MediScore ist ein Modell zur Nutzenbewertung eines Medikamentes ausserhalb der Spezialitätenliste im Rahmen von Art. 71 a/b KVV.
MediScore richtet sich nach den Grundsätzen von Evidence based Medicine (EbM), indem möglichst wissenschaftlich gesichertes Wissen einbezogen wird, gepaart mit fachspezifischen, empirischen Elementen.
Die Rating Kriterien sind den Rubriken Data Quality, Efficacy und Quality of Life zugeordnet.
MediScore ist eine Annäherung an den erwartbaren therapeutischen Nutzen. Die Realität wird im Einzelfall nicht voll abgebildet.
MediScore ist ein Arbeitsinstrument für den Vertrauensarzt zur Bewertung des therapeutischen Nutzens. Er kann bei der Schlussbeurteilung vom Modellergebnis abweichen, wenn gewichtige Gründe vorliegen, insbesondere wenn der Einzelfall nicht optimal zur Studienpopulation oder zum Studiendesign passt.
MediScore beinhaltet eine "rote Linie", ab wann ein Nutzen gross ist.
MediScore wird regelmässig überprüft und neuen Erkenntnissen angepasst.
Kriterium | MediScore | ASCO | ESMO |
Anwendung ausserhalb von randomisierten Phase-III-Studien | JA | NEIN | NEIN |
Anwendung ausserhalb von soliden Tumoren | JA | NEIN | NEIN |
Anwendung ausserhalb Onkologie | JA | NEIN | NEIN |
Einbezug der wichtigsten Studienparameter | +++ | +++ | +++ |
Tauglichkeit für komplexe Fälle | +++ | ++ | ++ |
Reproduzierbarkeit des Ergebnisses | +++ | +++ | +++ |
Definierte Kriterien | +++ | ++ | ++ |
Schnelligkeit zur Ergebniserreichung | ++ | ++ | ++ |
Einfachheit in der Anwendung | ++ | ++ | + |
Tauglichkeit für Verträge mit Pharma | +++ | ? | ? |
Zweck des Modells | Umsetzung Art. 71 KVV | Gespräch Arzt/Patient | Genereller Nutzen |
Länderspezifische Stärke | CH | USA | EU |
Onkologische Leiden, die unter Standardtherapie* oder im Spontanverlauf ** kurz, d.h. innert 12 Monaten zum Tod führen. In diese Gruppe fallen rasch progrediente Leiden wie das Pancreas-CA. Eine mittlere Lebensverlängerung um 3 Monate kann bereits relevant sein. Ab dieser OS-Limite vergeben wir deshalb Punkte.
Dem gegenüber stehen die längeren Verläufe von 1-2 oder drei und mehr Jahren. Für solche Zeiträume erwarten wir, dass ein Medikament mindestens eine vier bis sechsmonatige mittlere Lebensverlängerung bringt. In diese Gruppe fallen oft Targetmedikamente oder es sind Leiden wie z.B. maligne Hämopathien, Prostata- oder Mamma-CA.
Die unterschiedliche Gewichtung der OS-Zeitdauer in Relation zur Tumorart (schnell oder langsam fortschreitend) steht im Einklang mit der Forderung am ASCO 2014 (Lee M. Ellis, "Clinically Meaningfull Outcomes", JCO March 2014) → Es werden drei Monate OS-Verbesserung als Minimum einer Therapie gefordert, auch bei schnell wachsenden Tumoren.
* Unter Standardtherapie verstehen wir die verbleibende Lebenszeitspanne unter dieser Therapie, als ** Spontanverlauf die Zeitspanne des Überlebens ohne Medikament.
