Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Endokrinologie - Diabetologie

Es werden im Folgenden Problemfelder des internmedizinischen Fachgebiets Endokrinologie-Diabetologie, die zu Fragen an den Vertrauensarzt führen, besprochen. Es handelt sich in zunehmendem Ausmass um die Behandlung der Adipositas, des Diabetes mellitus und dessen Folge- und Begleiterkrankungen, des Hypogonadismus sowie des Nebenschilddrüsenadenoms. Fragen zur gynäkologischen Endokrinologie werden im Kapitel Gynäkologie, zur Osteologie im Kapitel Rheumatologie (in Bearbeitung) behandelt.

Adipositas

Ernährungsberatung

Ernährungsberatung auf ärztliche Verordnung (Art. 9b Ziff 1 Bst b KLV)

Medikamentöse Behandlung:

Auf der SL-Liste mit Limitationen: Orlistat/Xenical® sowie Liraglutid Saxenda®.

Keine Pflichtleistungen sind Therapien mit Amphetaminen, Gonadotropinen oder Schilddrüsenhormonen. Diese Behandlungen sind nicht sinnvoll und können sogar schädigend sein.

Operative Behandlung:

Bei einem BMI >35 stellt die chirurgische Behandlung der Adipositas eine Pflichtleistung dar. Daneben sind aber zwingend noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen (Anhang 1 Ziff. 1.1 KLV). Wahl des Operationsverfahrens laparoskopische Sleeve Gastrektomie oder laparoskopischer proximaler Magenbypass: Bezüglich Gewichtsverlust, Remission der Co-Morbiditäten, Verbesserung der Lebensqualität und Langzeitsicherheit sind die zwei Operationsverfahren ähnlich effektiv. Bei vorbestehendem gastroösophagealem Reflux sollte die Magenbypass-OP gewählt werden Link Pubmed.

Postoperativ: regelmässige Nachkontrollen mit gezielter Laboranalyse (Vitamine, Spurenelemente), lebenslange Einnahme von Multivitaminen notwendig Link Pubmed.

Das Multivitaminprodukt (LPPV) geht zu Lasten des Patienten. Die Kosten hierfür sind niedrig (ca. 25 CHF pro Monat). Es liegt in der Eigenverantwortung jedes Patienten, diese prophylaktische Massnahme konsequent durchzuführen, um Folgeerkrankungen zu vermeiden. Im Multivitaminprodukt sollten folgende Vitamine und Spurenelemente enthalten sein: Vitamin A, D3, E, K, C, B1, B2, B6, B12, Niacin, Pantothensäure (Vitamin B5), Biotin, Folsäure, Ca, Mg, Fe, Zn, Se, Cu, J, Mn, Mo und Cr. Meist reicht die Einnahme eines Multivitaminproduktes nicht aus, so dass zusätzlich eine Supplementation mit Ca/D3, Fe und B12 notwendig wird. Etwa ein Drittel der Patienten entwickelt postoperativ einen Vitamin B12 Mangel trotz regelmässiger Einnahme des Multivitaminproduktes. Da postoperativ nur noch wenige Parietalzellen im kleinen Magenpouch vorhanden sind, besteht meist ein Mangel an Intrinsic Factor, so dass die Möglichkeit zur gastrointestinalen Aufnahme des Vitamin B12 beschränkt ist. In diesem Falle ist eine regelmässige parenterale Substitution (Vitarubin® auf SL) notwendig Link Pubmed. Auch der Eisenmangel ist postoperativ ein häufiges Problem (bis 50% der Patienten, vor allem Frauen mit regelmässiger Menstruation Link Pubmed. Die Substitution kann bei leichtem Eisenmangel oral versucht werden, sofern sie gut vertragen wird. Da post-bariatrische Patienten nur noch wenig Magensäure-Produktion haben, ist die intestinale Eisenresorption erschwert Link Pubmed. Deshalb empfiehlt sich bei schwerem Eisenmangel oder bei fehlendem Therapieerfolg nach oraler Substitution die intravenöse Substitution.

