auch bei grossen Genen (> 13 Exone) indiziert . Wie bei der Sanger Sequenzierung hat auch die HDS eine begrenzte Aussagekraft für Deletionen / Duplikationen. Entsprechend wird auch bei der HDS gelegentlich eine MLPA Analyse ergänzend eingesetzt.
Verordnung nur durch Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe mit Schwerpunkt fetomaternale Medizin, für Medizinische Genetik und Fachärzte mit FA Schwangerschaftsultraschall der SGUM.
Als Grundlage dient der Expertenbrief verfasst von der Arbeitsgruppe der Akademie für fetomaternale Medizin und der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Genetik Link zur Seite.
umfassen eine Karyotypisierung, ev. ergänzt durch Micro-Array oder molekulargenetische Analyse gemäss KLV Art 13 Buchstabe d:
Eine invasive Untersuchung für Chromosomenuntersuchung gibt keine Antwort auf eine allfällige Mutation in einem Gen und umgekehrt, eine molekulargenetische Analyse gibt keine Antwort bezüglich einer allfälligen Chromosomenanomalie. Entsprechend sind gelegentlich sowohl eine pränatale Chromosomen- wie auch eine molekulargenetische Untersuchung leistungspflichtig. Beispiel: Eine Frau hat ein 25 % Risiko für ein Kind mit einer Mukoviszidose und gleichzeitig ein Risiko von ≥ 1:380 für eine Aneuploïdie. Hier sind sowohl die molekulargenetische Analyse für die krankheitsverursachende(n) Mutation(en) im Mukoviszidose-Gen wie auch eine Chromosomenuntersuchung leistungspflichtig.
Indikationen:
Verordnung nur durch FA Medizinische Genetik oder Weiterbildungstitel in engstem fachlichem Zusammenhang mit der untersuchten Krankheit.
Tarifpositionen 2800.xx (Hochdurchsatzsequenzierung = HDS):
Je nachdem wie viele Gene für die vorliegende Erkrankung /Erkrankungsgruppe identifiziert wurden, werden Untersuchungen für 1-10 Gene, für 11-100 Gene oder für > 100 Gene verordnet.
HDS Analysen dürfen mit Analysen des Kapitels 2.2.1 Zytogenetische Analysen kumuliert werden. Insbesondere bei unklarer Entwicklungs-, oder neuropsychiatrischer Störung oder angeborener Anomalien ohne hinreichend konkreten Verdacht auf eine bestimmte chromosomale oder monogene Erkrankung ist der diagnostische Ansatz oft derjenige, dass mit einer Micro-Array Analyse angefangen wird und falls diese normal ausfällt ein Antrag für eine HDS AL-Position erfolgt.
Es handelt sich meist um HDS, die 1-10, 11-100 oder > 100 Gene betreffen und prä- sowie postnatal verordnet werden können. Die Kostenübernahme erfolgt nur auf vorgängigen Antrag und mit Bewilligung des Vertrauensarztes. Bei dringenden Untersuchungen (z.B. Pränataldiagnostik) soll das Kostengutsprache-Gesuch innert 2-3 Arbeitstagen bearbeitet werden.
Diese Positionen sind mit einer ausführlichen Kriterienliste versehen:
Bei unklaren Fällen oder im Fall einer negativen Beurteilung des Antrags ist es obligatorisch einen Experten der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Genetik beizuziehen.
Häufig werden nicht die Angaben geliefert, die eine Beurteilung ermöglichen, insbesondere bei den OD Anträgen für die Positionen ab 11 Genen. Die Anträge müssen klinische Angaben beinhalten, welche für den Vertrauensarzt die diagnostische Indikation nachvollziehbar machen.
Nennung einer Verdachtsdiagnose und OMIM-Nummer bei Untersuchung von > 100 Genen. Hier lohnt es sich mit dem veranlassenden Arzt Rücksprache zu nehmen.
Dr. med. Jörg Eimers
Dr. med. Siv Fokstuen
Februar 2019
Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte
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