RECIST 1.1 definiert die Tumorantwort auf cytotoxische Medikamente. Der Mechanismus von Immunonkologika wie Vaccines, Monoclonal Antibodies, Checkpoint Inhibitors or Cytokines ist anders und verlangt angepasste Kriterien, sogenannte irRC (immun relatet Response Criteria). Es ist ein Unterschied, ob mit Recist oder mit irRC gemessen wird. So gilt z.B. bei Immuno-oncology-agents eine Erstverschlimmerung (scheinbares Tumorwachstum infolge Auflockerung) als Ansprechen und nicht als Progression. Da aber noch nicht alle Studien mit diesen "ir-Werten" arbeiten, setzen wir in der Praxis jenen Wert ein, der in der Studie verwendet wird.
irCR | Complete Response: Complete disappearance of all lesions (whether measurable or not , and no new lesions, and confirmation by a repeat consecutive assessment no less than 4 weeks from date first documented |
irPR | Partial Response: Decrease in tumor burden ≥ 50% relative to baseline confirmed by repeat consecutive assessment at least 4 weeks later |
irSD | Stable Disease: Not meeting criteria for irCR or irPR in absence of irPD |
irPD | Progression: Increase in tumor burden ≥ 25% relative to nadir (minimum recorded tumor burden) confirmed by repeat consecutive assessment at least 4 weeks later |
Wir gewichten das lange Überleben einer kleinen Gruppe unterhalb der medianen OS-Kurve (unterhalb 50%), im Sinne von Ongoing Response, mit Bonus-Punkten. Wir definieren, dass Bonuspunkte dann angebracht sind, wenn die OS Kurve während mindestens 12 Monaten horizontal verläuft → dies als Ausdruck des Langzeitüberlebens. Bonuspunkte geben wir pauschal (ohne ∆) ab 10%, um das Risiko eines Bias wegen einer natürlichen Langzeit-Immunantwort zu minimieren. Bei Leiden mit jahrelangen natürlichen Krankheitsverläufen wird der Vertrauensarzt eine Globalbeurteilung vornehmen, ob Bonuspunkte angebracht sind.
Hier geht es mehrheitlich um die Erreichung eines Benefits in ganz verschiedenen Situationen oder um die Verbesserung eines Krankheitsverlaufes (Remission). Die Wirkung wird beschrieben mit drei Parametern:
Es muss sich um eine relevante klinische Verbesserung handeln, die signifikant ist. Als Benefit bezeichnen wir den Haupteffekt mit der grössten klinischen Relevanz. Bei Remissionen als Haupteffekt gelten Partial- und Complete Remissionen (PR und CR) zusammen. In jenen Fällen, wo hohe CR-Anteile erreicht werden, geben wir mehr Punkte. Generell gibt es mehr Punkte für Studien mit einer Kontrollgruppe (∆) und weniger Punkte, wenn eine Studie ohne Kontrollgruppe (ohne ∆) vorliegt. Wichtig ist auch die Nachhaltigkeit der Wirkung. Dies widerspiegelt sich in der separaten Bewertung der Zeitdauer des Ansprechens, bezeichnet als "Zeitdauer Outcome". Im Sinne einer Vereinfachung verwenden wir hier die absoluten Werte (ohne ∆).
Die Studien im Non-Oncology-Bereich sind sehr heterogen, da jeder Fachbereich wieder eigene Spezifitäten aufweist. Auch werden oft mehrere Parameter gemessen. Der Vertrauensarzt muss daher vor der Nutzenbestimmung den Leitwert (Haupteffekt → Outcome) der Studie bestimmen. Dieser Leitwert wird dann als Outcome bewertet.
Score-Punkte werden vergeben in Abhängigkeit der Anzahl Personen, die vom Benefit profitieren und wie lange der Effekt anhält. Bei einigen Krankheiten gibt es international definierte Outcomes. Für diese Krankheiten entwickeln wir spezifisch angepasste MediScores wie z. B. bei Rheumatoider Arthritis oder MS.
Die präsentierten Studien sind nicht immer so aufgebaut, dass eine Zuordnung nach Oncology oder Non-Oncology sinnvoll ist. Manchmal sind die Endpunkte im Non-Oncology-Bereich ebenfalls Tod und Krankheitsprogress, was zu OS und PFS Werten führt. In dieser Situation wird der Vertrauensarzt besser mit dem Oncology-Modell arbeiten. Er muss deshalb je nach Studie entscheiden, mit welchem Modell er die Nutzenbewertung vornehmen will.