Diabetes mellitus

Technische Hilfsmittel und Beratung

Insulinpumpe (MiGeL):

Diabetes mellitus Typ 1 mit instabilem Blutzuckerspiegel. Muss von einem Endokrinologen/Diabetologen verordnet werden.

Kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) System mit Alarmfunktion (MiGeL):

Bei insulinbehandelten Patienten unter folgenden (vor Beginn mit CGM vorliegenden) Bedingungen:

  • a) HbA1c gleich oder höher als 8 % und/oder
  • b) bei schwerer Hypoglykämie, Grad II oder III oder
  • c) bei schweren Formen von labilem Diabetes 1 mit starken Schwankungen des Glukosespiegels (sog. Brittle Diabetes)

Muss durch Endokrinologen/Diabetologen verordnet werden.

Nach 12 Monaten Tragedauer benötigt die Versicherung einen Verlaufsbericht, danach ist die Kostengutsprache bis auf weiteres gültig.

Sensor-basiertes Glukose Monitoring System mit vorkalibrierten Sensoren und Wertabfrage (Freestyle libre von Abbott) (MiGeL)

Verordnung durch Endokrinologen/Diabetologen.

Unter intensivierter Insulintherapie (Pumpentherapie oder Basis-Bolus-Therapie, wobei der Bolus abhängig vom aktuellem Blutzucker, der Menge an zugeführten Kohlenhydraten und der geplanten körperlichen Aktivität berechnet wird).

Blutzucker-Teststreifen (MiGeL 21.03.01.02.1)

Bei Insulin-pflichtigem Diabetiker unbeschränkte Menge pro Jahr.

Bei nicht Insulin-pflichtigem Diabetiker: 400 Stück pro Jahr.

Patient mit Basalinsulintherapie und Sulfonylharnstoff ist verpflichtet, vor Antritt jeder Autofahrt den Blutzucker zu messen. Falls diese Person beruflich mit dem Auto unterwegs ist, können dies >4 Messungen pro Tag sein.  Da ist ein Sensor-basiertes Glukose Monitoring System mit vorkalibrierten Sensoren und Wertabfrage günstiger. Die Autorin empfiehlt deshalb, die Kostengutsprache für ein Sensor-basiertes Glukose Monitoring System mit vorkalibrierten Sensoren und Wertabfrage zu gewähren, auch wenn der Patient keine Basis-Bolus-Insulintherapie benötigt.

Orthopädische Serienschuhe:

Werden normalerweise von der IV (Art. 21 IVG) und nach dem Pensionsalter von der AHV (Art. 2 HVA) übernommen. Es bleibt ein Selbstbehalt für den Patienten. Weitere Informationen unter www.ahv-iv.ch.

Podologische Behandlung:

Für Patienten mit einer peripheren Polyneuropathie ist dies zwingend (alle 4-6 Woche) notwendig. Diese Behandlung ist eine Prävention für das diabetische Fuss-Syndrom und kann entsprechend grosse Komplikationskosten vermeiden. Im Einzelfall ist eine Übernahme der Kosten durch die OKP gerechtfertigt.

Ernährungsberatung (Art. 9 b Ziff 1 Bst. a + b KLV)

Auf ärztliche Anordnung werden bis zu sechs Sitzungen übernommen. Diese ärztliche Anordnung kann für sechs weitere Sitzungen wiederholt werden. Für weitere Sitzungen muss der behandelnde Arzt einen begründeten Vorschlag unterbreiten.

Diabetesberatung (Art. 9 c KLV)

Auf ärztliche Anordnung werden maximal zehn Sitzungen übernommen. Für weitere Sitzungen muss der behandelnde Arzt einen begründeten Vorschlag unterbreiten.