Bei OS und PFS wollen wir gezielt die Verbesserung durch das Medikament bewerten und geben deswegen Punkte für die Verbesserung gegenüber der Kontrollgruppe. Wir arbeiten daher mit dem Differenzwert d wie Delta (∆). Handelt es sich um eine Studie ohne Vergleich, wird der Spontanverlauf durch den Vertrauensarzt eingeschätzt. Ein Hinweis wie gross dieser im Mittel ist, ergibt sich aus der Differenz zwischen PFS und OS oder aufgrund einer Internet-Recherche in der Datenbank SEER.
Analog dazu die gleichen Überlegungen im Non-Onko-Bereich für das Kriterium Outcome. Im Non-Onko-Bereich ist aber nicht immer eine fiktive Kontrollgruppe oder ein Spontanverlauf abschätzbar. Deswegen die separate Punktevergabe im Outcome "ohne ∆". Ebenso, wenn das Kontrolltherapeutikum nicht einsetzbar ist. Der Vertrauensarzt entscheidet im Einzelfall, wann er den absoluten Wert des Benefits in der Rubrik "ohne ∆" einsetzen will.
Bei Adverse Events (AE), gemeint sind Medikamenten bezogene AE, ist es in der Praxis einfacher, mit absoluten Zahlen zu arbeiten. Eine Verschlechterung wird weniger und eine Verbesserung mehr Punkte ergeben, sodass die Abbildung auch ohne ∆ korrekt wird.
Die Modelle sind aufgeteilt in die Bewertungsqualitäten Data Quality, Efficacy und Quality of Life mit einer einheitlichen Punktegewichtung.
Data Quality | Efficacy | Quality of Life |
6 Punkte | 20% | 16 Punkte | 60% | 5 Punkte | 20% |
Das Punktegewicht von total 27 Punkten hat sich empirisch aus der Entwicklung von MediScore ergeben. Im Zentrum steht die Hauptwirkung mit OS, PFS und Response (Efficacy). Diese "Efficacy-Kriterien" sollen das grösste Gewicht mit deutlich über 50% ausmachen. Data Quality und Quality of Life sollen ohne relevante Punkte aus der Rubrik Efficacy nicht zu einem "grossen Nutzen" führen. So akzeptieren wir nur die Kategorie C, falls mindestens zwei Punkte aus dem Bereich Efficacy stammen → Ohne ausgewiesene Wirkungsdaten soll keine Behandlung erfolgen. Dies im Einklang mit den Forderungen der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW.
MediScore hat das Ziel, den erwartbaren therapeutischen Nutzen möglichst realitätsnah abzubilden und soll im Alltag für den Vertrauensarzt einfach anwendbar und reproduzierbar sein. Mit dem "Ur-Modell" von 2012 führten wir insgesamt rund 300 Testratings durch. Im Sinne einer Validierung überprüfte eine Helsana externe HTA-Spezialistin nachfolgend 50 Test-Ratings. Dies führte zum MediScore mit den aktuellen Parametern und deren Einordung mit 27 Punkten.
Inzwischen haben wir weit über 10 000 Nutzenbestimmungen durchgeführt, welche in vertrauensärztlich internen und externen Diskussionen zur aktuellen Weiterentwicklung geführt haben. Die Bewertung der Studienanlage, der Miteinbezug der statistischen Aussagekraft von Effektivität sowie die Qualität der Publikation in der Rubrik „Data Quality“ ist eine Basis für die die Verlässlichkeit und Richtigkeit der Daten.
Modellanpassungen sind immer wieder nötig, da neue Wirkmechanismen von Medikamenten die Studiendesigns verändern. Die vorliegende Version trägt den Immunonkologika Rechnung, welche oft schnelle Zulassungen wegen guten Response-Werten erhalten und mit den klassischen Recist-Kriterien nur unbefriedigend beurteilt werden können. Zudem berücksichtigt das Modell mit der Einteilung in kurze und lange Krankheitsverläufe die Medikamentenwirkung in Relation zur Tumorart.
Evidence | Modifizierte Einteilung nach EbM |
Publication | High: Journal mit hohem Impact, Moderate: Zweitrangiges Journal oder nur Abstract ohne Studienvolltext, Low: Expertenmeinung, Pharma interne Daten, Kongressberichte |
p-Value | Keine Wertung, falls Null Punkte bei OS, PFS oder Outcome im Bereich Efficacy |
Adverse Events (AE) | Die Einteilung mit den Prozentangaben ergibt sich aus den Studien |
QOL - Studies als Alternative | Unter Effort (Aufwendungen) sind kostenintensive, symptomatische Begleittherapien wie Hospitalisationen oder auch Therapien wegen Komplikationen zu verstehen |
∆ OS | Als erstes definiert der VA die Gruppenzugehörigkeit →Wie lang ist die Lebenserwartung spontan oder unter der zugelassenen (=Standard)-Therapie? 1 Jahr, 1-3 oder ˃ 3 Jahre? Dies ergibt die Score-Gruppe für OS und PFS. Eingetragen wird die Differenz (∆) von OS zwischen Prüfmedikament und Kontrollgruppe. Gibt es keine Kontrollgruppe, bestimmt der Vertrauensarzt den Spontanverlauf als fiktive Kontrollgruppe laut SEER-Tabelle oder empirisch. |
HR (OS/PFS) | Wenn absolute OS/PFS-Werte vorhanden sind (Kaplan-Meier), haben diese Vorrang. HR-Werte werden eingesetzt, wenn bei Studien-Ende der mediane OS-Wert (50%) nicht erreicht ist, weil OS oder PFS> 50%. |
∆ PFS (Measured by RECIST or irRC) | Progression Free Survival (PFS) auf Basis Recist oder irRC→ Analog ∆ OS und HR |
Response Rate | Absolute Werte als RR oder ORR je nach Studie |
Bonus (Measured by RECIST or irRC) | Bonuspunkte für Langzeitüberleben → Gemessen wird der horizontale Abschnitt der OS-Kurve als Ausdruck des konstanten Überlebens, falls bei Studienende OS < 50%. Es wird ein anhaltender Effekt von 12 Mt. als Minimum verlangt. Bei OS ˃ 50% kein Bonus, da reguläre Scorepunkte erreicht werden. |
Outcome (∆) → Non-Onko-Modell | Das Outcome bezeichnet die Zielerreichung des Haupteffektes der Studie (= Benefit) oder setzt sich bei Krankheitsverläufen aus Partial/Complete Remissionen zusammen. Eingetragen wird die Differenz zwischen Prüf- und Kontrollgruppe (∆). Zusätzliche Punkte für Complete Response. Fehlt eine Kontrollgruppe und lässt sich keine fiktive Kontrollgruppe bestimmen, werden die Score-Punkte reduzier (Tabelle "ohne ∆"). Ebenso, wenn das Kontrolltherapeutikum nicht einsetzbar ist. Ist das Überleben (OS) der Haupteffekt, entscheidet der Vertrauensarzt, ob er auf das Modell "MediScore Oncology" wechseln will. |
Zeitdauer Outcome | Meist zusammenfallend mit Studiendauer |
MediScore ist so aufgebaut, dass lediglich mit Punkten aus dem Bereich Datenevidenz (Data Quality)und AE (Quality of Life) die "rote Linie" nicht übersprungen wird, also kein "grosser Nutzen" erreicht werden kann. Besteht aber offensichtlich eine Diskrepanz, dass mit sehr wenig Wirkung (Efficacy) und nur dank Nebenkriterien viele Punkte erreicht werden, ist es dem Vertrauensarzt überlassen, im Sinne einer Globalbetrachtung, im Studienrating eine Nutzenkategorie tiefer zu gehen (Downgrading).
In der Praxis bestimmt der Vertrauensarzt zuerst das Studienrating. Dann betrachtet er den Einzelfall und beurteilt, wie der Fall zur Studie passt. Bei Abweichungen des Einzelfalles von der Studienpopulation resultiert im Schlussrating ein Downgrading . Die individuelle Alltagssituation des Patienten kann den Vertrauensarzt zu einem Up -oder Downgrading der Nutzenkategorie veranlassen (effectiveness).