Medikamentöse Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2:

Gemäss den SGED Richtlinien

Übersicht über die verschiedenen Medikamente:

  • Metformin: Kein Hypoglykämie-Risiko. Leichter Gewichtsverlust möglich. Stopp bei Unverträglichkeit oder abnehmender Nierenfunktion (GFR <45ml/min Dosis halbieren, GFR <30 ml/min stopp).
  • DPP4-Hemmer: Kein Hypoglykämie-Risiko, keine Gewichtszunahme. Viele verschiedene Produkte.
  • Sulfonylharnstoff: Es besteht ein Hypoglykämie-Risiko, zudem etwas Gewichtszunahme möglich. Gliclazid/Diamicron MR® oder Gliclazid retard® ist das einzige sinnvolle Produkt dieser Gruppe, da die Hypoglykämie-Neigung am geringsten ist.
  • SLGT-2-Inhibitoren: Das kardiovaskuläre Risiko wird hierdurch gesenkt. Die Behandlung ist bei einer Nierenfunktion bis >30 ml/min möglich. Kein Hypoglykämie-Risiko. Möglichkeit zur Gewichtsreduktion. Dapagliflozin/Forxiga®, Canagilflozin/Invokana®, Empagliflozin/Jardiance®. Die Kombination von Canagliflozin/Invokana® mit DPP4-Hemmern ist nicht leistungspflichtig. Die Kombination von Dapagliflozin/Forxiga® und Empagliflozin/Jardiance® mit DPP4-Hemmern ist leistungspflichtig. Dies ist aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll, weshalb die Autorin empfiehlt, auch die Kombinationstherapie von Canagliflozin/Invokana® und DPP4-Hemmern zu übernehmen.GLP-1-Agonisten: Das kardiovaskuläre Risiko wird hierdurch gesenkt. Die Behandlung ist bei einer Nierenfunktion bis >30 ml/min möglich. Kein Hypoglykämie-Risiko. Möglichkeit zur deutlichen Gewichtsreduktion. Diverse Produkte.
  • Insulin: Basalinsulintherapien, Bolusinsulintherapien, Basis-Bolus-Therapie.

Sinnvolle, nicht leistungspflichtige Kombinationen (OLU):

  • GLP1-Agonist mit SGLT2-Inhibitor: In den Studien wurde die Sicherheit belegt, die Kombination ist sehr wirksam und verursacht kaum Hypoglykämien, sofern zusätzlich kein Insulin oder keine Sulfonylharnstoffe angewendet werden Link Pubmed. Für Personen, die keine Hypoglykämie-verursachende Medikamente nehmen dürfen (z.B. Car-Chauffeur): Dies sind Ausnahme-Situationen. Falls diese Kombination nicht übernommen wird, verlieren diese Personen ihre Arbeitsstelle.
  • Basis-Bolus-Insulintherapie mit GLP-1 Agonist. Für Personen mit Adipositas und einer ausgeprägten Insulinresistenz. Durch die zusätzliche Behandlung mit einem GLP-1 Agonisten kann Insulin gespart werden, der Patient kann Gewicht verlieren, die Motivation steigt, der Lebensstil wird optimiert Link Pubmed.

Rehabilitation bei Diabetes mellitus II

Endokrinologie

Hypo- oder hypergonadotroper Hypogonadismus

Der Hypogonadismus beim Mann führt zu einer verminderten Testosteronproduktion und zu einer verminderten Spermienproduktion in den Hoden. Die Ursache hierfür liegt entweder in einer Erkrankung der Hoden (primärer Hypogonadismus) oder in einer Erkrankung des Hypothalamus/Hypophyse (sekundärer Hypogonadismus). Beim primären Hypogonadismus sind die Gonadotropine erhöht, beim sekundären Hypogonadismus sind die Gonadotropine normal oder erniedrigt. Nach Stellung dieser Diagnose muss die Ursache gesucht werden. Dies beinhaltet sowohl anamnestische und klinische Hinweise, wie auch genetische Analysen und bildgebende Verfahren. Therapie:

  • Testosteron/Nebido® (Limitatio) bei nachgewiesenem primären oder sekundären Hypogonadismus.
  • Kinderwunsch: Beim primären Hypogonadismus kann die Spermienproduktion aufgrund der Schädigung des Organs nicht medikamentös beeinflusst/verbessert werden. Bei Patienten mit sekundärem Hypogonadismus kann mittels Gonadotropin-Therapie die Spermiogenese verbessert werden: Spermiogramm veranlassen mit nachfolgender Behandlung mit Choriongonadotropin u-hCG/Choriomon® (Limitatio). Falls das Spermiogramm nur eine ungenügende Verbesserung zeigt, wird Follitropin/alfa Gonal F® (Limitatio) zugefügt.