Rating Studie | Rating Einzelfall | |
1. Schritt | Rating von Studie mittels MediScore | |
2. Schritt | a) Der Einzelfall passt zur Studienpopulation → Studien Rating = Einzelfall Rating | |
b) Der Einzelfall passt nicht → Downgrading oder Kat. D | ||
c) Spezielle Alltagssituation → Up- oder Downgrading |
Adjuvante Therapie
Wird für eine definierte Zeitspanne nach einer kurativen Operation (R0-Resektion) verabreicht. Die Betroffenen gelten als geheilt. Ziel der Therapie ist die Vernichtung allfälliger Mikrometastasen, die sich bildgebend nicht nachweisen lassen. Der Anspruch an eine adjuvante Therapie ist sehr hoch, da die Betroffenen "geheilt" sind.
Maintenance Therapie
Die Betroffenen befinden sich in einer Remission. Die Remission ist anhaltend solange das Medikament appliziert wird. Die Maintenance Therapie wird bis zum Krankheitsprogress gegeben.
Overall Survival (OS)
Damit ist immer das mediane OS gemeint (mOS), d.h. nach dieser Zeit leben noch 50% der Betroffenen. Gerade bei Behandlungen mit Immunonkologika lebt oft eine kleine Gruppe (˂ 50%) sehr lange. Mit dem OS (= mOS) wird diese
Gruppe ungenügend abgebildet.
MediScore kommt an Grenzen, wenn nur wenige Daten (Kategorie D) vorliegen, jedoch der Nutzen offensichtlich ist, wie z.B. bei Mangel einer Aminosäure wegen Gendefekt, wo die Substitution unmittelbar evident ist. An Grenzen stösst man auch bei adjuvanten Therapien, die lediglich für eine begrenzte Therapiedauer durchgeführt werden, sich dadurch nur wenig Score-Punkte ergeben und somit der Nutzen ungenügend abgebildet wird.
Orphan Drug
Orphan drugs stehen nicht a priori ausserhalb der Nutzenbeurteilung mit MediScore. Im Gegenteil, die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) fordert Daten auch bei orphan diseases → "Die Möglichkeiten ........ einen Orphan-Disease-Status zu beanspruchen, müsste an den sorgfältigen Nachweis klinischer Wirkung und eines angemessenen Nebenwirkungsprofils geknüpft sein". (SAEZ 2012;93:50, Kap. 4.7).
Abweichungen von der Forderung der SAMW gibt es bei sehr seltenen Krankheiten (ultra orphan oder rare/ultra-rare-disease). Hier sind Lösungen ausserhalb eines Modells zu suchen, wenn nur minimale Daten (Kategorie D) vorliegen, weil Studien schwierig zu realisieren sind oder weil aus ethischen Gründen keine Studien durchgeführt werden.
Sonderlösungen für solche Situationen sind auch Thema des "runden Tisches" von Politik, Ärzteschaft, Schweizerische Gesellschaft der Versicherungs- und Vertrauensärzte SGV und Bundesamt für Gesundheit BAG.
Orphan Disease mit Studiendaten | Rare Disease mit Studiendaten | Rare Disease mit wenig Daten (Kategorie D) oder fehlenden Daten | |
MediScore | √ | √ | Beurteilung ausserhalb des Modells |
Das Vorliegen einer orphan disease ist kein Kriterium für eine spezielle Handhabung in der Abwicklung, weil im Art. 71 KVV keine Sonderbehandlung bei Orphan-Situationen vorgesehen ist. Die Anwendung des Modells kann an Grenzen stossen, weil die Datenlage zu gering, der Nutzen aber evident ist.
Eine Bewertung des medizinischen Nutzens kann aufgrund unterschiedlicher Perspektive auf verschiedene Weise erfolgen. So unterscheiden Gutzwiller et al. in einer Studie im Auftrag der Akademie der Schweizerischen Medizinischen Wissenschaften (2012) folgende Methoden:
Die Nutzenbewertung mit MediScore orientiert sich in einem ersten Schritt an der klinischen Forschung auf der Basis EBM (efficacy). In der vertrauensärztlichen Beurteilung kann in einem zweiten Schritt jedoch die Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen zu einer höheren oder tieferen Nutzenkategorie führen (effectiveness). MediScore soll den Vertrauensarzt mit einer methodischen Vorgehensweise zur Erfassung / Bewertung des Nutzens unterstützen und eine Transparenz seiner Beurteilung ermöglichen.
Im Zentrum steht der Nutzen für den Patienten. MediScore verwendet dazu messbare und aus Studien verfügbare Kriterien. Dies sind hauptsächlich:
Diese Nutzenparameter sind objektiv messbar und gelten derzeit als internationaler Standard (siehe auch ASCO- und ESMO-Modell sowie Deutsches Sozialgesetzbuch SGB V §35b).
Hat ein Medikament einen statistisch signifikanten Effekt auf die vorgenannten Messgrössen und liegt die Summe der Zielgrössen über 50%, so definieren wir dies als "erwartbaren grossen Nutzen". Daraus ergibt sich die "rote Linie" ab 13 Scorepunkten (50%) für den "grossen Nutzen" wie er im Art. 71 KVV gefordert wird.
Falls die Datenlage keine Rückschlüsse auf einen erwartbaren grossen Nutzen ermöglicht, jedoch für den Einzelfall ein relevantes Potential erkannt wird, empfiehlt der Vertrauensarzt eine Probebehandlung. Stammen mindestens zwei Scorepunkte aus Efficacy, ist dies ein deutlicher Hinweis für einen möglichen, individuellen Patientennutzen, so dass im Einzelfall ein grosser Nutzen im Sinne von Art. 71 KVV resultieren könnte.
Die Probebehandlung selbst wird vom Versicherer nicht vergütet, da aufgrund der geringen Studienevidenz kein grosser Nutzen erwartet werden kann. Falls jedoch die Probebehandlung für den Patienten einen grossen Nutzen aufzeigt, so sind Wirksamkeit und Zweckmässigkeit im konkreten Einzelfall erfüllt und der erwartbare grosse Nutzen nach Art. 71 KVV kann attestiert werden. Der Vertrauensarzt wird jetzt für die Weiterbehandlung eine Vergütung empfehlen.
Der Vertrauensarzt bewertet aufgrund der Datenlage den voraussichtlichen Nutzen als nicht gegeben. Das Medikament ist zumeist in einer frühen Forschungsphase und kann nicht von der Krankenversicherung vergütet werden. Bei Ultra-Rare Disease, ohne Möglichkeit einer Datenerhebung, kann der Vertrauensarzt eine Beurteilung ausserhalb von MediScore durchführen (siehe Kapitel 9).
Nutzen | Art. 71 KVV | grosser therapeutischer Nutzen | Kommentar |
A: 20-27 | Erfüllt | Ja | Grosser Nutzen zu erwarten, da Effekt wesentlich über 50% |
B: 13-19 | Erfüllt | Ja | Grosser Nutzen zu erwarten, da Effekt gerade 50% oder etwas mehr |
C: 6-12 | Nicht erfüllt | Nein | Probebehandlung möglich, falls mindestens 2 Punkte aus Efficacy. Wenn aufgrund der Probebehandlung im Einzelfall ein grosser Nutzen aufgezeigt ist, Empfehlung zur Kostenübernahme der Weiterbehandlung durch den Versicherer (*). |
D: 0-5 | Nicht erfüllt | Nein | Bei sehr seltenen Krankheiten kann der Vertrauensarzt trotz wenig Daten eine Lösung ausserhalb der Modelle empfehlen. |
(*) Falls die Probebehandlung keinen Hinweis auf den Nutzen geben kann, wie z.B. bei Maintenance-Therapie, bei einmaliger Medikamentenapplikation oder bei sehr langer Time to Response, dann kann der Vertrauensarzt eine Kostenübernahme mit spezieller Vergütung empfehlen.
Die behördliche Zulassung (swissmedic, FDA, EMA) legt den Schwerpunkt auf die Sicherheit eines Medikamentes. Der Schaden eines Medikamentes darf nicht grösser sein als der Nutzen. Im Art. 71 KVV liegt die Anforderung deutlich höher, da der Nutzen "gross" sein soll. Daraus folgt, dass die behördliche Zulassung nicht automatisch in die Nutzenkategorie A oder B führt.
Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte
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