Grenzwertiger Hypogonadismus bei älteren Männern im Sinne einer Andropause: Im Alter fallen der Testosteronspiegel und das freie Testosteron leicht ab, das Sex-Hormone-Binding-Globulin (SHBG) und die Gonadotropine steigen leicht an. (Link Pubmed).

Bei Patienten mit entsprechender Symptomatik sollten die möglichen Ursachen für einen „realen“ Hypogonadismus gesucht werden. Falls abgesehen vom Alter kein anderer Grund für den grenzwertigen Hypogonadismus gefunden werden kann, ist es kontrovers, ob diese Patienten von einer Testosteron-Ersatztherapie profitieren. Bisher gibt es keine Studie, die klar positive Effekte zeigen konnte. Es besteht jedoch ein Nebenwirkungsprofil. Falls in diesem Fall trotzdem eine Testosteron-Ersatztherapie versucht wird, besteht hierfür keine Leistungspflicht durch die Krankenkasse Link Pubmed. Meist verbessert sich die Lebensqualität des Patienten eher durch die Anpassung des Lebensstils (Gewichtsreduktion, Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren).

Bei einem hypogonadotropen Hypogonadismus nach Doping mit Testosteron-haltigen Produkten sollte abgewartet werden, bis die Hypophysen-Gonadenachse ihre Funktion wieder wahrnimmt. Frühestens nach zwei Jahren kann bei weiter bestehendem Hypogonadismus eine hormonelle Therapie mit Choriongonadotropin u-hCG/Choriomon® zur Restitution überlegt werden. Neben dem Hypogonadismus birgt diese Variante des Dopings weitere Nebenwirkungen, die Behandlungen und Kosten nach sich ziehen Link Pubmed. Prospektive Studien gibt es kaum.

Primärer Hyperparathyreoidismus

Beim primären Hyperparathyreoidismus zeigt sich eine Hypercalcämie mit begleitend erhöhtem Parathormon. Meist ist hierfür ein Nebenschilddrüsen-Adenom verantwortlich, das chirurgisch entfernt werden kann. Eine OP-Indikation besteht bei folgenden Situationen (Link Pubmed):

  • Alter < 50 Jahre
  • Serum Calcium-Konzentration >2.9 mmol/l
  • Calcium-Ausscheidung im 24-h-Urin >400 mg
  • Geschätzte Glomeruläre Filtrationsrate <60 ml/min
  • Nephrolithiasis oder Nephrocalcinose
  • Verminderung der Knochendichte: T-Score < -2.5

Für die Operation muss das Nebenschilddrüsenadenom lokalisiert werden, so dass eine minimalinvasive Behandlung möglich ist und keine bilaterale Halsexploration erfolgen muss. Wenn die sonographische und szintigraphische Lokalisationsdiagnostik eines Nebenschilddrüsenadenoms nicht gelingt, bietet sich die Cholin-PET-Untersuchung an Link Pubmed. Diese Untersuchung ist nicht leistungspflichtig, obwohl sie möglicherweise nachfolgend eine minimalinvasive Behandlung erlaubt, wodurch Kosten für eine grössere Operation und längere Hospitalisierung gespart werden können.

Bei Patienten, die eine Operation ablehnen, polymorbid oder inoperabel sind, bietet sich die Behandlung mit Cinacalcet/Mimpara® in Kombination mit Alendronat an Link Pubmed.

Beim sekundären Hyperparathyreoidismus besteht keine Erkrankung der Nebenschilddrüsen. Es handelt sich um eine kompensatorisch erhöhte Parathormon-Produktion bei Vitamin D Mangel oder Hypocalcämie. Siehe auch Kapital Pädiatrische Endokrinologie

Juli 2018, Dr. med. Diane Möller-Göde

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

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